Radio Berlin Brandenburg (rbb Fernsehen) hat eine Dokumentation mit dem Titel „Die Wahrheit …. über Homöopathie“ (verfügbar in der ARD-Mediathek) produziert, die am 25.05.2020 erstausgestrahlt wurde. Nach vielen immer objektiveren und informativeren Medienbeiträgen kam es für alle, die unter der Flagge der „Wahrheit“ einen weiteren Schritt in Richtung Aufklärung erwartet hatten, wahrlich knüppeldick.
Wir beklagen nicht einmal die berühmte „false balance“, eine „falsche Ausgewogenheit“. Hier geht es im Grunde um eine noch andere Qualität.
In Zeiten, in denen die wissenschaftsfundierte Homöopathiekritik (nicht nur des INH) Verbreitung und Rezeption gefunden hat, kann man hier nur eine regelrechte Parteinahme für die Homöopathie konstatieren. Natalie Grams, die frühere Leiterin des INH, kommt zwar im Beitrag vor – aber der Eindruck, dass sie nur als „Feigenblatt“ gegen einen etwaigen Vorwurf „fehlender Ausgewogenheit“ fungiert, lässt sich nicht leugnen. Argumente der wissenschaftlichen Homöopathiekritik werden, wo sie rudimentär vorkommen, mehr oder weniger nonchalant vom Tisch gewischt oder sofort (falsch) relativiert.
Eine Zeitreise in die Vergangenheit – als redaktionell verantworteter Beitrag eines öffentlich-rechtlichen Senders.
Ein Follower des Informationsnetzwerks Homöopathie (es sei betont, kein aktives oder sonst involviertes Mitglied) hat sich die Mühe gemacht, die wesentlichen Kritikpunkte gegenüber der rbb-Redaktion darzulegen. Wir hätten es kaum besser machen können. Mit seiner freundlichen Genehmigung veröffentlichen wir nachstehend seinen Text. (Name und Mailanschrift sind dem INH bekannt).
Es bleibt noch, uns herzlich zu bedanken! Was wir hiermit gern tun.
Hinzuzufügen bleibt noch, dass sich die Homöopedia des INH mit Akribie der Sache annimmt. Am 10.10.2020 ist als erster Beitrag dazu eine detaillierte Analyse des „Dossiers“ erschienen, das der rbb auf seiner Webseite als „Begleitmaterial“ zu Sendung veröffentlicht hat.
An
Angelika Vaßmers, rbb-online
CC: Angelika Wörthmüller, Sven Oswald, beide rbb online
Betr.: Die Wahrheit über… Homöopathie
Sehr geehrte Frau Vaßmers,
nachdem in den letzten Jahren im Journalismus die Problematik der falschen Ausgewogenheit beim Thema Homöopathie erkannt wurde, ist die Dokumentation „Die Wahrheit über… Homöopathie“ ein Rückschritt um 20 Jahre. Ihre Regisseurin Angelika Wörthmüller arbeitet die Talking Points der Homöopathie-Verbände ab. Zwar zeigt sie auch kritische Stimmen (Off-Kommentar dazu verschwörerisch: „…oder spielt am Ende Lobbyismus eine Rolle?“), die wichtigsten Falschaussagen zur Homöopathie lässt sie aber unkommentiert stehen.
In über 200 Jahren konnte nie auch nur für ein einziges Krankheitsbild eine Wirkung homöopathischer Mittel stabil belegt werden. Bei Frau Wörthmüller heißt es, es gäbe „einige wissenschaftliche Untersuchungen, die Wirksamkeitsnachweise liefern.“ Dabei erwähnt sie zwar deren mangelhafte Qualität, beeilt sich aber zu sagen: „Nicht nur homöopathische Studien weisen hier Mängel auf. Auch viele schulmedizinische.“ (Minute 29:45) Den schwarzen Peter einfach weiterzugeben, ist eine beliebte Taktik der Homöopathen. Es ist allerdings ein Unterschied, ob viele Medikamente der „Schulmedizin“ die strengen Testkriterien nicht bestehen oder ob eine ganze Therapierichtung noch nie einen stabilen Wirkbeleg vorweisen konnte. Weder für ein Mittel, noch für die erfolgreiche Behandlung einer Erkrankung. Die wichtigste Information zum Thema Studien verschweigt Frau Wörthmüller leider: Selbst Studien mit vermeintlich positivem Ergebnis zur Homöopathie konnten trotz größter Anstrengungen nie wiederholt werden. Die Carstens-Stiftung als europaweit größter Förderer homöopathischer Forschung könnte Auskunft darüber geben, wie viele Millionen Euro seit den 80er Jahren bereits ausgegeben wurden, um endlich auch nur ein einziges vermeintlich positives Ergebnis zu wiederholen.
Das gleiche trifft auch auf die homöopathische Grundlagenforschung zu. In den 90er Jahren wurde gern der Forscher Stephan Baumgartner gezeigt, der nach eigener Aussage in seinem Labor positive Effekte mit Hochpotenzen erzielen konnte. Bis heute ist es nicht gelungen, diese Ergebnisse unabhängig stabil zu wiederholen. Frau Wörthmüller filmt Paul Doesburg, einen Schüler Baumgartners. Ihre Regisseurin folgt also einem jahrzehntelangen Muster: Immer wieder wird der Eindruck erweckt, als wäre man einer wissenschaftlichen Revolution auf der Spur. Spätestens im Jahr 2020 sollte dieses Muster allgemein erkannt sein.
Warum verwirren Sie die Zuschauer?
Den größten Anteil ihrer Sendezeit füllen positive Anekdoten. Selbst die junge Frau mit negativen Erfahrungen in der Homöopathie hält die Methode bei leichten Beschwerden offenbar für (arzneilich) wirksam. Anekdotische Fallberichte, und seien sie noch so zahlreich, können Wirksamkeit nicht belegen. Frage: Wie vielen Menschen muss der Erzengel Gabriel erschienen sein, damit sich die RBB-Wissenschaftsredaktion darauf einigen kann, dass da was dran ist? Gerade bei der Homöopathie kann man dieses einfachste aller Prinzipien ernsthafter Wahrheitssuche nicht oft genug betonen.
Fragwürdig ist die Auswahl der Experten in Ihrer Dokumentation. Eine Frau Dr. Irene Schlingensiepen, die mit ihrer Quellenhomöopathie selbst den Homöopathen zu esoterisch ist, pflegt von sich seit Jahren das Image der strengen Schulmedizinerin unter den Homöopathen. Frau Wörthmüller übernimmt diese Selbsteinschätzung gern und nennt Frau Schlingensiepen eine „veritable Wissenschaftlerin“ (Minute 07:08). Hat Ihre Regisseurin auch nur einen Blick in die Bücher von Dr. Schlingensiepen geworfen? Eine ganz neue Methode der Homöopathie will Schlingensiepen entdeckt haben. Jeder Mensch sei mit genau einem einzigen „Ausdrucksmuster des Universums“ in Resonanz und besitze also sein ureigenstes Heilmittel, das er selbst durch eine Art Freudsches freies Assoziieren herausfindet. Das Fehlen einer wissenschaftlichen Untermauerung ihrer Thesen hat Schlingensiepen nicht gehindert, mehrere Bücher darüber zu schreiben und bereits Patienten damit zu therapieren. In ihrer Dokumentation darf sie erzählen, dass sich in homöopathischen Hochpotenzen die Zunahme bestimmter Nanostrukturen zeige (Minute 09:15). Diese Behauptung wird nicht etwa zurechtgerückt, sie wird von der Sprecherstimmer sogar wiederholt: „Wissenschaftler mehrerer Nationen fanden sogenannte Nanobubbles in homöopathischen Mitteln. (…) Noch ist unklar, was die genau bedeuten.“ – Tatsächlich ist nichts unklar, solange eine solche Beobachtung nicht unabhängig stabil repliziert werden konnte. Das ist nie gelungen. Sie bringen eine Wiederholung von längst widerlegten Talking Points der Homöopathie-Verbände.
Können Sie sich die wissenschaftliche Revolution vorstellen, die der Nachweis solcher Nanostrukturen in Hochpotenzen auslösen würde? Was Frau Wörthmüller ihrer Protagonistin arglos nachspricht, wäre so gewaltig – wenn es stimmen würde – dass es eine zweite kopernikanische Wende auslösen könnte. Der RBB verbreitet kritiklos pseudowissenschaftliche Behauptungen, die einer Prüfung nicht standhalten.
((https://www.homöopedia.eu/index.php/Artikel:Nanopartikel )
Frau Wörthmüller interviewt Prof. Harald Walach, zu dem sie offenbar nichts recherchiert hat, sonst hätte sie einen weiten Bogen um ihn gemacht. Wozu dieses Interview? Damit er seinerseits zur Homöopathiekritik sagen darf (Minute 18:20): „Ich denke, dass Lobbyismus durchaus eine Rolle spielt…“. Auch er führt keine Belege für diese Behauptung an. Er selbst wird übrigens fleißig von Homöopathie-Stiftungen gefördert im Verfassen seiner apologetischen Schriften. Hier ließe sich Lobbyismus von homöopathischer Seite sehr einfach belegen. Natürlich erfährt der Zuschauer nichts davon. Walach sagt noch, dass die Wirkung von Homöopathie kaum materieller Natur sein könne. Es ist ein bisschen so, als würde einer über den Aufbau der flachen Erde philosophieren noch bevor auch nur ein stichhaltiger Beweis auftaucht, dass die Erde überhaupt flach ist.
Die Kritik an der Homöopathie wird von Frau Wörthmüller für Laien nicht nachvollziehbar dargestellt. Mit ausgesuchten Wortfetzen wie „zu wenig Nachfrage“, „zu unwissenschaftlich“ und „zu unplausibel“ als Zitate der Ärztekammern strickt sie mit an der Legende von den dogmatisch verknöcherten „Schulmedizinern“ (ursprünglich ein Kampfbegriff der Homöopathen), die einfach nicht offen sind für Neues. Erlauben Sie mir, noch mehr ins Detail zu gehen, weil die Auswahl aus sicher längeren Interviews mit den Kritikern manipulativ ist (ab Minute 16:30): „Ein Funktionsmodell, wie Homöopathie tatsächlich wirken soll, ist in der Physik nicht denkbar“, „…darf nicht Teil der Medizin sein“, „…nicht die Aufgabe von uns Ärzten Humbug-Methoden anzubieten“. Eine solche Auswahl ist Stimmungsmache gegen die wenigen um Ehrlichkeit bemühten Aufklärer. Wenn schon der Staat keine Aufklärungsarbeit zur Homöopathie leistet, sollten wir nicht den Wenigen ein Bein stellen, die es stattdessen tun. Frau Wörthmüller bemüht sich nicht, die Kritik nachvollziehbar zu machen. Schauen Sie sich die gleichen Protagonisten in anderen Homöopathie-Dokumentationen an. Dann sehen sie, wie klar sie formulieren können, warum die Homöopathie nicht arzneilich wirksam ist.
Die Vizepräsidentin der Bundesärztekammer sagt im Film nur: „Ich kann’s nicht prüfen!“ Kam es Ihnen bei der Filmabnahme nicht merkwürdig vor, dass ihre Regisseurin sich auch visuell dermaßen auf eine abstrakte Labor-Wissenschaft versteift und keinen Versuch unternimmt, den wirklich sehr einfachen Studienaufbau einer homöopathischen Wirksamkeitsstudie zu erklären? Es ist dem RBB-Zuschauer zuzutrauen, zu verstehen, dass zwei Gruppen à 500 Patienten in Homöopathie-Gruppe und Placebo-Gruppe aufgeteilt sehr einfach in ihrer Gesundung zu beobachten sind. Nichts anderes wird seit 30 Jahren unter den Kriterien der Evidenzbasierten Medizin versucht in der Homöopathie. Das ist kein Zauberwerk, sondern einfachste empirische Forschung. Randomisiert, doppelt verblindet, Placebo-kontrolliert. Sie sind eine Wissenschaftsredaktion!
Weitere längst widerlegte Behauptungen in Ihrer Dokumentation zähle ich nur im Schnelldurchlauf auf:
– Der Chinarindenversuch (Minute 14:15) konnte selbst von Homöopathen nie wiederholt werden.
– Die „überraschenden Heilerfolge“ bei der Cholera-Epidemie 1831/32 (Minute 14:45) sind damit zu erklären, dass die Homöopathie im Gegensatz zur damals üblichen „heroischen Medizin“ vorsah, Kranken genügend zu trinken zu geben. Homöopathie hat bei der Cholera-Epidemie in Peru 1991/92 nicht geholfen.
– „Die Homöopathie ist eine preisgünstige Schiene.“, sagt die Apothekerin. (Minute 25:30) Dass Apotheker prozentual höher am Verkauf von Homöopathika beteiligt werden, verschweigt sie. Dass sie im Falle sehr hoher Potenzen Zucker zum Kilopreis von Platin verkauft, verschweigt sie auch. Und dass die Gewinnspannen nirgendwo in der Pharmaindustrie so hoch sind wie in der Homöopathie, wird auch nicht erwähnt.
– Zum Argument, dass die Homöopathie die Kassen ja kaum etwas kosten würde: Es geht nicht nur um die 20 Millionen Euro Kassenleistung für Homoöopathika. Es geht auch um die 380 Millionen Euro (2018), die unaufgeklärte Patienten im Jahr aus eigener Tasche dafür ausgeben. Und es geht darum, dass gesetzliche Krankenkassen das Arztgespräch nicht honorieren, eine homöopathische Anamnese aber schon.
– Natürlich zeigt Ihre Dokumentation auch den Präsidenten des Deutschen Musikrats Dr. Christian Höppner. Er wird zur Zeit als Trumpf in homöopathischen Medien herumgereicht. Genau auf diese Medien hat sich Frau Wörthmüllers Recherche vermutlich beschränkt. Hier sagt er neben dem obligatorischen Heilungserlebnis (Minute 36:20): „Dieser Grundsatz, dass Medizin wirken soll, geht in dem vollkommen überheizten Diskurs meines Erachtens etwas verloren.“ – Es wäre die Aufgabe von Frau Wörthmüller gewesen, eindeutig zu erklären, dass es in der Homöopathie-Kritik fast ausschließlich um die Wirkung geht. Nicht darum, dass Wissenschaftler nichts Neues in ihr Weltbild lassen wollen.
– Minute 27:25: Ein Dr. Menachem Oberbaum behauptet, „Kinder, die homöopathisch behandelt werden, sind weniger krank.“ – Die Gelegenheit an diesem Beispiel die Bedeutung unabhängiger Wiederholungen von Studien zu erklären, lässt Frau Wörthmüller ungenutzt verstreichen.
– Warum wird in einem öffentlich-rechtlichen Beitrag immer noch die COPD-Studie von Michael Frass angeführt? Schon 2015 musste er erhebliche Fehler einräumen ( http://www.beweisaufnahme-homoeopathie.de/?p=2765 ) Hier hätte Frau Wörthmüller stattdessen die Beendigung der Homöopathie-Vorlesungen des Prof. Frass an der MedUni Wien bringen können mit anschließender klarer Distanzierung des Rektors „von unwissenschaftlichen Verfahren und Scharlatanerie“. All diese Hintergründe kennt der RBB-Zuschauer nicht. Der RBB-Zuschauer muss zwangsläufig denken, dass es Wirksamkeitsbelege für die Homöopathie gibt.
Zuletzt wäre noch zu bemerken, wie schade es ist, dass Frau Wörthmüller nicht die Chance ergriffen hat, die Hintergründe von Veranstaltungen wie „Science meets Homeopathy“ (ab Minute 26:30) einmal näher zu beleuchten. Hier bestätigen Homöopathen einander Wissenschaft zu betreiben. Eine investigative Reportage über diese Parallelwelt würde der „Wahrheit über die Homöopathie“ tatsächlich sehr viel näher kommen. Stattdessen ist das Fazit ihrer Sendung:
„Bei der Behandlung ist mir persönlich relativ egal, ob sie wissenschaftlich erwiesen ist. Wichtig ist, dass sie funktioniert. Und wenn mir kleine weiße Kügelchen helfen, dann nehm‘ ich sie halt.“
Sollen wir die Theorie, dass die Erde eine Scheibe ist, auch zulassen, weil wir nur flaches Land fühlen und sehen? Solange die Sonne morgens aufgeht, funktioniert die Idee von der Scheibe für uns.
Warum schrauben Sie die Ansprüche ihrer Wissenschaftsredaktion so weit nach unten? Sollten Sie sich nicht der Wahrheitssuche verpflichtet fühlen, auch wenn diese nicht die gewohnte Bei-mir-wirkt’s-halt-Intuition bestätigt?
Sie haben den anstrengenden Bemühungen um eine aufgeklärte Patientenschaft, welche Vertrauen in die Selbstheilung hat, statt aufwendig beworbene Zuckerkugeln zu schlucken, einen ordentlichen Schuss vor den Bug versetzt. Die Homöopathen jubeln.
Gern kann ich Quellen zu jeder einzelnen Aussage im Text nachreichen.
Mit freundlichen Grüßen
Hierauf gab es eine Antwort des rbb. Getreu unserer Chronistenpflicht geben wie sie hier – wiederum mit dem Einverständnis des Autors der Eingabe – wieder:
Sehr geehrter Herr … ,
Frau Vaßmers hat mir ihre Mail weitergeleitet, die ich als Leiterin der Abteilung Wissenschaft, Bildung, Mittel- und Osteuropa gerne beantworte.
Anliegen dieses Films „die Wahrheit über Homöopathie“ war, das Thema von möglichst vielen Seiten zu beleuchten: sachlich auf dem Stand von 2020, unvoreingenommen, verständlich für eine breite Zuschauerklientel. Wir wollten einen Überblick zur Entwicklung dieses 200 Jahre alten Heilansatzes liefern. Warum glauben immer noch so viele an die Wirksamkeit, obwohl es keine evidenzbasierte, replizierbare Nachweise gibt?
Die Autorin, Angelika Wörthmüller hatte also nicht den Auftrag, eine naturwissenschaftliche Forschungsarbeit zu liefern, auch nicht, den Nachweis zu erbringen, dass Homöopathie wirkt oder nicht wirkt. Trotzdem bin ich der Ansicht, dass sie tief in die Materie eingestiegen ist und viele Aspekte herausgearbeitet hat. Dass homöopathische Mittel auch in der Landwirtschaft eingesetzt werden und dies zu weniger Antibiotika-Einsatz führe, finde ich bemerkenswert. Nur um mal ein Beispiel zu nennen.
Dieser Film hat unterschiedliche Reaktionen ausgelöst. Von überschwänglichem Dank über sachliche Kritik bis heftige Beschimpfung. Kritik nehme ich ernst und darüber werden wir intern diskutieren. Denn wir gehen nicht davon aus, im alleinigen Besitz der Wahrheit zu sein.
Mich haben Ihre Anmerkungen nicht unberührt gelassen, deshalb können Sie mir gerne weitere Informationen schicken.
Vielen Dank für Ihre Anmerkungen zu unserem Programm.
Mit freundlichen Grüßen
Ilona Marenbach
An Selbstüberzeugung lässt es diese Stellungnahme sicherlich nicht fehlen. Jedoch reicht nach unserer Ansicht ein einziger Satz daraus völlig aus, um den im Kern völlig unkritischen Ansatz der „Recherche“ zu belegen:
„Dass homöopathische Mittel auch in der Landwirtschaft eingesetzt werden und dies zu weniger Antibiotika-Einsatz führe, finde ich bemerkenswert.“
Man muss schon lange suchen, um eine so unkritische Rezeption eines völlig abwegigen Statements als „tiefen Einstieg in die Materie“ bezeichnet zu finden.
Nun wollen wir aus diesem Ärgernis durchaus keine unendliche Geschichte machen. Die Replik unseres Followers auf diese Antwort wollen wir euch gleichwohl nicht vorenthalten:
Sehr geehrte Frau Marenbach,
vielen Dank für Ihre Antwort auf meinen Zuschauerbrief!
Dass der Film sein von Ihnen beschriebenes Anliegen, sachlich, unvoreingenommen und verständlich zu sein, verfehlt hat, hatte ich bereits begründet dargelegt. Die Homöopathie hat sich durch jahrelangen hartnäckigen Lobbyismus unter Schutz des ehemaligen Bundestagspräsidenten (und späteren Bundespräsidenten) Carstens und seiner Frau, die Homöopathin war, so fest im deutschen Gesundheitssystem verankert, dass heute von einem „Glaubenskrieg“ und von einem „gleichberechtigen Verhältnis von Medizin und Homöopathie“ gesprochen wird. Ein richtiges Verhältnis von Sinn und Unsinn in der Behandlung von Kranken wäre meines Erachtens aber immer noch 100 % Sinn und 0 % Unsinn.
Die Carstens-Stiftung ist, wie ich schon schrieb, der größte Player auf dem Gebiet der (bisher erfolglosen) Bestätigungsforschung und Öffentlichkeitsarbeit zur Homöopathie. Filme wie „Die Wahrheit über… Homöopathie“ sind leider ein ermutigendes Zeichen auch für diese Stiftung, weiterhin Millionenbeträge für die Homöopathie auszugeben, obwohl auch die Förderung von Naturmedizin in ihrer Satzung festgeschrieben ist. Naturmedizin hat keine so starke Lobby wie die Homöopathie und gleichzeitig ein viel größeres Potential. Es gibt viele natürliche Hausmittel und Heilkräuter, die eine Wirksamkeit belegen können.
Es gibt durchaus Situationen, in denen sich die Gabe homöopathischer Globuli rechtfertigen ließe. Aber nur dann, wenn es dem Arzt partout nicht gelingt, dem Patienten Vertrauen in die Selbstheilungskräfte zu vermitteln. Nur in einem solchen Fall von Beratungsresistenz, wenn der Patient wirklich auf ein Arzneimittel besteht und man ihn keinen Nebenwirkungen aussetzen will, ist eine Placebogabe ethisch zu rechtfertigen. Das hohe Ideal des aufgeklärten Patienten wäre in diesem Fall verfehlt, aber Gesundheit geht vor Aufklärung.
Sie haben recht, die Einsparung von Antibiotika bei homöopathisch behandelten Nutztieren sollte unbedingt berichtet werden. Aber als Beweis für den übertriebenen Einsatz von Antibiotika, nicht als Andeutung, dass Homöopathika mehr als nur Placebos sind. Denn auch hier gibt es keine Studien, die homöopathischen Mitteln eine Placeboüberlegenheit stabil nachweisen. Nur eine solche Klarheit und Transparenz über die Zusammenhänge kann auch andere Zuchtbetriebe, die Homöopathika zurecht für wirkungslos halten, davon überzeugen, dass es auch mit weniger Antibiotika geht.
Sie sehen, in all diesen Belangen geht es nicht darum, Werbung für die „Chemiekeulen der Pharmamafia“ zu betreiben, sondern um eine aufgeklärte, menschlichere Medizin, in der auch nicht-homöopathischen Ärzten wieder mehr Zeit mit den Patienten vergütet wird, damit sie aufklären können und nicht einfach nur Placebos oder „Chemie“ verordnen.
Ohne die Leistung des Informationsnetzwerks Homöopathie wäre es mir nicht möglich gewesen, einen solchen Zuschauerbrief zu schreiben. Unter anderem arbeitet das Netzwerk an einem Lexikon zur Homöopathie: https://www.homöopedia.eu/index.php/Homöopedia:Startseite
Im Gegensatz zu vielen die Homöopathie bewerbenden Medien sind dort alle Informationen nachvollziehbar mit Quellen belegt. Der Ton ist auch durchweg sachlich, genauso wie auf der noch allgemeinverständlicheren Website des Netzwerks: https://netzwerk-homoeopathie.info
Warum Frau Wörthmüller oder auch viele Homöopathen Andeutungen über diese Skeptiker machen, sie vielleicht sogar als unseriös erscheinen lassen wollen, ist mir schleierhaft. Eher verstehen könnte ich eine Auseinandersetzung auf sachlicher Ebene. Leider findet das kaum statt.
Ich fand es schade, dass das Informationsnetzwerk Homöopathie keinen offenen Brief an den RBB verfasst hat. Ich habe meinen Zuschauerbrief jedenfalls an sie weitergeleitet, falls sie sich doch noch positionieren wollen. (Anm.: Korrespondiert mit der Redaktion haben wir durchaus, im Zusammenhang mit der Analyse von Sendung und Webseite des rbb für die Homöopedia.)
Gerade im Vergleich mit den vielen anderen Dokumentationen zur Homöopathie in letzter Zeit, ist „Die Wahrheit über… Homöopathie“ wirklich so desinformierend, dass ich eine öffentliche Reaktion des RBB nötig finde. Sei es in Form eines Faktenchecks oder in Form eines zusätzlichen Berichts, der die Zuschauer darüber informiert, wie subtil falsche Ausgewogenheit im Journalismus unsere Meinung beeinflusst.
Mit freundlichen Grüßen
Nochmals danke an den, den es angeht. Wir werden sehen, was weiter geschieht.
Update, September 2020:
Der Autor des Schriftverkehrs hat nun in Anbetracht der faktischen Nicht-Reaktion der rbb-Fachredaktion eine förmliche Programmbeschwerde beim zuständigen Rundfunkrat eingereicht.
Update, 31.05.2021:
Eine Antwort des Rundfunkrates zur Programmbeschwerde unseres Followers vom September 2020 liegt nun – mit Datum vom 18.05.2021 – vor. Wir verzichten hier auf eine wortgetreue Wiedergabe, es gibt dort nichts wirklich Neues. Der rbb rückt auch nach Beratung im Rundfunkrat nicht von seiner Position ab, eine faktentreue, wissenschaftsbasierte und angemessene Berichterstattung zur Homöopathie abgeliefert zu haben.
Dies verwundert nicht. Man wird realisieren müssen, dass der Rundfunkrat, wohl kaum mit Fachleuten für das Thema besetzt ist und ihm vermutlich gar nichts anderes übrig bleibt, als dem Vortrag der eigenen Redaktion zu folgen. Gegenstand von Programmbeschwerden sind ja in aller Regel „Schnee von gestern“ und innerhalb der Vielzahl produzierter Sendebeiträge extreme Einzelfälle. Was keine Rechtfertigung, aber eine Erklärung für die wenig einsichtige und kaum problembewusste Haltung des Rundfunkrates sein könnte, die im Stile einer reinen Rechtfertigung an den detaillierten Einwänden der Programmbeschwerde vorbeiargumentiert. Wir machen uns da keine Illusionen.
Insgesamt vertritt der Rundfunkrat die Position, beide Seiten, Befürworter wie Kritiker, seien angemessen berücksichtigt worden. Von daher liege kein Verstoß gegen das Gebot sachlich fundierter Berichterstattung vor. Dass wir nach wie die nicht ernstlich als Gegenpositionen vorgestellten kritischen Stimmen eher als „Feigenblatt“ sehen, mit dem einem Vorwurf von Unausgewogenheit begegnet werden soll, bedarf wohl keiner Erwähnung.
Insgesamt bleibt eigentlich nur zu konstatieren, dass der Rundfunkrat offensichtlich überzeugt davon ist, die Programmbeschwerde mit Recht zurückzuweisen – was aber daran liegt, dass er das ganze Problem Homöopathie mit dem massiven Widerstreiten gegen einen breiten wissenschaftlichen Konsens nicht erfasst hat.
Wir bedauern nach wie vor, dass es zu einer derart homöopathielastigen Sendung überhaupt kommen konnte. Ebenso, dass die Homöopathielastigkeit trotz aller Einwände und Argumente anscheinend gar nicht realisiert wurde.
Die Homöopedia des INH hat sich sehr ausführlich und im Detail mit den Aussagen der Sendung befasst – wer die dortigen Ausführungen liest, dem ist die Schieflage der Produktion schnell klar. Der Schriftverkehr des INH mit dem Sender hat zu einigen Veränderungen auf der die Sendung begleitenden Webseite geführt – aber trotz detaillierter Hinweise nach wie vor nicht zu einer den Fakten entsprechenden Darstellung. Als Beispiel sei nur genannt, dass der Sender es trotz mehrfacher Hinweise nicht für nötig befunden hat, in seiner Darstellung das elementare Homöopathie-Statement des EASAC von 2017 als Quelle auch nur zu erwähnen.
Einer der befremdlichsten Teile der Webseite bestand darin, dass „die Skeptiker“ dezidiert als diejenigen präsentiert wurden, die „gegen die Homöopathie“ seien – als ob wir die Träger des wissenschaftlichen Konsens seien, der der Homöopathie medizinische Irrelevanz bescheinigt. Den Boten mit der Botschaft zu verwechseln, ist in gewisser Weise bezeichnend für den Blickwinkel der Redaktion in dieser Sache. Darauf haben wir den Sender auch ausdrücklich hingewiesen.
Nun, mehr bleibt letztlich nicht zu tun. Jedenfalls ist die Fehlleistung des rbb nicht unwidersprochen geblieben und wurde bei der Homöopedia umfassend dokumentiert. Sie fand zudem kritische Erwähnung im Bundesgesundheitsblatt-Artikel (Dezember 2020) „Medien und Homöopathie„. (1)
Die Homöopedia zur Sendung des rbb:
Fernsehbeiträge zur Homöopathie – Die Wahrheit über Homöopathie
Die Homöopedia zur sendungsbegleitenden Webseite des rbb:
Fernsehbeiträge zur Homöopathie – Die Webseite des rbb
(1) Bundesgesundheitsblatt Gesundheitsforschung Gesundheitsschutz. 2021 Jan;64(1):62-69. Epub 2020 Dec 2.PMID: 33263774 ISSN 1437-1588, doi:10.1007/s00103-020-03255-z.
Bild: „Time“ von Gerd Altmann auf Pixabay
Eine Antwort auf „Eine Reise in die Vergangenheit beim rbb – und eine kritische Antwort“
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