Der deutsche Zentralverein homöopathischer Ärzte teilt per Pressemitteilung mit, dass er die Staatssekretärin im Bundesgesundheitsministerium, Frau Annette Widmann-Mauz, für die Schirmherrschaft des Homöopathischen Weltärztekongresses im Juni 2017 in Leipzig gewonnen habe. Aus der Sicht des INH ist eine Schirmherrschaft einer in der politischen Hierarchie hoch angesiedelten Persönlichkeit eine Aufwertung der Scheinmethode Homöopathie, die dem Interesse zuwiderläuft, die Gesundheitsversorgung wissenschaftlich zu basieren und die Akzeptanz der Homöopathie in der Bevölkerung nicht weiter zu fördern.
Das INH hat sich daher mit dem nachfolgenden offenen Brief an das Bundesministerium für Gesundheit gewandt:
An das
Bundesministerium für Gesundheit
Schirmherrschaft über den Homöopathischen Weltärztekongress 2017 in Leipzig
Der Deutsche Zentralverein Homöopathischer Ärzte (DZVhÄ) lädt ein zum 72. Homöopathischen Weltärztekongress unter dem Motto NETWORKING IN MEDICAL CARE – Ärztliche Zusammenarbeit zum Wohle der Patienten, vom 14. bis 17. Juni 2017, Kongresshalle Leipzig. Das können sie tun, das ist trotz aller berechtigter Kritik an der Homöopathie Teil ihres Selbstverständnisses und mittlerweile wohl auch des Selbsterhalts.
Aber: Laut Pressemitteilung des DZVhÄ übernimmt Frau Annette Widmann-Mauz die Schirmherrschaft dieses Kongresses. Frau Widmann-Mauz ist parlamentarische Staatssekretärin im Bundesgesundheitsministerium und repräsentiert damit die zweithöchste Rangebene in dieser Behörde.
Es wird mehr und mehr sichtbar, dass die Homöopathie von nationalen wie internationalen Fachleuten durchweg als Quacksalberei oder gar Scharlatanerie eingestuft wird. Es muss also die Frage erlaubt sein, wie eine so hochrangige politische Amtsträgerin der höchsten Gesundheits(!)behörde des Landes sich darauf einlassen kann und sich womöglich auch noch geehrt fühlt, diesem Kongress vorzustehen? Für Patientinnen und Patienten wäre ein solches Verhalten in nicht tolerierbarem Maße irreführend.
Sehr geehrte Vertreterinnen und Vertreter des Gesundheitsministerium, sehr geehrte Frau Widmann-Mauz: Die Homöopathie ist ein Pseudoverfahren und ihr Fundament besteht aus unhaltbaren Thesen. Wir rufen dazu auf, die Freiburger Erklärung zur Homöopathie zu lesen und von dieser Schirmherrschaft abzusehen. Das Signal, das Sie damit sonst senden, geht zu Lasten Ihrer Amtspflichten und widerspricht der Verantwortung, die Sie für Patienten und Bürger tragen.
Freiburger Erklärung zur Homöopathie
Homöopathie ist weder Naturheilkunde noch Medizin
Trotz der Förderung durch die Politik und des Schweigens derer, die es besser wissen müssten, ist und bleibt die Homöopathie ein Verfahren, das im klaren Widerspruch zu gesicherten wissenschaftlichen Grundlagen steht. Die Mitglieder und Förderer des „Informationsnetzwerks Homöopathie“ sehen in der Homöopathie eine sich hartnäckig haltende Glaubenslehre, die weder als Naturheilkunde noch als Medizin anzusehen ist. Im Netzwerk haben sich Ärzte, Apotheker, Tierärzte, Biologen, Naturwissenschaftler und andere engagierte Kritiker der Homöopathie zusammengefunden, die das Ziel vereint, diese oft verschleierte Tatsache deutlicher ins Bewusstsein der Gesellschaft zu rücken.
Kein Sonderstatus für Homöopathie
In den über 200 Jahren ihrer Existenz hat es die Homöopathie nicht geschafft, ihre spezifische Wirksamkeit nach objektiven Kriterien zu belegen. Sie überlebt vielmehr nur, weil ihr im deutschen Gesundheitssystem ein Sonderstatus zukommt, welcher ihr nach Ansicht der Experten des Netzwerks nicht zusteht. Während Medikamente ihre Wirksamkeit nach objektiven Kriterien nachweisen müssen, ist die Homöopathie davon befreit. Gegen ein solches Zweiklassensystem in der Medizin wehren wir uns.
Die Homöopathie hat es auch nicht geschafft, einen plausiblen Wirkmechanismus darzulegen. Stattdessen erwecken ihre Vertreter den Eindruck, es gäbe noch Unsicherheiten, die zu klären wären. Dem widersprechen wir vehement. Die Homöopathie ist keine unkonventionelle Methode, die weiterer wissenschaftlicher Prüfungen bedarf. Ihr Fundament besteht aus längst widerlegten Thesen wie der „Ähnlichkeitsregel“, der „Lebenskraft“ oder dem „Potenzieren durch Verdünnen“.
Selbsttäuschung von Patient und Therapeut
Wir möchten therapeutische Wirkungen, die im Rahmen einer homöopathischen Behandlung zustande kommen können, nicht in Abrede stellen. Diese haben allerdings nichts mit dem spezifisch verabreichten Homöopathikum zu tun. Vielmehr beruht die vermutete und vermeintlich erfahrene Wirksamkeit homöopathischer Präparate auf Suggestion und Autosuggestion der Patienten und Therapeuten. Die Mechanismen solcher (Selbst-)Täuschungen sind vielfältig, aber bestens bekannt und erforscht. Durch Kontexteffekte hervorgerufene Verbesserungen des Befindens können und dürfen nicht kausal dem Homöopathikum zugeschrieben werden. Wir gehen davon aus, dass viele homöopathisch arbeitende Mediziner und Heilpraktiker sich der Existenz und Vielfalt solcher Mechanismen nicht bewusst sind und in bester Absicht handeln. Das ändert jedoch nichts daran, dass die Schlüsse, die sie ziehen, falsch sind und daher schädlich sein können.
Medizin und Wissenschaft
Keineswegs behaupten wir, dass die von uns vertretene wissenschaftliche Methode derzeit alles erforschen und erklären kann. Sie versetzt uns aber in die Lage, zu erklären, dass die Homöopathie sich selbst nicht erklären kann. Und sie ist der beste Weg, den wir zur Verfügung haben, wirksame Behandlungen von unwirksamen zu unterscheiden. Ein in der Bevölkerung fest verankerter Glaube an Heilsversprechen, welcher von interessierter Seite, Politik und Journalismus weiter genährt wird, kann niemals Richtschnur für das Handeln in der Medizin sein.
Ziel dieser Erklärung
Ziele unserer Kritik sind nicht der heilsuchende Patient und der einzelne homöopathisch arbeitende Therapeut, sondern die aufgebaute Lehre und die Institutionen des Gesundheitswesens, welche die Widersinnigkeit der Homöopathie längst erkennen könnten, aber dennoch nicht einschreiten. Wir fordern die Akteure des wissenschaftlich begründeten Gesundheitswesens auf, sich endlich von der Homöopathie und anderen pseudomedizinischen Verfahren abzuwenden und zurückzukehren zu dem, was selbstverständlich sein sollte: Wissenschaftlich validierte, faire und allgemein nachvollziehbare Regeln für eine hochwertige Medizin, ausgerichtet am Wohlergehen der Patienten.
Für das Informationsnetzwerk Homöopathie am 09.02.2017
Dr.-Ing. Norbert Aust
Dr. rer. nat. Andreas Breß
Dr. med. Renate Budde
Dipl.-Ing. (FH) Stefan Dewald
Dr. Lars Dittrich
StOVRat i.R. Udo Endruscheit
Prof. Dr. Edzard Ernst
Dipl.-Inf.(FH) Johannes Güntert
Dr. med. Natalie Grams
Dr. med. Oliver Harney
Dr. rer. nat. Dipl.-Ing. Franz Kass
Dr. phil. Dipl.-Psych. Susanne Kretschmann
Prof. Dr. Christoph Lang
Dr. med. Christian Lübbers
MUDr. Viliam Masaryk
Dr. med. Benedikt Matenaer
Dipl.-Ing. Meike Mertens
MUDr. Tomas Ondriga
Dr. med. Jan Oude-Aost
Dr. Rainer Rosenzweig
Dipl. Ing. Amardeo Sarma
Prof. Dr. Norbert Schmacke
Dipl.-Stomat. Sylvia Stang
Dipl. Biol. Ariane Ullrich
Dr. med. Wolfgang Vahle
Dr. med. vet. Rolf Wagels
Dr. Christian Weymayr
Für den Wissenschaftsrat der Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften (GWUP) am 09.02.2017
Prof. Dr. Michael Bach
Prof. Dr. Dr. Ulrich Berger
Lydia Benecke
Prof. Dr. Peter Brugger
Prof. em. Dr. Edzard Ernst
Prof. Dr. Dittmar Graf
Dr. med. Natalie Grams
Prof. Dr. Wolfgang Hell
Prof. Dr. Dieter B. Herrmann
Prof. Dr. Johannes Köbberling
Prof. Dr. Walter Krämer
Prof. Dr. Martin Lambeck
Dr. Rainer Rosenzweig
Prof. Dr. Dr. Gerhard Vollmer
Dr. Barbro Walker
Dr. Christian Weymayr
Dr. habil. Rainer Wolf