Den Placebo-Effekt bei Kindern – sogar Säuglingen – und Tieren gibt es doch gar nicht, hören wir immer wieder. Doch das stimmt nicht. Er ist vorhanden und nennt sich dann „Placebo-by-proxy“. Dieser ist durch umfassende und seriöse Forschungen immer wieder belegt worden.
Die Ansicht, ein Placebo-Effekt könne bei Kindern und Tieren nicht auftreten, kommt wohl aus dem Missverständnis heraus, der Placebo-Effekt entstehe dadurch, dass man jemandem etwas „einrede“. Der Placebo-Effekt ist jedoch nichts, was man mit einer gezielten Beeinflussung vergleichen könnte. Er bildet sich beim großen wie beim kleinen Patienten genauso wie beim Tier als körperlich-seelische Reaktion auf den Vorgang der Zuwendung und einer positiven Erwartungshaltung heraus.
Beim Säugling, beim Kleinkind und auch beim Tier spielt die Verfassung der Bezugsperson eine gewaltige Rolle. Sie wird vom Kind oder Tier unbewusst intensiv wahrgenommen. So kann die Erleichterung des Zuwendenden gespürt werden, die sich allein daraus ergibt, etwas tun zu können für die kleinen Schutzbefohlenen. Das Kind oder Tier muss nicht wissen, ob es ein echtes Medikament bekommt oder nur Homöopathie. Aber die Eltern/Besitzer wissen es und ändern dementsprechend ihre Erwartungshaltung. Zudem sind Säuglinge, Kleinkinder und auch Tiere auf die nonverbale Kommunikation angewiesen, sie ist lebensnotwendig für sie. Daher auch diese enorm feinen Antennen. Dieses „Zurückspiegeln“ der Befindlichkeit des Betreuenden – das versteht man unter dem „by proxy“.
Mit dem Begriff ist also eine Placebo-Wirkung „auf einem Umweg“ bzw. „über einen Vermittler“ gemeint. Man sieht ihn immer dort am Werk, wo es keine verbale Interaktion bei einer Zuwendung gibt. Und gerade da erweist er sich als besonders stark. Denn die Sensorik von Säuglingen und kleinen Kindern, ebenso wie die von Tieren, ist ganz besonders ausgeprägt, wenn es um die Aufnahme und Reflexion der Grundstimmung von vertrauten Bezugspersonen handelt. Da kann oft eine direkte sprachliche Kommunikation gar nicht mithalten.
Also: Den Placebo-Effekt bei nichtsprachlicher Kommunikation gibt es nicht nur, als Placebo-by-proxy leistet er sogar Besonderes im Verhältnis des Patienten zur vertrauten Bezugsperson.
Eines sollte aber immer klar sein: Das Eintreten des Placebo-Effekts, mit oder ohne „proxy“, hat nichts mit einer Heilung der Grunderkrankung zu tun. Man sollte sich niemals der Täuschung hingeben, es gehe dem Patienten ja so viel besser, womöglich sich noch dadurch bestätigt fühlen, dass man sich selbst ja auch „besser“ fühlt. Wenn eine falsche Einschätzung des Effekts zu einer Verzögerung einer Behandlung oder gar zu deren Unterlassung führen würde – das wäre fatal.
Mehr dazu auch in unseren FAQ.
Externe Quellen zu Placebo by proxy:
https://lexikon.stangl.eu/13439/placebo-by-proxy/
McMillan, F. D. (1999). The Placebo Effect in Animals. J Am Vet Med Assoc., 215, 992-999.
Foto: Udo Endruscheit für das INH
3 Antworten auf „Placebo by proxy – was ist denn das?“
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