Homöopathie in der Schweiz – bricht das Eis?

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Wir erinnern uns an den seltsamen Weg, den in der Schweiz in den letzten 20 Jahren die Debatte über „komplementäre Medizin“ bis zu einem kaum weniger seltsamen Ergebnis genommen hat. Hier findet sich die ganze Geschichte in aller Ausführlichkeit.

Kurz gesagt, klemmte sich die Schweiz in mehreren „Runden“ immer mehr zwischen wissenschaftlichen Fakten und und ihrer Umdeklaration zu Meinungsfragen und Wunschdenken ein. Wobei fraglos am Anfang die ehrliche Absicht stand, die Frage einer Rolle „komplementärer“ Methoden im öffentlichen Gesundheitswesen durch eine wissenschaftlich fundierte Evaluation zu entscheiden. Wir wollen hier nicht die ganze Geschichte wiederholen. Nur der derzeitige Sachstand sei nochmals referiert:

Wie kriegt man den Spagat zwischen wissenschaftlichen Fakten, den Anforderungen des Sozialversicherungsrechts (die ganz ähnlich wie bei uns sind) und „Volkes Wille“ hin?

Indem man der Komplementärmedizin einen Vertrauensbonus einräumt. Anstatt jede der fünf in Rede stehenden Methoden (darunter die Homöopathie) einzeln zu prüfen und nur nach erfolgreicher Prüfung in den Leistungskatalog aufzunehmen, wurden pauschal sämtliche Therapien in den Leistungskataog der Grundversicherung aufgenommen und erst dann, wenn jemand einen Antrag auf Überprüfung stellt, soll die jeweils benannte genauer auf ihren therapeutischen Nutzen hin untersucht werden.

Eine Art Beschwörungszauber also, der möglicherweise auch darauf setzt, dass der Eidgenosse immer neuer Runden in dem Streit zwischen Wissenschaft und Weltanschauung überdrüssig sein könnte. Zumal es vollmundige Versprechungen gab, dass es durch die Aufnahme der Komplementären Verfahren in den Leistungskatalog nicht zu Mehraufwendungen, womöglich sogar zu einer Entlastung der Versichertengemeinschaft kommen werde.

Letzteres entlarvte ausgerechnet die Santésuisse, der Verband der Krankenkassen, recht schnell als Seifenblase. Von wegen kostenneutral. Ansonsten tat sich – nichts. Man war es, wie gesagt, wohl leid. Trotz der Situation, die am besten mit einer misslungenen Quadratur des Kreises vergleichbar war.

Nun wandelt sich so manches – tempora mutantur, auch in der Schweiz. Man braucht nur hierzulande einmal die heutige allgemeine Sicht auf die Homöopathie mit der des Jahres, sagen wir, 2018 zu vergleichen. Derweil fühlten sich die Homöopathen in der Schweiz derart wohl, dass diese gar zur neuen Heimat mancher homöopathischer Forscher, auch in akademischen Einrichtungen der Eidgenossenschaft, wurde.

Und nun zeigt sich plötzlich, dass es sie doch noch gibt, die streitbaren Nachfahren Wilhelm Tells, denen es irgendwann doch gewaltig gegen den Strich geht, den Geßler-Hut des medizinischen Nichts – na, nicht gerade grüßen zu müssen, ihm aber allerorten zu begegnen und zu sehen, dass Scheinmedizin im Gesundheitswesen für viele Menschen zu business as usual wird.

Ein Privatmann, eine Einzelperson (uns namentlich bekannt) hat tatsächlich jetzt in der Schweiz ein solches Überprüfungsverfahren für die Homöopathie offiziell angestoßen. Und zwar für die Homöopathie als Ganzes, wie uns nochmals bestätigt wurde. Diese ist nun einmal mehr in der Beweispflicht. Und o Wunder – die Eingabe an das Eidgenössische Departement des Innern (EDI) bzw. das dort angesiedelte Bundesamt für Gesundheit (BAG) wurde angenommen! Nicht auszuschließen ist, dass man im Stillen darauf gehofft hat …

Der Stand der Dinge ist, dass eine Art Anhörungs- und Beteiligungsverfahren mit den beteiligten Fachorganisationen eingeleitet wird, um die damals von Bundesrat Alain Berset auf Eis gelegte Frage erneut anzugehen, ob die Homöopathie die auch in der Schweiz geltenden Erstattungsvoraussetzungen von Wirtschaftlichkeit, Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit erfüllen kann. Und damit die Homöopathie in die Beweispflicht zu nehmen. Wobei es nicht schwer ist, zu erahnen, was da kommen wird. Beispielsweise die Homepage der Universität Bern zur Homöopathie, ein Kompendium bekannter Fehlinterpretationen und selektiver Zitate, oder die Berufung auf das Schweizer HTA zur Homöpathie (HTA = Health Technology Assessment, ein Instrument der Versorgungsforschung), das immer wieder als Zeugnis herhalten muss.

Wobei klar ist, dass die Frage nach den Voraussetzungen der fünf „Komplementären“ zur Aufnahme ins Gesundheitssystem in der Schweiz seit Anfang der 2000er Jahre schon mehrfach negativ beantwortet wurde. Nur eben ohne klare Konsequenzen. Wie gesagt, die Zeiten können sich ändern, wir erleben es ja auch ganz aktuell hier bei uns in Deutschland. Wir halten dem tapferen Eidgenossen alle Daumen, dass sein Anstoß diesmal dazu führen möge, dass die Vermischung von Fakten und weltanschaulich geprägter Meinung ein Ende finden möge. Unsere Unterstützung sei ihm sicher. Wir sind wirklich sehr gespannt und wünschen unseren Nachbarn in der Schweiz, dass ihnen eine weitere Posse in dieser Sache erspart bleiben möge!


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