Die Kommission zur Bekämpfung von Pseudowissenschaften am Präsidium der Russischen Akademie der Wissenschaften (RAS) hat ein Memorandum „Über die Pseudowissenschaft Homöopathie“ herausgegeben:
„Die Behandlung mit ultraniedrigen Dosen in homöopathischen Mitteln hat keine wissenschaftliche Grundlage und damit keine Rechtfertigung.“
Die Kommission empfahl dem Ministerium für Gesundheit, alle homöopathischen Arzneimittel aus öffentlichen Kliniken zurückzuziehen und über Maßnahmen des Kartellamtes die Bürger davor zu schützen, dass ihnen das Vorhandensein „therapeutischer Eigenschaften“ solcher Mittel suggeriert wird. Das Gesundheitsministerium hat zugesagt, auf die Argumente des Memorandums zu reagieren, sobald sie diese auf offiziellem Wege erhalten hat.
Wir stellen als erste deutsche Seite eine Übersetzung vor:
Memorandum No. 2: Kommission zur Bekämpfung von Pseudowissenschaft und Verfälschung der wissenschaftlichen Forschung
Über die Pseudowissenschaft Homöopathie
Dieses Memorandum der „Kommission zur Bekämpfung von Pseudowissenschaft und der Verfälschung wissenschaftlicher Forschung“ des Präsidiums der Russischen Akademie der Wissenschaften (im Folgenden: Kommission) ist der Homöopathie gewidmet. Die Kommission argumentiert, dass die Behandlung mit extrem niedrigen Dosen von verschiedenen in der Homöopathie verwendeten Substanzen keine wissenschaftliche Grundlage hat. Sie qualifiziert diese deshalb als pseudowissenschaftlich.
Homöopathie als eine Form der „alternativen Medizin“ existiert seit mehr als 200 Jahren. Während dieser Zeit hat es zahlreiche Versuche gegeben, der Homöopathie eine wissenschaftliche Grundlage zu geben. Sie waren letztlich sämtlich erfolglos: Zahlreiche klinische Studien in verschiedenen Ländern zu unterschiedlichen Zeiten waren nicht in der Lage, experimentell die spezifische Wirksamkeit homöopathischer Arzneimittel und Behandlungsmethoden aufzuzeigen.
Die vielen im Laufe der Zeit vorgeschlagenen theoretischen Erklärungen der möglichen Wirkmechanismen der Homöopathie stehen im Widerspruch zu etablierten wissenschaftlichen Erkenntnissen über die Struktur der Materie, von Physiologie, Ätiologie und der biochemischen Wirkweise von Medikamenten. Die a priori postulierten „Prinzipien der Homöopathie“ sind einer spekulativen Dogmatik zuzurechnen, derer man sich in vorwissenschaftlichen Zeiten bediente.
Die Homöopathie ist nicht harmlos: Die Patienten vertrauen stark auf nutzlose Mittel und vernachlässigen dadurch Methoden und Mittel von Therapien mit nachgewiesener Wirksamkeit. Dies kann zu unerwünschten Ergebnissen führen, einschließlich des Todes des Patienten.
Dieses Memorandum stellt fest, dass die wissenschaftliche Gemeinschaft Homöopathie heute als Pseudowissenschaft betrachtet. Ihre Verwendung in der Medizin steht im Gegensatz zu den grundlegenden Zielen der nationalen Gesundheitspolitik, daher sollte ihr öffentlicher Widerstand entgegengesetzt werden. Vor diesem Hintergrund hat die Kommission Empfehlungen an verschiedene Personen und Organisationen formuliert, um zu erreichen, dass der homöopathischen Behandlung kein Platz mehr im nationalen Gesundheitssystem zukommt.
Das Memorandum basiert auf dem Gutachten einer interdisziplinären Arbeitsgruppe im Auftrag der Kommission. Diese besteht aus Experten auf dem Gebiet der evidenzbasierten experimentellen und klinischen Medizin, Psychotherapie, Psychologie, Physik, Chemie, Biochemie, Immunologie, Molekularbiologie, Pharmakologie, Biotechnologie, Pharmazie und Biostatistik.
Empfehlungen an das Ministerium für Gesundheit
Die vor über 20 Jahren ohne ausreichende Begründung getroffene Entscheidung, die Homöopathie im russischen Gesundheitswesen zu implementieren, ist angesichts der vorliegenden wissenschaftlichen Erkenntnisse neu zu bewerten. Homöopathische Mittel sind vom Einsatz in den staatlichen und kommunalen medizinischen Einrichtungen auszuschließen. Bei der Erneuerung und Aktualisierung von klinischen Richtlinien, Pflegestandards und dergleichen sind homöopathische Mittel nicht mehr einzubeziehen.
Die Anforderung an die Kennzeichnung homöopathischer Arzneimittel in der sog. Sekundärverpackung (s. Art. 46 des Bundesgesetzes „über den Verkehr von Arzneimitteln“) erfordert zwingend einen ausdrücklichen Hinweis auf das Fehlen einer nachgewiesenen klinischen Wirksamkeit und von klaren Indikationen für die Verwendung sowie eine Ergänzung zu den tatsächlichen Inhaltsstoffen. Für Arzneimittel mit Verdünnung C12 oder mehr, das heißt, solche ohne Wirkstoffgehalt, sind nur die Hilfskomponenten (Wasser, Lactose, etc.) als Inhaltsstoffe anzugeben. Die „angeblichen“ Wirkstoffe sind in einer Zusatzauflistung anzugeben, mit dem Hinweis „bei der Zubereitung verwendet“.
[Es folgt eine Reihe rein administrativer Anweisungen an unterschiedliche Behörden] …
An die Organisationen, die Bildungsprogramme im Gesundheitssektor umsetzen
An die Versicherungen
Halten Sie sich an die gängige Praxis, die keine Leistungserbringung für Homöopathie vorsieht. […]
An die Apotheken
Beenden Sie den gemeinsamen (gleichberechtigten) Verkauf von Arzneimitteln und homöopathischen Präparaten und verwenden Sie ggf. für den Verkauf von homöopathischen Präparaten einen gesonderten Abrechnungskreis. Homöopathische Medikamente sollten in einer separaten Vitrine vorgehalten werden.
An die Pharmazeuten und Apotheker
Keine Beratung von Patienten mehr zu homöopathischen Mitteln. Informieren Sie Patienten, die homöopathische Mittel verlangen, dass die Homöopathie nach wissenschaftlichen Kriterien keinen Wirkungsnachweis erbringen konnte.
An die Ärzte
Informieren Sie Patienten über die Wirkungslosigkeit der Homöopathie und ihre Einstufung als Pseudomedizin. Vermeiden Sie die Zusammenarbeit mit Organisationen, die weiterhin Homöopathie fördern und verbreiten. Eine Verschreibung homöopathischer Mittel ist als unethisch anzusehen, und zwar auch dann, wenn nur der Placebo-Effekt erreicht werden soll. Dem Einsatz von Homöopathie im Gesundheitswesen ist die Grundlage zu entziehen.
[…]Machen Sie sich vertraut mit den modernen wissenschaftlichen Daten über die Unwirksamkeit der Homöopathie. Den nicht bestätigten Ansprüchen von Herstellern homöopathischer Arzneimittel auf deren Wirksamkeit müssen Sie entgegentreten können.
[…]
An die Vertreter der Medien
Realisieren Sie, dass eine Wirksamkeit oder ein angeblicher Nutzen in der medizinischen Praxis im Hinblick auf Homöopathie nicht vorhanden ist. Positionieren Sie die Homöopathie als Pseudowissenschaft in der Medizin, auf einer Stufe mit Magie, personaler oder energetischer Heilung und Heilung mit „besonderen Fähigkeiten“. Unterlassen Sie Förderung von und Werbung für Homöopathie.
An die Lehrer der Bildungseinrichtungen
Bilden Sie Studenten in Fragen zur wissenschaftlichen Methodologie und zu grundlegenden Prinzipien der evidenzbasierten Medizin aus.
An alle Patienten und verantwortlichen Bürger
Verweigern Sie sich dem Erwerb und der Verwendung von homöopathischen Arzneimitteln, informieren Sie Ärzte über Ihre Position und tragen Sie zur Verbreitung zutreffender Informationen über die Homöopathie bei.
Der Vorsitzende der Kommission zur Bekämpfung von Pseudowissenschaft und Verfälschung der wissenschaftlichen Forschung beim Präsidium der Russischen Akademie der Wissenschaften,
Akad Jewgeni Borissowitsch Aleksandrov
Das Memorandum wurde mit Unterstützung der Stiftung „Evolution in Forschung und Lehre“ vorbereitet.
Es folgt das Gutachten der interdisziplinären Arbeitsgruppe der „Kommission“ (unter Verzicht auf die sehr ausführlichen Anlagen):
Begutachtung der Methode „Homöopathie“ für die Kommission gegen Pseudowissenschaft und Verfälschung der wissenschaftlichen Forschung beim Präsidium der Russischen Akademie der Wissenschaften
Gutachten über die Pseudowissenschaft Homöopathie
Homöopathie ist eine alternative medizinische Praxis, die davon ausgeht, dass die Anwendung äußerst niedriger Dosen von Substanzen, die in hohen Dosen an gesunden Personen Krankheitssymptome verursachen, eine spezifische arzneiliche Wirkung hat. Die Prinzipien der Homöopathie stehen im Gegensatz zu den Prinzipien der evidenzbasierten Medizin, die auf den Ergebnissen medizinischer und anderer naturwissenschaftlicher Forschungen basieren: Chemie, Physik, Biologie und Physiologie und ihre Verzweigungen wie Biochemie, Biophysik, Immunologie, Molekularbiologie, pathologische Physiologie und Pharmakologie.
Homöopathische Diagnose und Behandlung sind pseudowissenschaftlich und haben keine Funktion. Die Überzeugung einzelner Ärzte und Patienten von einer Wirksamkeit der Homöopathie aufgrund „persönlicher Erfahrung“ beruht auf anderen Erklärungszusammenhängen und widerspricht der postulierten Unwirksamkeit der homöopathischen Methode nicht (siehe „Antworten auf häufig gestellte Fragen und die Argumente zugunsten der Homöopathie“ Anhang 1, Abschnitt I).
Die Homöopathie beruht auf den folgenden Grundsätzen:
a) „Das Prinzip der Ähnlichkeit“
Laut des Begründers der Homöopathie, Samuel Hahnemann (1755-1843) sollte „die Medizin gegen eine Krankheit in jedem Fall so gewählt werden, dass diese selbst beim Gesunden ein Leiden verursacht, ähnlich dem, wie es geheilt werden müsse.“
Das „Ähnlichkeitsprinzip“ geht auf die alte Praxis der „sympathischen Magie“ zurück, derjenigen Form der „Hexerei“, die annimmt, dass äußerliche Ähnlichkeiten von Dingen eine übernatürliche „magische Verbindung“, einen „magischen Bedeutungszusammenhang“ zwischen ihnen herstellen.
b) „Das Prinzip Arzneimittelprüfung am Gesunden“
Die Prüfung von homöopathischen Mitteln wird an gesunden Menschen durchgeführt Man erfasst die Symptome, die der Proband während der Einnahme berichtet und es wird angenommen, dass das so geprüfte Mittel dann für die Behandlung von Patienten mit ähnlichen Symptomen geeignet ist.
c) „Das Prinzip der kleinen Dosen“
Es wird angenommen, dass die Kraft der Auswirkungen der homöopathischen Medizin mit zunehmendem Verdünnungsgrad nicht abnimmt, sondern zunimmt.
d) „Potenzierungsprinzip“
Es wird angenommen, dass die Wirkung des homöopathischen Mittels verstärkt wird, wenn es einer „Potenzierung“, d. h. einer stufenweisen Verdünnung unter langem und kräftigem Schütteln (oder Verreiben für die unlöslichen Substanzen) unterzogen wird.
e) „Das Prinzip der individuellen Behandlung“
Klassische Homöopathen bestehen darauf, dass jedes homöopathische Mittel für einen Patienten „individuell“, unter Berücksichtigung der Gesamtheit der dargelegten „Symptome“ und auch der persönlichen Eigenschaften sowie der Konstitution des Patienten zu bestimmen ist. Nicht alle Homöopathen teilen diese Ansicht: Viele beliebte OTC-Homöopathika werden in großen Mengen verkauft und – allenfalls auf Rat der Apotheke – zur Selbstbehandlung verwendet (Kommentare zu diesem Prinzip sind im Anhang 1 Abschnitt II, enthalten).
Homöopathie entstand in einer Zeit, als die wichtigsten Erkenntnisse von Chemie und Biologie – z. B. die Eigenschaften von Molekülen und die Existenz von Mikroben – noch unbekannt waren. Einige Wissenschaftler glaubten daher, dass die Materie unendlich teilbar ist und so erschien es für sie durchaus sinnvoll, von einer verdünnten Lösung in jedem beliebigen Grad zu sprechen.
Homöopathische Verdünnungen beruhen auf der konsistenten Abnahme der Konzentration des Wirkstoffs, die oft bis zur vollständigen Abwesenheit einer „Lösung“ des ursprünglichen Stoffes geht. Als Voraussetzung für die angenommene Potenzierung gilt das systematische Verschütteln in allen Phasen der stufenweisen Verdünnung. Die chemisch-physikalische Forschung auf dem Gebiet der Physik und Chemie des 19. und 20. Jahrhunderts entdeckte die atomar-molekulare Struktur der Materie, woraus folgte, dass eine Potenzierung durch Verdünnung nicht beliebig durchführbar ist.
Ein Mol eines Stoffes enthält ~ 6,02 × 10^23 Moleküle (Avogadro-Zahl). In einem homöopathischen Mittel mit einem Verdünnungsindex von C12 (= 100^12 = 10^24) wird ein Molekül des Grundstoffes nur noch mit einer statistischen Wahrscheinlichkeit von weniger als 1 Molekül, nämlich mit 0,6, enthalten sein. In einer typischen Dosis für die Herstellung homöopathischer Mittel verwendet man nur millionstel Liter der potenzierten Lösung je Dosis, so dass das statistisch vielleicht noch enthaltene einzelne Wirkstoffmolekül bei einer C12-Potenzierung nur eines von Millionen Globuli treffen wird. Gleichwohl empfohlen auch von Hahnemann und nach wie vor beliebt bei den Homöopathen ist eine Potenzierung von C30 (10^60) – dies ist physikalisch völlig sinnfrei, denn die ganze Erde enthält nicht mehr als 10^50 Moleküle.
Vor das Problem gestellt, diese Hürde zu umgehen und die hohen Potenzierungen zu rechtfertigen, setzen Homöopathen auf viele spekulative Konzepte, die, wie zum Beispiel die Idee des „Wassergedächtnisses“ durch angeblich prägende Eigenschaften einer homöopathischen Substanz in Abwesenheit seiner Moleküle – was keiner wissenschaftlichen Überprüfung standhält (dazu Anhang 4 „Wissenschaftlich nicht nachweisbar – Über das Gedächtnis des Wassers“ und Anhang 1).
Es werden zwar einige homöopathische Medikamente aus Pflanzen gewonnen. Die Homöopathie darf aber nicht mit der Phytotherapie verwechselt werden, die mit messbaren, physiologisch wirksamen Wirkstoffdosen arbeitet. Andererseits existieren Präparate, die Wirkstoffe in homöopathischen (Kleinst-) Konzentrationen enthalten, ohne dass der Hersteller diese Produkte als homöopathisch kennzeichnet (siehe. Anhang No 1, Abschnitt XVI).
Abgesehen vom Placebo-Effekt (Anhang 2 „Placebo-Effekt“ und Anhang 1, Abschnitt IV), kann es keine Manifestation einer therapeutischen Wirkung eines Arzneimittels anders als durch chemische oder physikalisch-chemische Wechselwirkung mit biologischen Substraten geben, sei es in Organen, Geweben und Gewebezellen oder in Bezug auf eingedrungene Krankheitserreger.
Intermolekulare Wechselwirkungen bestimmen die weitere Wirkung von Arzneimitteln auf allen Ebenen (von der zellulären Antwort bis zur Reaktion des ganzen Körpers). Plausible Mechanismen einer Wirkung von homöopathischen Mitteln auf molekularer Ebene oder den menschlichen Organismus als Ganzes existieren nicht.
Im Interesse der Patienten nutzt die moderne Medizin einen evidenzbasierten Ansatz, bei dem Entscheidungen über den Einsatz von präventiven, diagnostischen und therapeutischen Interventionen auf der Grundlage der verfügbaren objektiven und zuverlässigen wissenschaftlichen Beweise für deren Wirksamkeit und Sicherheit getroffen werden. Dieser Ansatz eliminiert größtenteils alle Störfaktoren, die einen Wirksamkeitsnachweis beeinflussen könnten. Die (dogmatische) Beachtung von rein spekulativen Prinzipien, wie zum Beispiel des „Ähnlichkeitsprinzips“, sagt dagegen nichts über den therapeutischen Wert eines Arzneimittels aus.
In der wissenschaftlichen Medizin wird der evidente Nachweis von Wirksamkeit und Sicherheit durch den Vergleich einer experimentellen und einer Kontrollgruppe von Patienten etabliert. Im einfachsten Fall erhält die erste Testgruppe das zu beurteilende Therapeutikum („Behandlung“), die zweite ein Placebo (äußerlich nicht zu unterscheiden von der echten Medikation). Voraussetzung ist eine Ähnlichkeit (Vergleichbarkeit) bei der Ausgangslage zwischen beiden Gruppen. Die Zugehörigkeit zu den Gruppen wird nach Zufallskriterien festgelegt. Weder die Patienten noch die Behandler und die Forscher erfahren, wer die Behandlung und wer das Placebo empfängt (doppeltverblindete Studie).
In allgemeinen klinischen Studien werden parallel multizentrisch auf möglichst breiter soziodemografischer Basis Patientenstichproben durchgeführt und das zu testende Mittel nicht nur einem Vergleich mit Placebo, sondern auch mit der bislang besten verfügbaren Behandlungsmethode unterzogen. Nur die strengste Einhaltung von Studiendesign und -dokumentation liefert wissenschaftlich belastbare Schlussfolgerungen über die Wirksamkeit einer bestimmten Behandlung.
Zusammengefasste Ergebnisse von Einzelstudien (Meta-Analysen) belegen die Abwesenheit klinischer Wirksamkeit homöopathischer Arzneimittel.
Zu diesen Ergebnissen kamen Forscher immer wieder. Eine der überzeugendsten und ehrgeizigsten Gesamtbetrachtungen von klinischen Studien zur Homöopathie stammt vom Medical Research Council of Australia und wurde im Jahr 2015 veröffentlicht. Sie kam zu folgendem Ergebnis:
„Es wurden keine Belege dafür gefunden, dass die Homöopathie in der Behandlung von Erkrankungen wirksam ist. Hierzu wurde die bisherige Forschung betrachtet. Es fand sich weder eine qualitativ hochwertige Studie mit einer ausreichenden Probengröße, noch kann bestätigt werden, dass der Homöopathie eine Wirksamkeit über Placebo hinaus zukommt …“ [2] Die Kommission benennt noch weitere 13 im Ergebnis übereinstimmende Dokumente bzw. Veröffentlichungen [3].
Bereits im Jahr 2010 kam der Ausschuss für Wissenschaft und Technologie des britischen Parlaments [4] zum gleichen Ergebnis: „Es gibt keine Beweise, dass die Homöopathie wirksam ist …“. Gleichlautend ferner eine Reihe von Bewertungen in Peer-Reviewed-Publikationen [5-7]. Zum Beispiel wurde in einem Lancet-Artikel aus 2005 gezeigt, dass bei den meisten der Studien, die homöopathischen Mitteln Effizienz bescheinigten, im Gegensatz zur Prüfung herkömmlicher Medikamente die „Effizienz“ nicht um den zu erwartenden Placeboeffekt bereinigt wurde. Umfragen, die die „beliebtesten homöopathischen Mittel“ untersuchten, zeigten gleichzeitig auch den Mangel an nachgewiesener Wirksamkeit [8]. Einzelnen Studien, die angeblich die Wirksamkeit einiger homöopathischer Mittel belegten, wurde Verletzung der wissenschaftlichen Methodik nachgewiesen. Bei weiteren stellte sich heraus, dass die Inhaltsstoffe der untersuchten Mittel unzutreffend als homöopathisch bezeichnet waren. Weitere Ergebnis waren nicht von unabhängigen Forschern vorgelegt worden (siehe Anhang 5: Einige Studien zur Homöopathie, die Fehler enthalten).
Experimentelle Untersuchungen zur Wirksamkeit der Homöopathie wurden in der UdSSR im Jahr 1937 und von 1974 bis 1975 durchgeführt (siehe Anhang 3. „Die Geschichte der Homöopathie in der Umsetzung der nationalen Gesundheitssysteme“).
Einschub d. Übers. – Zitat aus der erwähnten Anlage 3, zur Orientierung über die bisherige Situation in Russland:
„Der offizielle Status der Homöopathie in Russland während der zaristischen und sowjetischen Ära blieb unsicher und schwankend zwischen dem fast vollständigen Verbot und begrenzter Zulässigkeit in der privaten Praxis. Die Situation änderte sich dramatisch in den unruhigen Zeiten, als die Sowjetunion zerbrach und eine neue russische Staatlichkeit entstand. Alte Regulationsmechanismen kamen zum Erliegen, bevor neue greifen konnten. Während dieser Zeit wurde durch eine Reihe von Entscheidungen der Regierung der Homöopathie in Russland offiziell ein noch nie dagewesener Grad an Anerkennung zuteil – trotz des Fehlens jeder wissenschaftlichen Begründung.“
Im Jahr 2016 ist die US Federal Trade Commission (FTC) zu dem Schluss gekommen, dass „… die Aussagen über die Wirksamkeit der traditionellen homöopathischen Arzneimittel ausschließlich auf homöopathischen Arzneimittelprüfungen und Theorien beruhen, die von modernen medizinischen Experten nicht anerkannt werden und keinen zuverlässigen wissenschaftliche Nachweis der Wirksamkeit darstellen“ [9].Auf dieser Grundlage hat die FTC vorgeschlagen, die Werbung für homöopathische Mittel zu beschränken: Solange eine Bestätigung der Wirksamkeit homöopathischer Mittel durch angemessene Studien aussteht, sollte der Verbraucher darüber informiert werden, dass der „bewährte therapeutische Wert“ des Arzneimittels nicht nachgewiesen ist.
Ähnliche Anforderungen an die Kennzeichnung von homöopathischen Medikamenten sind in einer aktuellen Entscheidung des Rates der Eurasischen Wirtschaftskommission 2016.03.11 76 „Drogen für medizinische Zwecke und Tierarzneimittel – Über die Genehmigung der Kennzeichnungsvorschriften“ formuliert:
„Bei der Etikettierung von homöopathischen Arzneimitteln im Rahmen des vereinfachten Registrierungsverfahrens müssen mindestens die folgenden Informationen gegeben werden: Aufnahme unter anderem: „Homöopathische Arzneimittel ohne zugelassene Indikationen für die Anwendung“; eine Warnung über die Notwendigkeit, einen Arzt zu konsultieren, sollten die Symptome der Krankheit anhalten.“
Das Risiko der Homöopathie liegt darin, dass seine Befürworter oft die (rechtzeitige) Behandlung mit Mitteln von nachgewiesener Wirksamkeit vernachlässigen. Dies kann zu unerwünschten Ergebnissen führen, einschließlich Tod der Patienten [10, 11].
Eine weitere Gefahr besteht darin, dass das Herstellungsverfahren von homöopathischen Arzneimitteln im Allgemeinen nicht so streng wie die pharmazeutische Produktion gehandhabt wird. Im Gegensatz zu den Behauptungen der Hersteller können solche Präparate giftige Stoffe in gefährlichen Konzentrationen enthalten (siehe Anhang 1, Abschnitt VII). Im Jahr 2016 hat die FDA die Verbraucher vor der Verwendung von homöopathischen Globuli und Zahn-Gels, die für Kinder gesundheitsgefährdend sein können, gewarnt [12].
Somit basiert die Homöopathie auf theoretischen Positionen, die großteils direkt grundlegenden wissenschaftlichen Prinzipien und Gesetzen der Physik, Chemie, Biologie und Medizin widersprechen. Keinerlei empirische Daten aus unabhängigen, hochqualitativen klinischen Studien bestätigen die klinische Wirksamkeit von homöopathischen Mitteln.
Die Wissenschaft ist auf den plausiblen und konsistenten Aufbau eines Weltbildes gerichtet, das am besten den empirischen Tatsachen entspricht.
Die Gesamtschau der Fakten aus verschiedenen Bereichen – über die Ergebnisse der klinischen Studien bis zu den modernen wissenschaftlichen Vorstellungen über die Struktur der Materie, den chemischen Grundlagen der intermolekularen Wechselwirkungen und der menschlichen Physiologie – ermöglicht uns die Schlussfolgerung, dass die theoretischen Grundlagen der Homöopathie keinen wissenschaftlichen Sinn haben und demzufolge homöopathische Diagnose und Behandlungsmethoden wirkungslos sind.
In dem Bemühen, das Vertrauen der Patienten zu gewinnen, erhebt die Homöopathie regelmäßig einen „alternativen“ wissenschaftlichen Anspruch für ihre eigenen Prinzipien und Methoden. Die Fortexistenz der Homöopathie trotz des Fehlens von zuverlässigen wissenschaftlichen Beweisen für ihre Wirksamkeit über mehr als zwei Jahrhunderte hinweg wird auch durch die Tatsache erklärbar, dass ständig der Anspruch erhoben wurde, es gebe angeblich anwendbare wissenschaftliche Ansätze zu erkunden. Der Abgleich des „externen Szientismus“ der Homöopathie auf der einen Seite mit dem gemeinsamen System der heutigen gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnis auf der anderen Seite ermöglicht es uns aber, die Homöopathie als eine pseudo- wissenschaftliche Disziplin zu qualifizieren.
Nähere Informationen zu häufig auftretenden Fragen sind in den Anhängen enthalten.
Liste der Anhänge
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- Antworten auf häufig gestellte Fragen über die Homöopathie und die Argumente zu ihren Gunsten
- Über den Placebo-Effekt
- Die Geschichte der Homöopathie in der Umsetzung der nationalen Gesundheitsversorgung
- Über das Gedächtnis des Wassers
- Einige Studien zur Homöopathie, die Fehler enthalten
- Referenzliste
Textverweise:
- NHMRC releases statement and advice on homeopathy. Summary media release information. NHMRC Media Release, March 11, 2015.
URL: https://www.nhmrc.gov.au/media/releases/2015/nhmrc-releases-statement-and- advice-homeopathy. - NHMRC Information Paper: Evidence on the effectiveness of homeopathy for treating health conditions. Canberra: NHMRC, 2015, 40 pp.
URL: https://www.nhmrc.gov.au/_files_nhmrc/publications/attachments/cam02a_information_ paper.pdf. - Homeopathy Review. NHMRC.
URL: https://www.nhmrc.gov.au/health-topics/complementary-medicines/homeopathy- review. - Evidence Check 2: Homeopathy. Fourth Report of Session 2009–10. House of Commons. Science and Technology Committee. London: TSO, 2010, 275 pp. URL: http://www.publications.parliament.uk/pa/cm200910/cmselect/cmsctech/45/45.pdf.
- Ernst E. Homeopathy: what does the «best» evidence tell us? Med J Aust 2010, 192(8):458–460.
- Shang A et al. Are the clinical effects of homoeopathy placebo effects? Comparative study of placebo-controlled trials of homoeopathy and allopathy. Lancet 2005, 366(9487):726–732.
- Ernst E. A systematic review of systematic reviews of homeopathy. Br J Clin Pharmacol 2002, 54(6):577–582.
- Mathie RT et al. Homeopathic Oscillococcinum((R)) for preventing and treating influenza and influenza-like illness. Cochrane Database Syst Rev 2015.
- Homeopathic Medicine & Advertising Workshop Report, Federal Trade Commission, 2016.
URL: http://www.ftc.gov/system/files/documents/reports/federal-trade-commission-staff- report-homeopathic-medicine-advertising- workshop/p114505_otc_homeopathic_medicine_and_advertising_workshop_report.pdf. - Lim A et al. Adverse events associated with the use of complementary and alternative medicine in children. Arch Dis Child 2011, 96(3):297–300.
- Posadzki P et al. Adverse effects of homeopathy: a systematic review of published case reports and case series. Int J Clin Pract 2012, 66(12):1178–1188.
- FDA warns against the use of homeopathic teething tablets and gels. FDA news release, September 30, 2016. URL: http://www.fda.gov/NewsEvents/Newsroom/PressAnnouncements/ucm523468.htm.
Unterzeichner des Gutachtens:
Vladimir Anisimov, Mitglied der Kommission zur Bekämpfung der Pseudowissenschaft und Verfälschungen der wissenschaftlichen Forschung des Präsidiums der Russischen Akademie der Wissenschaften, korrespondierendes Mitglied der Russischen Akademie der Wissenschaften, Doktor der Medizin, Professor, Leiter der wissenschaftlichen Abteilung der Karzinogenese und Onkogerontologie FGBU, Onkologisches Forschungszentrum Petrova, Präsident der gerontologischen Gesellschaft der RAS, WHO-Experte, Experte der Internationalen Agentur für Krebsforschung, Experte beim Programm der Vereinten Nationen über das Altern.
sowie weitere 33 hochrangige Wissenschaftsvertreter aus verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen.
Übersetzer: Udo Endruscheit, INH
Bildnachweis: Photograph, with permission, by Nataliya Sadovskaya, aus: Gelfand M: Doing Science in Uncertain Times. PLoS Biol 2/7/2004: e214. doi:10.1371/journal.pbio.0020214, CC BY 2.5, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=1374399
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