Wir hatten darüber berichtet, dass sich die Ärztekammer Madrid, de facto die oberste Ärztekammer Spaniens, am 22. Juni d.J. mit einer sehr deutlichen Erklärung gegen die Verwendung von Homöopathie in der ärztlichen Praxis ausgesprochen und sich dabei auf die ärztlichen Pflichten im Ethikkodex der spanischen Ärzteschaft bezogen hat.
Nun ist diese Position auch regierungsamtlich: Die spanische Gesundheitsministerin María Luisa Carcedo wird vom Portal La Vanguardia zitiert: „Ich werde die Pseudowissenschaften bekämpfen, und die Homöopathie gehört dazu.„
Der entscheidende Abschnitt des Interviews von Ministerin Carcedo bei La Vanguardia in deutscher Übersetzung:
„F: Was ist mit den Heilern, Scharlatanen und Wunderverkäufern?
A: Wir werden es aufgreifen. Wir haben die Staatsanwaltschaft veranlasst, die Verwendung von Chlorbleiche als Mittel gegen Autismus aufzugreifen, und wir werden dies auch weiterhin mit anderen Dingen tun. Sobald wir eine Situation erkennen, die eine Gefahr für die öffentliche Gesundheit beinhalten könnte, werden wir sie zur Anzeige bringen. Es ist unsere Pflicht als Gesundheitsbehörde, gegen diejenigen vorzugehen, die auf Kosten der Naivität oder durch Ausnutzung der Gläubigkeit eines Teils der Bevölkerung Geschäfte machen wollen.
F: Sie beziehen die Homöopathie in die Pseudowissenschaften mit ein?
A: Die Homöopathie ist eine „alternative Therapie“, die wissenschaftlich nicht belegt ist.
F: Mehr als 600 Gesundheitsberufler haben an Sie appelliert, ihr Recht (im Rahmen von Therapiefreiheit) auf Nutzung der Homöopathie zu respektieren.
A: Gesundheitseinrichtungen haben die Pflicht, Produkte mit nachgewiesener Wirkung zu verwenden, d.h. Medikamente, die strengen klinischen Studien und Kriterien unterzogen wurden. Wenn homöopathische Arzneimittel wissenschaftliche Nachweise erbringen, werden sie als solche angesehen. Das ist derzeit nicht der Fall.
F: Werden Sie die Homöopathie aus den Apotheken entfernen, eine Erhöhung der Mehrwertsteuer vorschlagen … ? Was werden Sie tun?
A: Wir arbeiten mit dem Wissenschaftsministerium an einer Strategie zur Bekämpfung der Pseudowissenschaften. Sobald diese Strategie vorliegt, werden wir Maßnahmen zu einzelnen Methoden / Mitteln vorlegen, aber es ist klar, dass es vordringlich ist, die Öffentlichkeit zu sensibilisieren und aufzuzeigen, welche Produkte für die Gesundheit nützlich sind und welche nicht, und den Schaden zu erklären, den die Entscheidung für eine alternative Therapie anrichten kann.“
Höchst bemerkenswert. Noch bemerkenswerter ist im Anschluss daran eine Meldung des französischen Nachrichtensenders Franceinfo (in Frankreich ist die Diskussion über Homöopathie im Gesundheitswesen ebenfalls intensiv im Gange) auf seiner Homepage:
„Das spanische Gesundheitsministerium hat die Hersteller (von homöopathischen Mitteln) aufgefordert, ihre Produkte den gleichen Wirksamkeitsprüfungen zu unterziehen wie andere Arzneimittel.
Die Debatte über die Homöopathie ist grenzüberschreitend. Dies wird durch die jüngste Entscheidung Spaniens belegt. Das spanische Gesundheitsministerium verlangt nun von den homöopathischen Herstellern, dass sie ihre Produkte dem gleichen Zulassungsverfahren unterziehen wie konventionelle Arzneimittel, damit sie mit einer Indikation versehen werden können. Weigern sich die Hersteller, so müssen sie auf der Verpackung darauf hinweisen, dass die therapeutische Wirkung der Behandlung nicht nachgewiesen ist. Dies ist eine Gelegenheit für die Homöopathie, ihre Wirksamkeit anerkennen zu lassen. (sic!)“
Man lässt also den Worten sehr schnell Taten folgen.
Auch in Deutschland darf mit einer Indikation zwar nur im Falle einer Zulassung, nicht bei einer einfachen Registrierung, geworben werden. Die spanische Regelung geht aber dennoch weiter: Das „Zulassungsverfahren“ der Kommission D beim BfArM erfordert keineswegs zwingend ein wissenschaftsbasiertes Zulassungsverfahren wie bei „normalen“ pharmazeutischen Arzneimitteln, sondern ermöglicht eine „Zulassung“ auch im „Binnenkonsens“. Zudem würde die positive Kennzeichnungspflicht als therapeutisch nicht belegtes Mittel klar über die deutschen Regelungen hinausgehen. Die spanischen Regeln laufen in etwa auf die seit 2017 verschärften Regelungen der FTC (der Verbraucherschutzbehörde) in den USA hinaus. Denn mit Zulassungen aufgrund wissenschaftlich valider Wirksamkeitsnachweise ist wohl kaum zu rechnen. Man bedenke: Die Forderung nach wissenschaftlich belegten Wirkungsnachweisen käme – übertragen auf Deutschland – einer Aufhebung des Binnenkonsens gleich und würde die Erstattungsfähigkeit durch gesetzliche Krankenkassen über § 12 SGB V faktisch hinfällig machen!
Es bleibt uns nur unser übliches „Ceterum censeo“:
Wo bleibt die Reaktion des deutschen Gesundheitssystems, der Politik, der Ärzteschaft und der anderen Player der Selbstverwaltung im Gesundheitswesen? Um es noch einmal nachdrücklich zu sagen: Die (wissenschaftliche) Debatte über die Homöopathie ist beendet! Und es sei hinzugefügt: Die gesundheitspolitische wohl bald auch – mit Ausnahme von Deutschland?!?
Bildnachweis: La Vanguardia