Offener Brief an den DZVhÄ in Bezug auf die EASAC-Stellungnahme

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Über das abschließende Urteil des Beirats der Wissenschaftlichen Akademien der Europäischen Gemeinschaft zur Homöopathie haben wir an dieser Stelle berichtet, auch über Reaktionen dazu. Wie erwartbar, hat sich auch der Deutsche Zentralverein Homöopathischer Ärzte zum EASAC auf seinem Portal Homöopathie online geäußert. Parallel dazu ist eine Stellungnahme des Bundesverbandes der pharmazeutischen Industrie (BPI) (englisch) erschienen, auf die sich der DZVhÄ auch bezieht – der Bundesverband nimmt in recht scharfer, jedenfalls unmissverständlich homöopathiefreundlicher Form Stellung gegen die Äußerungen des EASAC.

Das INH hat auf die Publikation des DZVhÄ mit dem nachfolgenden öffentlichen Brief reagiert:

 

An den
Deutschen Zentralverein homöopathischer Ärzte (DZVhÄ)
per Email

21.10.2017

Homöopathie-Online, 11. Oktober 2017:
„EASAC: Arbeitsgruppe kritisiert Homöopathie mit einseitiger Studienauswahl“

Sehr geehrte Damen und Herren,

wieder einmal hat sich ein namhaftes Gremium kritisch zur Homöopathie geäußert und Sie sehen sich in der Pflicht, dazu Stellung zu nehmen. Bezeichnenderweise berufen Sie sich dabei auch auf eine Publikation des Bundesverbandes der pharmazeutischen Industrie, einer Lobbyorganisation, die ja eigentlich das Feindbild der homöopathischen Zunft darstellt.

Wieder einmal ist Ihre Kritik nur sehr oberflächlich und vermittelt Ihren Lesern einen völlig unzutreffenden Eindruck des wirklichen Sachverhalts. Dies bezieht sich nicht nur auf Ihre Gegenargumentation, sondern auch darauf, wie Sie die Kritik beschreiben.

Kritiker ist diesmal das European Academies Science Advisory Council (EASAC), ein Beratungsgremium der Europäischen Union, in dem die nationalen Akademien der Wissenschaften der EU-Länder sich zusammengeschlossen haben. Sie bemängeln, dass die Arbeitsgruppe, die die Stellungnahme verfasst hat, „nur aus elf Wissenschaftlern“ bestand – wobei Sie übersehen haben, dass auch der Sekretär als Zwölfter nicht nur reine Schreibkraft war. Man fragt sich allerdings, was Sie eigentlich erwarten: Der Organon der Heilkunst wurde, wie vielleicht erinnerlich, nur von einer Person verfasst. Das Papier ist eine offizielle Veröffentlichung der EASAC und damit eine Empfehlung an die Regierungen der EU und der Einzelstaaten.

Es lohnt ein Blick auf die Autoren: Es handelt sich samt und sonders um hochrangige Wissenschaftler aus verschiedenen Gebieten der Medizin, der Biochemie und der Pharmazie, jeder Professor oder emeritierter Professor. Da ist die Spitze der europäischen Life-Sciences versammelt. Sehr aufschlussreich wäre vielleicht ein Blick auf die Forschungspreise im Wikipedia-Eintrag zu Volker ter Meulen, dem Vorsitzenden der Arbeitsgruppe. Natürliche Standardkritik Ihrerseits: Da war kein Homöopathie-Forscher involviert. Was wahrscheinlich daran liegt, dass es noch kein Homöopathie-Forscher geschafft hat, in eine der Europäischen Akademien der Wissenschaften aufgenommen zu werden. Wobei wir offen lassen möchten, woran das wiederum liegen mag – Machenschaften der Pharmalobby scheiden ja irgendwie aus.

Die EASAC stellt auf Grundlage ihrer Analyse die Forderung auf, die jeder Lebensmittelhersteller erfüllen muss, der gesundheitsbezogene Aussagen zu seinen Produkten macht, für Sie aber doch eine Zumutung zu sein scheint: dass nämlich die behauptete gesundheitliche Auswirkung auch nachgewiesen werden muss. Und dass die Patienten nicht über den wahren Sachverhalt getäuscht werden sollen, etwa durch Verpackung und Werbung.

Die durchgeführte Analyse bestand nicht nur darin, wie sie deutlich verkürzt schreiben, dass man nur einseitig ausgewählte Studien gelesen habe und die positiven Studien und Meta-Analysen weggelassen habe. Dies wirft zunächst die Frage auf, welche positiven Meta-Analysen es denn eigentlich zur Homöopathie gibt, wir kennen keine einzige, in der die Wirksamkeit homöopathischer Präparate über Placebo hinaus entweder für die Homöopathie als Ganzes oder auch nur für eine einzige Indikation überzeugend nachgewiesen worden wäre. Wir verweisen hierbei auf frühere Kontakte und unser Angebot einer Diskussion, das Ihr Herr Behnke trotz seiner abweichenden Sichtweise bislang nicht aufgreifen wollte.

Es sei darauf hingewiesen, dass die Oberflächlichkeit, die Sie der Arbeitsgruppe des EASAC unterstellen, nicht gegeben ist: Man hat sich nicht nur auf die besagten Studien abgestützt, sondern auch die wesentlichen Forschungsbeiträge gesichtet, die sich mit den Grundlagen der Homöopathie befassen, dazu weiteren wichtigen Aspekten wie Sicherheit, Kennzeichnung und Vermarktung sowie Anwendung in der Tiermedizin.

Aber alles das beiseite: Sie schreiben – aus unserer Sicht ungerechtfertigt – dass die Wirksamkeit der Homöopathie bereits bestätigt wurde (Nein, Ihre Aussage zur Situation in der Schweiz ist falsch, dort wurde die Wirksamkeit zwar überprüft, die Homöopathie wird aber trotz des vorliegenden Ergebnisses und ohne die eigentlich vorgesehene neuerliche Überprüfung der Wirksamkeit in die Grundversicherung aufgenommen – auf der Grundlage eines Volksentscheids.). Warum, so ist zu fragen, legen Sie dann diese Belege nicht vor? Warum bestehen Sie auf dem Schutzzaun des AMG, das Ihnen und zwei anderen besonderen Therapierichtungen zubilligt, die Wirksamkeit nicht nachweisen zu müssen?

Die Analyse der EASAC hat nicht zu neuen Kritikpunkten geführt, das ist richtig. Das mag darin begründet sein, dass substantielle Kritikpunkte, die nicht aufgegriffen und verfolgt werden, sich üblicherweise nicht mit der Zeit von alleine erledigen. Ihre Sicht, die EU hätte mit ihren Regularien diese schon älteren Kritikpunkte hinreichend adressiert, ist hingegen eindeutig falsch:

    • Die Wirksamkeit homöopathischer Präparate muss derzeit nicht nachgewiesen werden,
    • Krankenkassen übernehmen trotz knapper Mittel die Kosten,
    • die Kennzeichnung der Inhaltsstoffe ist für den Laien nur schwer verständlich, etwa, dass kein Wirkstoff enthalten ist,
    • die Werbung für Homöopathika ist weitgehend unreguliert, das heißt, dass zwar direkt mit dem Produkt nicht auf die Indikationen hingewiesen werden darf, dies aber sehr viele Möglichkeiten des Unterlaufens offen lässt, sei es durch Sponsoring für einschlägige Vorträge und Webseiten, Unterstützung bei Ratgeberliteratur oder direkte Schulung von Ärzten, Heilpraktikern, Hebammen, Apothekern und anderen Trägern des öffentlichen Gesundheitswesens.

Dies alles sind aktuelle Defizite der heute in Deutschland gültigen gesetzlichen Vorgaben – auch wenn die Kritikpunkte selbst schon älter sind.

Aber eines freut uns doch sehr: Wir haben jetzt eine zitierfähige Quelle dafür, dass die Homöopathen mit der Pharmalobby zusammenarbeiten – und wir damit belegen können, dass wir nicht aus diesen Kreisen unterstützt werden.

Viele Grüße

Natalie Grams
Norbert Aust
Udo Endruscheit

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