Neun Wochen benötigte der Bundesgesundheitsminister, um durch einen Referatsleiter einen Brief des Informationsnetzwerks Homöopathie (INH) beantworten zu lassen. Das INH hatte am 19. Juli 2016 den Minister aufgefordert, ein Gutachten zur Aussagekraft des Forschungsreaders der Wissenschaftlichen Gesellschaft für Homöopathie (WissHom) bei einem neutralen wissenschaftlichen Institut in Auftrag zu geben. Zu dieser Forderung nimmt Gröhe keine Stellung. Stattdessen werden drei Argumente ins Feld geführt:
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- Homöopathie sei als besondere Therapierichtung im Sozialgesetzbuch ‚nicht ausgeschlossen‘.
Das ist keine neue Information. - Die Bewertung von Behandlungsmethoden ‚in einem durch Freiberuflichkeit, Selbstverwaltung und Pluralität geprägten Gesundheitswesen‘ liege nicht in der Zuständigkeit des Ministeriums, sondern bei den dieses Gesundheitswesen repräsentierenden Institutionen und Einrichtungen.
Es mag ja sein, dass die Aufgabe selbst von einer der dem BMG nachgeordneten Behörden wahrgenommen wird, es darf aber bezweifelt werden, dass diese ohne Anstoß des Ministeriums von sich aus tätig werden. Im Falle der Homöopathie legt aber das Arzneimittelgesetz selbst die Grundlage für die derzeit geltende Situation, und Initiativen diesbezüglich fallen eindeutig in die Zuständigkeit des Fachministers. - Behandlungsmethoden dürften ‚nicht zu einer Patientengefährdung führen‘ und soweit ‚Schutzlücken der Patientensicherheit‘ bestünden, werde das Ministerium die Ursachen analysieren und bestehende Schutzlücken beseitigen.
Das hofft das INH doch sehr. Offenbar sieht Gröhe kein Risiko für die Gesundheit der Patienten darin, dass behauptet wird, unwirksame Methoden seien als wirksame Therapien wissenschaftlich belegt.
- Homöopathie sei als besondere Therapierichtung im Sozialgesetzbuch ‚nicht ausgeschlossen‘.
Diese Positionen haben im BMG jedenfalls nicht zu der Überlegung geführt, endlich alte Zöpfe abzuschneiden und die doppelte Buchführung in der Bewertung von Behandlungsmethoden abzuschaffen. Stattdessen wird der Schutzzaun um die besonderen Therapierichtungen unbeirrt verteidigt. Jedes neue Medikament muss heute bewiesen haben, dass es besser als Placebo oder der schon vorhandene Behandlungsstandard wirkt. Nur Homöopathika, in den meisten Fällen reine Zuckerpillen, müssen das nicht.
Es gehört zu den ureigensten Aufgaben des BMG, die Rahmenvorschriften für die klinische Prüfung und die Zulassung der Arzneimittel zu gestalten, in deren Rahmen sich die nachgeordneten Behörden bewegen müssen. Sollen wir darauf warten, dass sich z. B. das BfArM über das Arzneimittelgesetz hinwegsetzt?
Wir fordern das Ministerium auf, den gegenwärtigen Unsinn im Arzneimittelrecht zu beenden.
Die wissenschaftliche Überprüfung der Behauptungen von WissHom, einer reinen Lobbyinstitution der Homöopathen, hätte dem BMG die Chance geboten, den Anschluss an die Neuzeit zu gewinnen. Wir haben es ja auch geschafft, die Astrologie trotz ihrer großen Beliebtheit in der Bevölkerung dorthin zu verbannen, wohin sie gehört: in die Welt der Freizeitbeschäftigungen, die jedem Menschen in einer demokratischen Gesellschaft offen stehen. Kranken Menschen aber darf nicht mit behördlicher Genehmigung vorgegaukelt werden, Homöopathika seien ganz normale Medikamente.
“Mündige Versicherte und aufgeklärte Patienten gehören ebenso zu einem Gesundheitssystem wie Gesetze und Verordnungen.” steht auf den Internetseiten des BMG zu lesen. Kann der Bundesgesundheitsminister da der gezielten Irreführung der Patienten durch eine Lobbyorganisation tatenlos zusehen?
Im Namen des INH:
Dr. Norbert Aust
Dr. Natalie Grams
Prof. Dr. Norbert Schmacke
Bild von Lars_Nissen auf Pixabay
Eine Antwort auf „Gröhe verteidigt den Schutzzaun für Homöopathie – das INH zur Antwort auf den Offenen Brief an das BMG (2016)“
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