Von wegen, „so okay“, Herr Spahn! – Ein „Too long – Didn’t read“ für Eilige

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Dekorativ

Der ausführliche Beitrag von Prof. Tina Salomon zu den „homöopathischen 20-Mio-Peanuts“, den wir vor kurzem unter der Rubrik „Standpunkte“ veröffentlicht haben, stieß´auf reges Interesse – und auf den Wunsch, hierzu eine „Kurzfassung“ zur Verfügung zu stellen.

Wir danken Tina Salomon für die Mühe, die sie sich mit einem „TL:DR“ gemacht hat. Wir veröffentlichen es hier als gesonderten Artikel, unter „Kurz erklärt“ damit der Ursprungsbeitrag nicht noch länger wird:


Too long, didn’t read

Da man dem Beitrag „Von wegen „so okay“, Herr Spahn!“ ja nicht ganz zu Unrecht vorwerfen könnte, wie eine abschreckende Textwand daher zu kommen, hier noch einmal die wichtigsten Aussagen, in einer anderen Reihenfolge, aber mit dem gleichen Ergebnis: Eine Gesundheitsleistung, die nicht effektiv ist, kann nicht kosten-effektiv sein – womit die Erstattung der Homöopathie gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot der GKV verstößt.

Der wissenschaftlichste Satz aller Zeiten ist wahrscheinlich Ben Goldacres „I think you will find it’s a bit more complicated than that“, denn wissenschaftliche Aussagen sind selten eindeutig, sondern immer nur kleine Schritte in Richtung Erkenntnisgewinn. Genau das unterscheidet sie von den Heilsversprechen in der Alternativmedizin. Aber auch in der Wissenschaft gibt es Fälle, in denen schon einige Schritte in Richtung Erkenntnisgewinn gemacht wurden, so dass es heute wissenschaftliche Aussagen gibt, die wir sie mit einem Ausrufungszeichen versehen können. „Schwerkraft!“ und „Und sie dreht sich doch!“ fallen in diese Kategorie. „Homöopathie wirkt nicht über den Placebo-Effekt hinaus.“ ist schon verdammt nah dran. Und „There is no free lunch!“ ((Erklärung hier). Damit wird – in der Ökonomik als Lehre von der Knappheit – die Unausweichlichkeit der Knappheit und damit die Notwendigkeit ökonomischen Denkens und Handelns beschrieben. Auch in den Bereichen, in denen wir lieber an den free lunch glauben würden, wie im Gesundheitswesen.

Bei den Akteuren im Gesundheitswesen ist das Vorhandensein von Knappheit unbestritten, Konflikte gibt es nur über die Frage, wie mit dieser Knappheit umgegangen werden soll. Das „nur 20 Mio.“-Argument von Jens Spahn verleitet dazu, das Gesundheitswesen als Schlaraffenland zu sehen, in dem es keine Knappheit und damit keine besseren Verwendungsmöglichkeiten für diese Mittel gibt, so dass durch die Bindung von „nur 20 Mio. €“ in einer nachgewiesen ineffektiven Verwendungsmöglichkeit kein Schaden entsteht. Das „Schlaraffenland Gesundheitswesen“ ist aber eine Illusion, die auf den derzeitigen Wohlstand und das Bedarfsprinzip in der GKV zurückzuführen ist. An allen Ecken und Enden werden wir mit der Knappheit im Gesundheitswesen konfrontiert: Bei der fehlenden Zeit für Gespräche und Zuwendung, bei der Ablehnung der Erstattung von Maßnahmen ohne oder mit nur unsicherem Effektivitätsnachweis, bei der Beschränkung der Erstattung auf Leistungen mit voraussichtlichem Gesundheitsgewinn und beim Ausschluss von Maßnahmen, die lediglich zu Lebensqualitätsgewinnen führen, aus der Erstattung.

Mit „nur 20 Mio. Euro“ leugnet Jens Spahn den Grundtatbestand der Knappheit im Gesundheitswesen und setzt sich über die Notwendigkeit eines operationalisierbaren, konsensfähigen und wissenschaftlich fundierten Abgrenzungskriteriums für die Entscheidung zwischen „Erstattung“ und „keine Erstattung“ hinweg. Und das richtet einen sehr viel größeren Schaden als „nur 20 Mio. €“ an.


Wir verweisen zum Thema „größerer Schaden“ auch auf die Positionierung der Gesundheitswissenschaftlerin Ingrid Mühlhauser bei MedWatch (die wir schon auf unserer Facebook-Seite vorgestellt hatten). Zum Thema „Priorisierung“ und „Marginaler Nutzen“ gibt es viel wissenschaftliche Literatur, verwiesen sei nur auf diesen Beitrag im Ärzteblatt: https://www.aerzteblatt.de/dae-plus/serie/36/Priorisierung-im-Gesundheitswesen?aid=65534

Herr Spahn bräuchte es nur zu lesen.


 

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