Kritik an der Kritik: Faktencheck-Check!

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Auf der Seite „Natur und Medizin“ der Carstens-Stiftung erschien unlängst eine – sagen wir mal – Auseinandersetzung mit dem Beitrag im SPIEGEL 34/2018 vom 18.08.2018 („Hokuspokus – Geld weg! Heiler, Gurus, Scharlatane: Der Boom der Alternativmedizin). Spekulationen zu einer nicht näher bezeichneten  „Skeptikerbewegung“ (wozu der Autor, Dr. Jens Behnke, die wissenschaftsfundierte Homöopathiekritik zählt), konnte man dort ebenfalls finden.

Das INH hat sich näher mit dem Inhalt dieses Textes befasst, ihn sozusagen einem Faktencheck-Check unterzogen:


Unter einem „Faktencheck“ versteht man üblicherweise eine Überprüfung von Behauptungen, ob und inwieweit sie mit vorliegenden Fakten übereinstimmen. Dazu muss selbstverständlich die Faktenlage so dargestellt werden, dass alle für die Aussage relevanten Tatsachen gewürdigt werden.

Nun hat Jens Behnke einen solchen in Bezug auf den Artikel „Die Macht der Heiler“ im Spiegel Nr. 34/2018 vorgelegt. Die für die Komplementärmedizin negativen Aussagen seien Teil einer europaweiten Kampagne gegen die Komplementärmedizin, die von der Skeptikerbewegung  betrieben werde, meint Herr Behnke. Nun hätte dies eine neue Qualität erreicht, da die Akteure der Skeptikerszene jede Hemmung fallengelassen hätten und der Text von einer „auf den beabsichtigten Negativeffekt abgestellte Perspektive“ dominiert werde.

Nun ja, dass ein berufsmäßiger Interessenvertreter der Homöopathie verärgert auf den Artikel reagiert, ist nachvollziehbar. Aber wie sieht es mit den Fakten aus?

Herr Behnke hat zunächst Recht damit, dass es sich bei der zuerst genannten geschädigten Patientin um Susanne Aust, die Ehefrau des INH-Mitglieds Dr. Norbert Aust handelt. Genau die im Spiegel dargestellte Leidensgeschichte war die Ursache (!) dafür, dass dieser sich intensiver mit dem Wesen der Homöopathie beschäftigt hat – und fand, dass es keine wissenschaftliche Grundlage und keine Evidenz für die Wirksamkeit der Homöopathie über Placebo hinaus gibt. Das wird im Text sogar kurz angedeutet.

Die Interessenkonflikte der zitierten Personen würden nicht transparent gemacht, sagt Herr Behnke. Nun, welche Interessenkonflikte? Niemand aus dem INH hat einen finanziellen oder einen sonstigen wirtschaftlichen Vorteil aus seinem Engagement gegen die Homöopathie. Wir haben keinerlei Gewinn davon, ob sich jemand für oder gegen die Homöopathie entscheidet. Das mag für berufsmäßige Interessenvertreter wie Herrn Behnke und die ganze KVC schwer verständlich sein: aber es gibt Menschen, die sich nicht aus Eigeninteresse, sondern aus Idealismus oder Verantwortungsgefühl für etwas engagieren und dafür sogar in gewissem Umfang eigene Mittel aufwenden.

Dann führt Herr Behnke eine ganze Reihe von Fakten und Zahlen auf, die den Stand der Forschung zur Homöopathie darstellen sollen. Dazu wird die Pressemeldung zum Bertelsmann-Gesundheitsmonitor aus dem Jahr 2014 zitiert, wonach viele Patienten nach einer homöopathischen Behandlung eine Besserung erleben, wobei wie immer bei solchen Umfragen offen bleibt, ob dies trotz oder wegen der Homöopathie geschah. Auch dass sich viele Deutsche nach einer von der DHU, dem größten Hersteller von Homöopathika, beauftragten Umfrage ein „Miteinander“ von Schulmedizin und ergänzenden Therapien wünschen, wird erwähnt. Die EPI3-Studie (eine für den Homöopathiehersteller Boiron durchgeführte große Erhebung von Daten bei Ärzten und Patienten) muss natürlich angeführt werden. Wieso merkt ein Doktor der Philosophie nicht, dass das Ergebnis, Homöopathen würden weniger konventionelle Arzneimittel verordnen, trivial ist, schließlich ist das deren hauptsächliches Unterscheidungsmerkmal gegenüber ihren nicht-homöopathischen Kollegen? Was hat die Aussage, dass viele Menschen an den Nebenwirkungen von Medikamenten sterben, mit der Homöopathie zu tun?

Zu den äußerst geringen Nebenwirkungen von Homöopathika hat Herr Behnke einen Link, ebenso zur Kostensituation.

Allerdings verschweigt Herr Behnke – aus Kalkül? – die wesentlichste Erkenntnis aus der Forschung zur Homöopathie überhaupt: In mittlerweile neun systematischen Reviews konnten keine Nachweise dafür gefunden werden, dass die Homöopathie auch nur bei einem einzigen Krankheitsbild sinnvoll anzuwenden wäre, so auch nicht in den mittlerweile drei Arbeiten von RT Mathie, der für das Homeopathy Research Institute arbeitet und daher sicher nicht gegen die Homöopathie voreingenommen ist.

Gut gebrüllt Herr Behnke, man kann Ihren Unmut verstehen. Auch wenn Sie Ihre Interessenkonflikte, soweit uns bekannt ist, noch nie dargelegt haben – ich nehme an, Sie würden Ihren Job verlieren, wenn Sie die Homöopathie anders darstellen als es Homöopathen gerne hören – ist angesichts Ihrer beruflichen Ausrichtung  klar, welchen Standpunkt Sie vertreten. Allerdings: Welche Aussagen des Spiegel-Artikels haben Sie denn nun widerlegt?

  • Dass wissenschaftliche Studien sagen, Homöopathie ist keinen Deut besser als Placebo?
  • Dass die DHU in den sozialen Netzwerken und der Presse wirbt?
  • Dass der Umsatz mit Homöopathika mehrere hundert Millionen Euro beträgt?
  • Dass Alternativmedizin bei Krebs die schlechteren Heilungschancen bietet?
  • Dass die Carstens-Stiftung Lehrveranstaltungen an Unis fördert?
  • Dass viele Länder Maßnahmen gegen die Homöopathie ergreifen?
  • Dass sich die Anhänger der Homöopathie wie eine Sekte verhalten, Abtrünnige ächten?
  • Dass Homöopathika von Wirksamkeitsnachweisen befreit sind?
  • Dass Krankenkassen Homöopathie aus Marketinggründen anbieten?
  • Dass solche Homöopathie-Patienten teurer sind als Nicht-Homöopathie-Patienten?
  • Dass Homöopathen auch von Arzneimitteln der evidenzbasierten Medizin abraten?
  • Dass die Homöopathie in den zitierten Fällen nicht helfen konnte?

Keiner dieser Aussagen der Spiegel-Redakteurin Frau Hackenbroch ist durch die von Ihnen angeführten Quellen widersprochen, schon gar nicht widerlegt worden.

Bleibt als Fazit, dass die von Ihnen kritisierte „auf einen Negativeffekt abgestellte Perspektive“ keine Folge sinistrer Machenschaften einer kleinen Gruppe von Skeptikern, sondern in weiten Kreisen der Wissenschaften anerkannte Faktenlage ist.

 

Autor: Dr. Norbert Aust


Bildnachweis: Fotolia_130625327

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