Während meiner Schwangerschaft wollte ich mich möglichst wenig mit normalen Medikamenten belasten, weil ich immer wieder gehört hatte, dass dies für das Baby im Bauch nicht gut sein sollte. Ich war bereits in homöopathischer Behandlung und vertraute darauf.
Eines Abends fühlte ich mich nach einem Tag am Badesee plötzlich mit einem Schlag sehr unwohl. Ich hatte Kopfschmerzen und ich fühlte mich vom Kreislauf her sehr schwach. Erst dachte ich noch, dass ich vielleicht zu viel Sonne abbekommen hätte. Für mich völlig ungewöhnlich, legte ich mich bereits um 17:00 Uhr ins Bett und wachte gegen 19:00 Uhr mit 39,8 Grad Fieber auf. Ich fühlte mich elend, hatte Gliederschmerzen, konnte nichts essen und trinken und war sehr schwach. Ich rief meine homöopathische Ärztin an und wir führten am Telefon ein langes Anamnese-Gespräch durch. Sie kannte mich ja bereits und musste nicht die gesamte Krankengeschichte neu aufnehmen. Sie empfahl mir ein homöopathisches Mittel (Eupatorium C30) und schickte mich damit zu Bett.
Während der Nacht stieg das Fieber auf über 40 Grad und als ich am nächsten Morgen mit meiner Homöopathin telefonierte, war das Fieber bei 41 Grad. Ich wurde immer schwächer, aber ich vertraute darauf, dass ein neues Mittel die Besserung bringen würde (Belladonna erst C30, dann C200). Im Laufe des Tages verschlechterte sich mein Zustand zunehmend und ganz erschreckend – es setzten leichte Wehen ein. Da ich meiner Homöopathin sehr vertraute, kam ich gar nicht auf den Gedanken, einen Arzt anzurufen oder einzuschalten, auch nicht, als sie die Wehen nicht weiter alarmierend fand, sondern „nur“ nach einem besser passenden Mittel suchte. Und sie war sogar selbst Gynäkologin, sie musste es doch wissen.
Erst als mein Mann abends nach Hause kam und mich in meinem wirklich jämmerlichen Zustand vorfand, rief er sofort den Notarzt. Dieser brachte mich umgehend in das nächstgelegene Krankenhaus. Leider in die Uniklinik, in die ich nie hatte gehen wollen, weil ich nur Schlechtes gehört hatte.
Dort wurde mir Blut abgenommen, das Fieber lag weiter bei 41 Grad, ich bekam ein fiebersenkendes Mittel (Paracetamol). Dann wurde ein CTG gemacht. Dieses bestätigte, dass ich regelmäßige Wehentätigkeit hatte. Wenig später waren die Blutergebnisse zur Hand und der Arzt erklärte mir, dass ich eine unklare Infektion hätte, möglicherweise eine echte Grippe und dass meine roten Blutkörperchen sehr, sehr niedrig seien. Der Hb lag bei 7,4, das CRP (C-reaktives Protein, der „klassische“ Entzündungsmarker) war massiv erhöht. Es wurde ein Ultraschall des Babys gemacht und ein weiteres CTG geschrieben. Es wurden deutliche Anzeichen dafür gefunden, dass ich mein Baby nicht mehr richtig versorgen konnte, es drohte zu sterben. Oberarzt und Chefarzt wurden gerufen und man beriet über einen sofortigen Notkaiserschnitt. Ich war damals in der 24. Woche! Und ich hatte schon ein Geburtshaus besichtigt, in dem ich natürlich gebären konnte. Ich hatte mir alles ganz anders vorgestellt und war nun so ohnmächtig und ausgeliefert, was ich immer hatte vermeiden wollen. Die Ärzte fragten mich, warum ich nicht früher in die Klinik gekommen sei oder zumindest einen Arzt aufgesucht hätte und ich traute mich nicht zu sagen, dass ich auf die homöopathische Behandlung (meiner Ärztin, die auch Gynäkologin war!) vertraut hatte.
Ich kann von Glück sagen, dass durch die professionelle Behandlung in der Uniklinik, die Senkung meines Fiebers und letztlich auch die abwartende Haltung der Ärzte, bis wirklich sicher war, dass die Versorgung meines Babys trotz allem noch gewährleistet war, meinem Baby und mir ein Kaiserschnitt und somit eine frühzeitige Geburt erspart geblieben sind. Von wegen, in der Uniklinik verpassen sie dir immer sofort eine Sectio!
Ich musste jedoch den Rest der Schwangerschaft liegen, weil ich so schwach war, mein Hb erholte sich nur sehr langsam und ich musste dafür Eiseninfusionen erhalten, die nicht besonders verträglich sind. Ich entwickelte (vielleicht auch wegen des Stresses, dem ich ausgesetzt war und weil ich keine Bewegung mehr hatte) einen schweren Schwangerschaftsdiabetes, der sogar mit täglichen Insulin-Spritzen behandelt werden musste. Es war eine Horrorschwangerschaft. Ich musste deswegen auch in einem Perinatalzentrum (Uni-Klinik) entbinden. Dort wurde ich von der Ruhe und Professionalität jedoch positiv überrascht. Nicht alles war super, aber es war längst nicht so schlimm, wie ich es immer wieder gehört und mir vorgestellt hatte. Mein Sohn wurde in der 40. Woche gesund und munter geboren und ich bin seither nie wieder zu meiner Homöopathin gegangen und habe auch meinen Sohn nicht homöopathisch behandelt.
Ich frage mich, wie meine Homöopathin so sehr an die Homöopathie glauben konnte, dass sie die bedrohliche Situation, in der ich war, nicht auch aus ihrer ärztlichen Sicht wahrgenommen hatte. Heute würde ich sagen, dass der Glaube an die Homöopathie irgendwie blind macht. Aber manchmal frage ich mich auch, ob die Homöopathin jetzt wohl denkt, sie hätte mit ihrer Behandlung erfolgreich meine Infektion in den Griff bekommen und mich zu ihren „Erfolgsfällen“ zählt – schließlich habe ich mich nie wieder gemeldet.