Helmut, 57 Jahre, berichtet:
Im Jahr 2002 wurde in der zweiten Jahreshälfte eine kleine Hautreizung/Entzündung entdeckt. Diese war am Rücken und sah zunächst nach einem entzündeten Pickel aus, also harmlos. Im Laufe der Zeit wurde die Stelle jedoch größer und heilte nicht ab. Die zu Rate gezogene Hautärztin diagnostizierte relativ schnell einen Pemphigus vulgaris, eine chronisch-progressive (fortschreitende) Autoimmunerkrankung der Haut (Autoimmundermatose).
Die beim Pemphigus eigentlich korrekte Behandlung ist eine sofortige Gabe höherer Dosen von Cortikosteroiden (insbes. Cortison) mit zeitnaher Einstellung auf eine möglichst niedrige Dauermedikation, ggf. in Verbindung mit anderen immunsuppressiven Medikamenten. Es kann dann versucht werden, bei längerer Symptomfreiheit die Medikation langsam auszuschleichen; die Zeit zwischen Pemphigus-Schüben kann mit Glück mehrere Jahre betragen, wird aber im Verlauf oft kürzer über die Zeit.
Das alles wusste ich damals leider noch nicht. Auf Anraten der Hautärztin benutzte ich damals eine homöopathische Salbe. Über mehrere Monate wurde ein signifikanter (vierstelliger!) Geldbetrag privat in die natürlich nutzlose Salbe investiert, während die Krankheit weiter voranschritt. Im Jahr 2003 ist der Pemphigus dann auf einer Auslandsreise förmlich explodiert. Mein gesamter Rücken war nun „offen“, von den andauernden Schmerzen ganz zu schweigen.
Der Sohn eines ehemaligen Nachbarn, der von meiner Erkrankung bei einem Telefonat erfahren hatte (beide sind Ärzte), teilte mir telefonisch sofort und unmissverständlich mit, dass Pemphigus sehr ernst zu nehmen sei und eine fortgesetzte homöopathische „Behandlung“ reine Quacksalberei, ebenso dass die Krankheit ohne Behandlung vermutlich tödlich verlaufen würde. Aufgrund dessen wurde nach Rückkehr sofort wieder die hautärztliche Praxis besucht. Die Hautärztin selbst war nicht anwesend, aber ihre in Praxisgemeinschaft arbeitende Kollegin warf einen Blick auf die betroffenen Stellen und veranlasste eine Notfall-Einweisung (!) ins örtliche Hautklinikum. Das ging dann auch wirklich schnell: um 11:00 war der Praxis-Termin, um 13:00 erfolgte bereits die Aufnahme in die Klinik. Das war kurz vor Ostern 2003.
Zwischen Ostern und Pfingsten, also ca. sechs Wochen lang, erfolgte dann stationäre Behandlung mit anfänglichen sehr hohen Dosen verschiedener Immunsuppressiva und anschließender Einstellung auf Dauermedikation. Die Klinik machte mir klar, dass ein tatsächlicher Akutfall vorgelegen hatte; wir hätten nicht mehr viele Tage zögern dürfen, bevor es sehr kritisch geworden wäre.
Damals wusste ich leider nicht, was Homöopathie ist. Hätte ich gewusst, was für eine Quacksalberei es ist, hätte ich sofort den Arzt gewechselt. Und hätte man sofort die angezeigte Therapie eingeleitet, wäre der Klinik-Aufenthalt nur zur korrekten Einstellung der Dauer-Medikation notwendig gewesen. Unterm Strich wären dem Gesundheitssystem deutlich weniger Kosten entstanden als durch die Notfall-Einweisung. Von den privat bezahlten Kosten und insbesondere den Schmerzen ganz zu schweigen.
Ich lebe jetzt seit gut 14 Jahren mit der Erkrankung; es gibt akute Schübe und bessere Phasen, aber es ist alles soweit leidlich unter Kontrolle. Wirkliches „Ausheilen“ gibt es bei Autoimmunerkrankungen ja sowieso praktisch nie. Für mich war es der „Wake-Up Call“ in Bezug auf die Gefahren der Homöopathie und die Erkenntnis, dass ich nur noch eine, vielleicht zwei Wochen von akuter Lebensgefahr entfernt war, ist bis heute bitter.