Individuelle Homöopathie versus Symptomwirrwarr

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Fünf Äpfel - vier genau gleiche in Schwarzweiß und einer als Symbol des Individuellen in natürlichem Rot.

Individuell… ?

Die individuelle Homöopathie – ist sie das?

Die Homöopathie ist, so sagt man, eine sehr individuelle Therapie. Schon kleinste Unterschiede zwischen zwei Patienten können bewirken, dass sie unterschiedliche Mittel verabreicht bekommen, obwohl sie ansonsten die gleichen Beschwerden haben.

Stellen Sie sich vor, Sie hätten ein Ekzem auf der Haut – also eine stark juckende Stelle – und würden damit einen Homöopathen aufsuchen. Der Homöopath würde mit Ihnen eine Anamnese durchführen. Dabei käme zutage, dass Sie auch zu Depressionen neigen, gelegentlich Kopfschmerzen haben, eine leichte Gastritis (Magenschleimhautentzündung) und im Sommer auch manchmal Asthmasymptome haben – offenbar reagieren Sie allergisch auf bestimmte Gräserpollen. Wenn Sie dann noch Angst vor dem Alleinsein haben, dann wäre Arsenicum album das Mittel für Sie. Hätten Sie genau die gleichen Symptome, alles, was eben aufgezählt wurde, nur das Alleinsein macht Ihnen nichts aus, dafür aber haben Sie Angst vor Einbrechern und Spiegeln, dann wäre Pulsatilla das Mittel der Wahl.

So feinfühlig werden Mittel verordnet, so genau wird die Homöopathie auf den gesamten Menschen angepasst. Da kann doch kein anderer Arzt mithalten, dieses Mittel ist genau das Richtige für Sie – nur für Sie.

Soweit die gute Nachricht.

Die schlechte Nachricht ist, dass diese Verordnung völlig ohne jeden Bezug zur Realität ist. Denn, so sollte man fragen, woher weiß man denn, welche Wirkung die Mittel haben?

Der Homöopath orientiert sich bei der Auswahl der Mittel an Verzeichnissen, in denen aufgelistet ist, welches Mittel bei welchen Symptomen wirksam sein soll (Repertorien). Diese Unterlagen wurden in sogenannten homöopathischen Arzneiprüfungen ermittelt, bei denen gesunde Testpersonen die Mittel einnahmen und die Symptome aufzeichneten, die sie in der Folge erlebten. Dabei geht man davon aus, dass ein Mittel bei einem Kranken die Symptome heilen kann, die es bei einem Gesunden hervorruft. Dies ist die Ähnlichkeitsregel der Homöopathie, die Grundsäule, nach der die Homöopathie benannt wurde.

Wir können also sagen, dass bei der Einnahme von Arsenicum album
• jemand Depressionen bekam
• jemand Kopfschmerzen bekam
• jemand eine Magenschleimhautentzündung bekam
• jemand allergisch auf etwas reagierte
• jemand Asthmaanfälle bekam
• jemand Angst vor dem Alleinsein hatte.

Nur: Waren diese vielen „Jemands“ die gleiche Person? Was ist, wenn derjenige, der Angst vor dem Alleinsein hatte, über eine Gürtelrose klagte? Wenn derjenige, der Asthma hatte, zu Zwangsverhalten neigte? Oder derjenige mit dem Ekzem unter Schlaflosigkeit litt? Das Mittel wäre nur in diesen Kombinationen erprobt, nicht notwendigerweise in der, die Sie als Patient aufweisen.

Quintessenz: Die Symptome, die bei Ihnen zur Auswahl des Mittels führten, sind aller Wahrscheinlichkeit nach bei keinem der Prüfer zusammen aufgetreten. Die Individualität der Homöopathie beschränkt sich alleine auf die Erhebung der Symptome beim Patienten – die Individualität der Prüfer spielt überhaupt keine Rolle. Wenn die Patientin eine kleine zierliche temperamentvolle junge Frau ist und der Prüfer ein großer schwerer phlegmatischer älterer Mann – das macht überhaupt nichts, Symptom ist Symptom.

Merken Sie, was für ein Trugbild da aufgebaut wird? Die individuelle Verordnung anhand der in der Anamnese ermittelten Symptome ist bedeutungslos. Wenn die Anamnese eine Bedeutung für die Mittelwahl haben würde, dann müssten die Begleitumstände der Prüfer auch bei der Arzneimittelprüfung erfasst und dann im Arzneimittelbild verzeichnet worden sein. Sind sie aber nicht, wie Sie sich leicht überzeugen können. Ein weiterer Widerspruch, der Homöopathen weder auffällt, noch sie zu stören scheint.

Aber mal so richtig über die ganze Last des Lebens zu reden mit jemandem, der sich dafür zu interessieren scheint, das tut schon gut, keine Frage. Nur ausgebildet sind Homöopathen dafür nicht!

Quelle Arzneimittelbilder: www.homeowiki.org


Foto: Gerd Altmann auf Pixabay

 

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