Offener Brief des INH an den Bundesminister für Gesundheit zum Binnenkonsens des AMG

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Eingang zum Bundesministerium für Gesundheit, BerlinGestern, am 13.06.2019, hat Jan Böhmermann in  seiner Sendung “Neo Magazin Royale” die Homöopathie satirisch treffend analysiert und damit den unseres Erachtens längst weit verbreiteten Unmut über die Rolle der Scheinmethode Homöopathie im öffentlichen Gesundheitswesen auf seine Weise artikuliert.

Wir halten den Zeitpunkt für angemessen, uns nun mit unserem Kernanliegen an den Bundesminister für Gesundheit zu wenden. Er hat heute den nachfolgenden Offenen Brief seitens des INH erhalten:


 

Informationsnetzwerk Homöopathie
Wir klären auf – Sie haben dieWahl

 

14.06.2019

Herrn
Bundesminister für Gesundheit
Jens Spahn
via E-Mail

Sehr geehrter Herr Bundesminister Spahn,

als Informationsnetzwerk Homöopathie tragen wir seit 2016 zur Aufklärung der Öffentlichkeit über die Hintergründe der Homöopathie bei und haben dabei auch den sogenannten „Binnenkonsens“ des Arzneimittelgesetzes im Fokus.

Am gestrigen Abend durften wir im Deutschen Fernsehen erleben, wie die Homöopathie zum Gegenstand von prominenter Satire wurde. Mehr als 20 Minuten lang brannte Jan Böhmermann in seinem „Neo Magazin Royale“ ein Feuerwerk zum Thema ab, das – wie alle gute Satire – nichts anderes präsentierte als die Fakten. Wir werten dies als deutliches Zeichen dafür, dass die öffentliche Reputation der Homöopathie, nicht zuletzt jahrzehntelang durch den Binnenkonsens gestützt, massiv erodiert. Mehr und mehr Menschen sehen eine nicht nur medizinfachliche, sondern auch intellektuelle Zumutung darin, dass Homöopathie für eine wirksame medizinische Methode ausgegeben wird und empfinden dies als unhaltbaren Anachronismus.

Die Konstruktion des sogenannten Binnenkonsens im Paragrafen 38 des AMG stellt nichts weniger dar als die partielle Verkehrung des Sinns des AMG in sein völliges Gegenteil: Statt intersubjektive wissenschaftliche Maßstäbe an alles, was „Arzneimittel“ sein will anzulegen, schafft er unter ausdrücklichem Verzicht auf Wirkungsnachweise einen nicht nachvollziehbaren Schutzraum für Mittel „besonderer Therapierichtungen“ – ein „Schwarzes Loch“ im Arzneimittelrecht.

Die fehlende Intersubjektivität darin ist offensichtlich: Niemand kann nach objektiven Maßstäben die Heilsversprechen der Homöopathie (oder auch der Anthroposophie) nachvollziehen. Nach über 200 Jahren bleibt es bei Behauptungen, die niemals nach intersubjektiven Kriterien irgendwie verifiziert werden konnten. Dies ist der unbestreitbare Stand der Wissenschaft, dem die Gesetzeslage unsinnigerweise widerstreitet und die interessierten Kreisen als Scheinbegründung ihrer unhaltbaren Positionen dient.

Es ist an der Zeit, dass der Gesetzgeber dazu nicht länger eine scheinbare Legitimation liefert und den Binnenkonsens des AMG revidiert. Im richtigen Verständnis gibt es nur eine Medizin: Diejenige, die wirkt. Diejenige, die die Frage „Wo ist der Beweis?“ wissenschaftlich beantworten kann. Daneben braucht es weder Alternatives, noch Komplementäres, noch Integratives. Die Scheidegrenze zwischen Medizin und Nicht-Medizin ist die nach wissenschaftlichen Maßstäben nachgewiesene Wirksamkeit. Die Homöopathie bleibt seit über 200 Jahren jenseits dieser Scheidegrenze und kann sich auf nicht mehr berufen als auf eine gesetzliche Fiktion.

Wir hegen an Ihrer persönlichen Haltung zum Problem keinen Zweifel und sind angesichts der Tatkraft, die Sie bislang in Ihrem Amt bewiesen haben, überzeugt, dass unser Anliegen bei Ihnen in guten Händen ist. Geben Sie angesichts der geschilderten Umstände und der aktuellen Entwicklung die politische Zurückhaltung auf, die den Binnenkonsens bislang unangetastet gelassen hat! Werden Sie mit der Reputation und Autorität des unabhängigen Fachministers aktiv und ergreifen Sie die Initiative, dem unsäglichen Anachronismus des Binnenkonsens ein Ende zu machen und alle Mittel, die als Arzneimittel einen Marktzugang erlangen wollen, den gleichen Regeln zu unterwerfen. Eine sachlich unhaltbare gesetzliche Fiktion sollte nicht länger Basis von Irrtümern und Fehlinformationen über die Homöopathie sein und auch nicht mehr dazu dienen können, den Stand der Wissenschaft und diejenigen zu diskreditieren, die ihn öffentlich vertreten. In Gesetzesform gegossene Partikularinteressen sollten der Vergangenheit angehören, vor allem dann, wenn sie den Fakten widerstreiten.

Wir stehen Ihnen jederzeit mit unserer Expertise in jeder Ihnen genehmen Form zur Verfügung.

Hochachtungsvoll

Für das Informationsnetzwerk Homöopathie

Dr. med. Natalie Grams (Leiterin / Sprecherin)
Dr. med. Christian W. Lübbers (Sprecher)
Dr. Ing. Norbert Aust (Sprecher)


Bildnachweis: INH

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