Offener Brief des INH zum Interview mit Dr. Tournier (HRI) auf “Homöopathie online”

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Homöopathie online, das Online-Portal des Deutschen Zentralvereins homöopathischer Ärzte, titelt am 27. September 2017 : „Interview: Wie aus einer positiven eine negative Homöopathie-Studie wurde“. Unter dieser Überschrift wird ein Interview mit dem Leiter des britischen Homeopathy Research Institute (HRI), Dr. Alexander Tournier, zu den angeblich im großen Homöopathie-Review der australischen Gesundheitsbehörde NHMRC von 2015 enthaltenen Fehlern und Mängeln veröffentlicht.
Das INH hat dazu den folgenden Offenen Brief an den Zentralverein homöopathischer Ärzte gerichtet:

 

An den
Deutschen Zentralverein homöopathischer Ärzte (DZVhÄ)
per Email

05.10.2017

Homöopathie-Online, 27. September 2017:
Interview: „Wie aus einer positiven eine negative Studie wurde“

Sehr geehrte Damen und Herren,

es ist ja zu verstehen, dass Sie sich nach der Veröffentlichung der Beurteilung der Homöopathie durch die European Academies Science Advisory Council (EASAC) – der Dachorganisation der europäischen Akademien der Wissenschaften – in einer etwas prekären Lage befinden. Es ist nachvollziehbar, dass Sie versuchen, die Ergebnisse zu widerlegen. Wir wundern uns allerdings darüber, dass Sie keine bessere Lösung gefunden haben als zum wiederholten Male auf die Kritikpunkte an dem groß angelegten Review einzugehen, das im Auftrag des Australischen Gesundheitsministeriums 2015 veröffentlicht wurde.

In Ihrem auf Homöopathie-Online veröffentlichten Interview wiederholt Dr. Tournier lediglich die bisher bekannten Argumente gegen diese Studie, ohne jedoch Belege für die bisher unbelegten Behauptungen vorlegen zu können, beziehungsweise für die längst widerlegten Argumente neue Gesichtspunkte anzubieten. Tournier erhebt den massivsten Vorwurf, den man Wissenschaftlern machen kann, nämlich die Ergebnisse gefälscht zu haben, also bewusst falsche Ergebnisse publiziert zu haben, nur um – ja, warum eigentlich? Angesichts dieser schwerwiegenden Anschuldigung liefert er aber bemerkenswert wenig Substanz:

    • Der angebliche 200-seitige Bericht zu den Kritikpunkten wird nicht vorgelegt.
    • Für die Existenz einer vorherigen validen Studie, die wegen ihres angeblich positiven Ergebnisses abgelehnt wurde, gibt es keine Belege.
    • Der NHMRC gibt völlig korrekt an, dass die Literaturrecherche sowie die öffentlichen Einreichungen zusammen über 1800 Textstellen ergab, von denen insgesamt 225 die Einschlusskriterien erfüllten. Dies ist eine übliche Vorgehensweise, sogar im CONSORT Statement für die Transparenz der Berichterstattung gefordert. Herr Tournier scheint dies nicht zu kennen.
    • Es wurden auch Studien mit weniger als 150 Teilnehmern zugelassen, die mit dem von der WHO empfohlenen GRADE-Verfahren bewertet wurden. Offenbar hat Herr Tournier die Arbeit nicht richtig oder vollständig gelesen, so dass ihm dies entgangen ist.
    • Die Qualitätsanforderungen entsprechen den in der evidenzbasierten Medizin üblichen Vorgaben der Cochrane Collaboration für „Reliable evidence“.
    • Nichts davon widerspricht einem wissenschaftlichen Standard, wie Herr Tournier behauptet.
    • Prof. Peter Brooks war nicht Vorsitzender der Arbeitsgruppe, wie Herr Tournier sicher leicht durch Lesen der entsprechenden Abschnitte der Zusammenfassungen feststellen könnte.

Details finden Sie auf unserer Informationsseite im Web.

An dieser Stelle möchten wir die Frage aufwerfen, ob bei dem Commonwealth Ombudsman tatsächlich eine Beschwerde eingereicht wurde. Wir möchten zwar bezweifeln, dass dies die richtige Stelle ist, einen wissenschaftlichen Dissens zu beseitigen, handelt es sich doch mehr um eine Beschwerdestelle, bei der sich die Bürger Australiens gegen ungerechtfertigte Akte ihrer Regierung wehren können. Dennoch sind wir gespannt auf die Ergebnisse dieser Beschwerde.

Der Ombusdman arbeitet üblicherweise ziemlich schnell – über 80% der Fälle werden innerhalb von weniger als drei Monaten abgearbeitet – so dass doch inzwischen ein Bescheid vorliegen müsste. Wir bemerken, dass die Australischen Homöopathieverbände sich hierzu nicht äußern und auch die Verfasser der Studie bislang, nach nunmehr über einem Jahr, noch nicht in das Verfahren involviert worden sind, was uns zu obiger Frage veranlasst.

Zum Abschluss möchten wir noch darauf hinweisen, dass die Ergebnisse des NHMRC genau in die gleiche Richtung weisen wie die anderen sieben seit 1991 veröffentlichten systematischen Übersichtsarbeiten zur Homöopathie auch, inklusive der 2017 veröffentlichten Arbeit von R.T. Mathie, einem Mitarbeiter des Homeopathy Research Institute und daher Mitarbeiter Herrn Tourniers:

Es gibt keine belastbaren Nachweise dafür, dass die Wirksamkeit der Homöopathie in irgendeinem Krankheitsbild über Placebo hinausginge!

Insofern erscheint die Auseinandersetzung um die Methodik der Studie etwas akademisch: selbst wenn die behaupteten Unstimmigkeiten tatsächlich gegeben wären, scheinen sie keinen großen Einfluss auf das Ergebnis gehabt zu haben.

Viele Grüße
Informationsnetzwerk Homöopathie
Natalie Grams
Norbert Aust
Udo Endruscheit

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