Homöopathische Arzneimittel können (ebenso wie anthroposophische Medikamente und Phytotherapeutika) ohne klinische Studien in den Markt gelangen. Wenn überhaupt, werden sie von einer eigens eingerichteten Kommission des Bundesinstituts für Arzneimittel (BfArM) betrachtet, in der Vertreter der Homöopathie das Sagen haben. Es reicht aber auch die Anmeldung eines neuen Medikaments beim BfArM. Warum ist das ein Problem?
1. Es ist einheitliche Meinung unter Pharmakologen, Ärzten und Gesundheitsministerien aller Länder, dass neue Arzneimittel nach einem genau festgelegten Plan daraufhin untersucht werden müssen, wie es um ihren Nutzen und ihr Schadenspotential bestellt ist. Nicht wenige Experten, so auch der Autor, sind der Meinung, dass die Bestimmungen für die Zulassung neuer Arzneimittel eher noch verschärft werden sollten. Es geht vor allem um Patientensicherheit.
2. Das Verschreiben von homöopathischen Medikamenten ist mit dem Versprechen verbunden, Krankheiten allein hiermit heilen oder einen wesentlichen Beitrag zur Verbesserung der Lebensqualität leisten zu können. Es gibt Homöopathen, die behaupten, Krebs allein mit Globuli heilen zu können. Hierüber kann man ernsthaft nur reden, wenn es ordentliche klinische Studien zu solchen Versprechen gibt, ganz gleichgültig, welcher therapeutischen Richtung Behandler auch immer anhängen.
3. Auch wenn Homöopathika rein ergänzend zur Medizin verordnet werden, müssen Patientinnen und Patienten darauf vertrauen können, dass dies tatsächlich auch einen Zusatznutzen mit sich bringt. So wird gern behauptet, Globuli könnten die Nebenwirkungen anderer Medikamente verringern. Für derartige Zusatztherapien gibt es bewährte Studienprotokolle, die ohne Probleme auch für die Homöopathie zum Einsatz kommen können.
4. Der Homöopathie wird gern pauschal unterstellt, sie schade ja nicht. Das ist nicht nur grundsätzlich fragwürdig, vor allem, wenn sich Kranke auf Globuli verlassen, obwohl es eine gut gesicherte Therapie gibt. Homöopathische Präparate in geringen Verdünnungsstufen können sehr wohl auch Substanzen enthalten, die unmittelbar Schaden anrichten können (z. B. Schwermetalle oder allergieauslösende Substanzen). Das muss durch ordentliche Prüfungen ausgeschlossen werden. Dabei käme dann auch die Frage auf, was tierische Ausgangsstoffe (Insekten, Fischfleisch, Knorpel, Knochen, Schlangengift u.v.a.m.) grundsätzlich in Arzneimitteln zu suchen haben.
5. Die Ärzteschaft ist zur Meldung von Nebenwirkungen von Arzneimitteln in der Alltagsanwendung verpflichtet. Homöopathika sind davon ebenfalls ausgenommen.
Der Gesetzgeber hat in Deutschland die pharmazeutische Industrie nicht nur – wie international üblich – verpflichtet, zur Zulassung beim BfArM methodisch anspruchsvolle Studien vorzulegen, er hat zudem geregelt, dass alle neuen Medikamente auf ihren Zusatznutzen hin vom Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) überprüft werden müssen, der seinerseits das darauf spezialisierte Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) in die wissenschaftliche Bewertung der vorliegenden Studien einbezieht. Für die Vertreter der Homöopathie, allen voran der Deutsche Zentralverein homöopathischer Ärzte, steht außer Zweifel, dass ihre Arzneimittel gleichberechtigt zum Einsatz kommen können, weil sie (angeblich) ihren Nutzen längst unter Beweis gestellt haben. Nachdem lange behauptet wurde, Homöopathie lasse sich nicht mit denselben Methoden untersuchen wie die „schulmedizinischen“ Präparate, legen heute alle Vertreter der sogenannten Alternativmedizin Wert auf die Feststellung, sie seien weltweit an wichtigen medizinischen Fakultäten vertreten und hätten längst auch durch klinische Studien bewiesen, dass Homöopathie (und Mistel, Ayurveda usw.usf.) Nutzen stiften. Sie müssten sich dann folglich selber dafür stark machen, dass ihr Sonderstatus bei der Arzneimittelprüfung und -zulassung aufgehoben wird. Als Wissenschaftler sage ich zudem: es kann nicht verschiedene Methoden bei der Bewertung neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden geben. Die Politik muss endlich die Schlussfolgerungen ziehen und darf nicht länger von „besonderen Therapierichtungen“ sprechen, bei denen die Vertreter der jeweiligen Lehrmeinung allein entscheiden, welche Präparate eingesetzt werden. „Binnenkonsens„, so wird dieses Verfahren genannt, würde in der Medizin niemand mehr akzeptieren. Die Zeiten der einsamen Herrscher à la Sauerbruch sind unumkehrbar vorbei. Und das ist gut so.
(Der Autor Prof. Dr. med. Norbert Schmacke lehrt an der Universität Bremen und ist der Herausgeber von „Der Glaube an die Globuli. Die Verheißungen der Homöopathie“, suhrkamp 2015)