Am 07.11 2019 hatte der Bayerische Landtag bekanntlich beschlossen, zu Homöopathie als Antibiotika-Alternative einen Forschungsauftrag zu vergeben. Anfänglich waren 400.000 Euro dafür vorgesehen, später wurde auf 800.000 Euro aufgestockt. Nach unserem Kenntnisstand ist bis heute vom Gesundheitsministerium in Nürnberg kein solcher Auftrag erteilt worden. Warum – darüber können wir beim INH auch nur spekulieren.
Das INH und der Wissenschaftsrat der GWUP hatte sich seinerzeit mit einem Offenen Brief an die Landtagsabgeordneten gewandt und geltend gemacht, dass der Einsatz dieser Mittel für den geplanten Zweck keinen Sinn mache, da mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit keinerlei Erkenntnisgewinn über die vorliegenden Erkenntnisse hinaus zu erwarten sei. Eine Wirkung auf den Entscheidungsprozess hatte dies jedoch ersichtlich nicht. Mit der Mehrheit der Fraktionen von CSU und Freien Wählern wurde der Beschluss gefasst und das Gesundheitsministerium entsprechend beauftragt.
Wie gravierend die mit diesem Beschluss verbundenen Implikationen sind und worin sie liegen, hat vor kurzem eine wissenschaftliche Veröffentlichung im Fachjournal „Ethik in der Medizin“ dargelegt (Borkens, Y., Plasberg, Y. Der Bayerische Landtag und die Homöopathie – ein kritischer Kommentar zum Antrag „Todesfälle durch multiresistente Keime vermeiden IV“ (Drucksache 18/3320). Ethik Med 32, 279–287 (2020). https://doi.org/10.1007/s00481-020-00593-z). Der Zugriff ist unbeschränkt (Open Access).
Es ist bemerkenswert, dass der Vorgang inzwischen sein Echo bereits in wissenschaftlichen Publikationen findet. Nachstehend werden die in der Arbeit von Borkens / Plasberg aufgezeigten Gesichtspunkte kurz erläutert:
Berufung auf invalide Entscheidungsgrundlagen
Der Antrag, der zur Entscheidung des Landtages geführt hat, nutzt zur Begründung einzelne Studien, von denen zumindest eine identifizerbar ist. Diese Arbeit (Frass et al. 2005) gilt in der Fachwelt als nicht valide, was für Interessierte leicht recherchierbar gewesen wäre. Zudem ist die Berufung auf drei Einzelstudien zur Homöopathie ohnehin ein Kategorienfehler, weil unter keinen Umständen aus drei indikationsbezogenen Einzelstudien überhaupt die Annahme abgeleitet werden kann, es gebe eine Grundlage für aus öffentlichen Mitteln zu fördernde Forschung, zumal zu einer völlig anderen Indikation. Es liegen für die Homöopathie viele zusammenfassende Betrachtungen der Studienlage der höchsten Evidenzklasse vor, die in der Feststellung fehlender Evidenz einig sind. Vor diesem Hintergrund stellt der Rückgriff auf drei Einzelpublikationen für unterschiedliche Indikationen ein klassisches Rosinenpicken dar.
Insofern sind für die Öffentlichkeit – und auch gegenüber dem beschlussfassenden Landtag – unzutreffende bzw. unzureichende Entscheidungsgrundlagen ins Feld geführt worden.
Schadenspotenzial der Beförderung von Fehlinformationen
Die Öffentlichkeitswirkung des Beschlusses sei geeignet, die Allgemeinheit eher auf die vielfachen Fehlinformationen zur Homöopathie zu lenken bzw. vorhandene Fehlansichten zu bestätigen, statt dazu anzuregen, sich mit faktenbasierten Informationen zu befassen. Das Problem der „pseudomedizinischen Filterblasen“ wird fälschlich befördert und das Bemühen um mehr Medienkompetenz konterkariert.
Die Autoren weisen darauf hin, dass die Verbreitung von teils absurden medizinischen Fehlinformationen gerade während der Covid-19-Pandemie eine besorgniserregende Dynamik angenommen habe, die inzwischen Vertreter der wissenschaftlichen Welt dazu veranlasst hat, entgegen der bisherigen relativen Gleichgültigkeit gegenüber solchen Tendenzen die Verbreitung von Pseudowissenschaft nicht länger zu tolerieren. Verschafft eine parlamentarische Vertretung – und sei es nur indirekt über eine Signalwirkung eines Beschlusses wie dem in Rede stehenden – pseudomedizinischen, wissenschaftlich invaliden Methoden zusätzliche Glaubwürdigkeit, so ist dies noch weit mehr unter ethischen Gesichtspunkten zu bewerten als z.B. die Werbung eines Mittelherstellers.
Notwendigkeit der gewünschten Studie / Einsatz von öffentlichen Mitteln
Die Betrachtung der Gesamtstudienlage und die zutreffende Bewertung der Problematik der Vielzahl von Einzelstudien unter wissenschaftlichen Gesichtspunkten ist nach zutreffender Darstellung der Autoren eine differenzierte, jedoch leistbare Aufgabe, zumal mit den Ressourcen einer Landtagsfraktion. So weisen die Autoren insbesondere auf die fast nie gegebene unabhängige Wiederholung vorgeblich positiver Homöopathiestudien hin, was diese im Rahmen einer Gesamtbewertung der Evidenz praktisch wertlos machen. Angesichts dieser Lage kann sich der Einsatz von öffentlichen Mitteln für eine Studie, von der über die bisherige Erkenntnislage hinaus vernünftigerweise keine Ergebnisse erwartet werden können, aus den allgemeinen Pflichten beim Umgang mit Mitteln aus öffentichen Haushalten nicht rechtfertigen.
Die Autoren weisen darauf hin, dass in der internationalen Forschung einige vielversprechende Ansätze als Antibiotika-Alternative derzeit bereits erforscht werden. Es sei durchaus zu begrüßen, wenn sich die öffentliche Hand an sinnvoller Forschung beteilige. Jedoch führe der Beschluss des bayerischen Landtages dazu, dass sinnvoller Forschung z. B. zu Bakteriophagen Ressourcen entzogen werden. Insofern stelle sich der Beschluss zur Homöopathie-Studie geradezu als kontraproduktiv für das Verfolgen des erklärten Zieles, Forschung zu Antibiotika-Alternativen zu fördern, dar. In der Tat werde das Thema Bakteriophagen in einem anderen Teil des Gesamtantrages zwar erwähnt, bleibt aber materiell unberücksichtigt.
Der Artikel von Borkens / Plasberg verdeutlicht, dass es bei der Diskussion über den Landtagsbeschluss, unter Einsatz von 800.000 € eine Studie zu Homöopathie als Antibiotikaalternative zu beauftragen, um mehr geht als um die abstrakte Fortsetzung der Homöopathiedebatte. Der Beschluss lässt die Begründung nach (vorhandenen) intersubjektiven Kritieren vermissen, hat eine falsche Signalwirkung, die Fehlinformationen in der Allgemeinheit befördert statt ihnen entgegenzuwirken und kann den Einsatz von Mitteln aus öffentlichen Haushalten wegen nicht zu erwartender Ergebnisse nicht rechtfertigen.
Es bleibt zu beobachten, ob und welchen Fortgang es in der Sache geben wird. Es ist davon auszugehen, dass dies die Homöopathiekritik in Zukunft noch beschäftigen wird.
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2 Antworten auf „Studienauftrag zu Homöopathie und Antibiotika – die Schräglage“
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