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Wir erinnern uns: Im Juni 2019 hatte uns Mathias Hevert, der Geschäftsführer der Fa. Hevert Arzneimittel, in einem Interview mit Pharma Relations , „den Skeptikern“ vorgehalten, sie würden eine „klar voreingenommene Haltung gegenüber der Homöopathie“ einnehmen, würden „weder informieren wollen noch seien sie diskussionsbereit“.
Was von einer weitreichenden Unkenntnis der wissenschaftlichen Homöopathiekritik des INH zeugte und uns veranlasste, Herrn Hevert ein Gesprächsangebot zu unterbreiten – das leider unbeantwortet blieb.
Vor wenigen Tagen veröffentichte die Hevert Foundation auf ihrer Webseite einen Beitrag unter dem Titel „Anzahl der qualitativ hochwertigen Studien zur Wirksamkeit der Homöopathie steigt stetig“. Es verwundert nicht, dass die Aussagen und vor allem die Schlussfolgerungen dieses Artikels gemessen an den vielfach belegten tatsächlichen Umständen nicht haltbar sind. Das INH möchte deshalb sein Gesprächsangbot von vor zwei Jahren erneuern und hat deshalb folgendes Schreiben an Herrn Hevert gerichtet:
Herrn
Mathias Hevert
Geschäftsführung Hevert Arzneimittel
per E-Mail info@hevert.de
26.04.2021
Sehr geehrter Herr Hevert,
wie Ihnen vielleicht noch erinnerlich ist, hatten wir Ihnen im Juli 2019 ein durchaus ernst gemeintes Gesprächsangebot unterbreitet, nachdem Sie uns in einem Interview mit Pharma Relations vorgeworfen hatten, wir wären nicht zu einer Diskussion bereit.
Zu unserem großen Bedauern haben wir dazu von Ihnen keine Rückmeldung erhalten.
Hiermit möchten wir dieses Angebot wiederholen, denn die neueste Veröffentlichung bei der Hevert Foundation zeigt, dass hier wohl doch erheblicher Gesprächsbedarf besteht. Wir wenden uns erneut an Sie, da kein Autor angegeben ist und es sich somit offenbar um die Firmenmeinung handelt. Gerne können wir das Gespräch angesichts der Corona-Lage als Videokonferenz durchführen und den Teilnehmerkreis um Experten erweitern.
Vorab eine Frage an Sie: Wenn Sie Folgendes lesen:
Insgesamt ergibt sich das Bild, dass in vier von fünf Fällen erkennbar ist, dass das Flugzeug tendenziell für einen Flug geeignet ist und es länger in der Luft bleiben kann als ein Stein. Das Gesamtergebnis fällt nur dann negativ aus, wenn der größte Teil der Flüge von der Auswertung ausgeschlossen wird und/oder fragwürdige statistische Methoden angewandt werden.
Fliegen Sie in diesem Flugzeug mit?
Eine andere Frage:
Die Mahlzeiten, die in diesem Lokal individuell zubereitet werden, haben möglicherweise einen gewissen Geschmack, die niedrige und unklare Qualität der Zutaten gebietet aber, diesen Eindruck nur vorsichtig zu interpretieren.
Gehen Sie dort zum Essen?
Diese beiden Zitate stammen nur leicht verfremdet aus den Quellen, die Sie als Beleg für die Wirksamkeit der Homöopathie anführen. Das erste Zitat stammt von Herrn Behnke, den Sie als Beleg verlinkt haben, und das zweite aus dem Review von Mathie aus dem Jahr 2014, den Sie im Text ansprechen (Originalzitate am Ende des Brieftextes).
Sie sehen, selbst die Texte, die Vertreter der Homöopathie im Bestreben veröffentlichen, die Homöopathie zu fördern – sowohl das HRI, zu dem Herr Mathie gehört, als auch die Carstens-Stiftung, bei der Herr Behnke arbeitet, verfolgen gemäß ihren Statuten genau diesen Zweck, sind also denkbar weit von uns Skeptikern entfernt – sind Beurteilungen, die in anderen Lebensbereichen völlig unzureichend wären, potenzielle Nutzer zu überzeugen. Genau genommen wirken sie nach normalen alltäglichen Maßstäben sogar eher abschreckend. Auf jeden Fall würde man, wenn die Homöopathie die wirkmächtige Therapieoption wäre, wie ihre Verfechter das behaupten, deutlich überzeugendere Ergebnisse erwarten.
Als Gesprächspunkte schlagen wir vor:
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- Warum und auf welche Weise die Wissenschaft erklären kann, dass die Homöopathie nicht über Placebo- und Kontexteffekte hinaus wirken kann, es allerdings bekannte Mechanismen gibt, die dazu führen, dass es den Patienten und Therapeuten erscheinen kann, als wäre die Homöopathie wirksam.
- Warum der vielfach belegte und gut erforschte Placebo-by-Proxy-Effekt sehr wohl dazu führen kann, dass Kinder und Tiere vermeintlich auf homöopathische Mittel reagieren. Und dass Ergebnisse bei Pflanzen nicht reproduzierbar sind.
- Warum und wie „die Wissenschaft“, etwa in Gestalt des EASAC (des Beirats der Vereinigung der europäischen Akedemien der Wissenschaften) überhaupt nicht dazu bereit ist, zu akzeptieren, dass die Homöopathie über Placebo- und Kontexteffekte hinaus wirksam sein könnte, und warum es absurd ist, einen einzelnen Satz eines einzelnen Forschers aus dem Jahr 1991 zu verallgemeinern.
- Warum es einen Unterschied macht, ob man nicht weiß, wie die Prostaglandinsynthese durch Paracetamol gehemmt wird, oder ob man bei der Homöopathie noch nicht einmal eine rudimentäre Vorstellung davon hat, wie von den herauspotenzierten Bestandteilen der Urtinktur überhaupt irgendetwas Heilendes auf den Patienten übertragen werden könnte.
- Warum wir als wissenschaftsorientierte Kritiker den Homöopathen keinen Betrug vorwerfen; denn es wäre ja eine Verleumdung, wenn man dies nicht beweisen kann. Wir lassen immer die Möglichkeit der Ignoranz bzw. das starke Wirken des Bestätigungsfehlschlusses (Confirmation bias) gelten, auch wenn wir nicht verstehen können, wie akademisch ausgebildete Mediziner die Grundlagen ihres Faches so weit ignorieren können, um den absurden und längst überholten Vorstellungen der Homöopathie Glauben zu schenken.
- Warum auch Niederpotenzen keine spezifische Wirksamkeit innewohnt, insbesondere, wenn die Präparate aus Stoffen als Urtinkturen hergestellt wurden, denen wir im täglichen Leben in hohem Maße ausgesetzt sind, oder auch, wenn es sich um Stoffe handelt, deren Eignung als Wirkstoff völlig unklar ist.
- Warum wir in der Homöopathie kein komplexes Themenfeld sehen, sondern eine konfuse Heilslehre, in der jeder machen kann, was er will und das Ganze dann als neue Geschmacksrichtung der Homöopathie vermarkten darf, weil es in der Homöopathie keine validen Verfahren gibt, wirksame und unwirksame Vorgehensweisen zu unterscheiden.
- Warum die Aussage „Wer heilt hat Recht“ nur dann etwas bedeutet, wenn man belegt, wer womit geheilt hat bzw. ob überhaupt aktiv geheilt wurde.
- Warum das Update der Übersicht der Studien, die Sie vom HRI zitieren, nichts mit dem Review von Mathie zu tun hat, denn es fehlt beispielsweise jedwede Validierung der Qualität, die für die Bewertung der Aussagekraft von Studienergebnissen von entscheidender Bedeutung ist.
- Warum es unerheblich ist, wie viele positive oder negative Studienergebnisse in der Homöopathie und der evidenzbasierten Medizin vorliegen, sondern dass es darauf ankommt, was danach geschieht und welche Schlussfolgerungen gezogen werden.
Zum Schluss würden wir Ihnen gerne einen Vorschlag unterbreiten, wie Sie das leidige Finanzierungsproblem für Forschung zur Homöopathie lösen könnten: Der Umsatz für Homöopathika liegt in Deutschland in der Größenordnung von etwa 600 Millionen Euro pro Jahr. Wenn die Hersteller – wie auch Sie – nur auf ein Prozent davon verzichten und dies in einen Forschungsfonds einbringen, sind dies unter vorherigem Abzug der Steuern und der Vertriebskosten sicher zwei bis drei Millionen Euro.
Davon könnten Sie doch bestimmt jedes Jahr 10 Studien finanzieren. Anmerkung: Die Pharmaindustrie wendet durchschnittlich etwa 14 % des Jahresumsatzes für Forschung auf – da hätten Sie sicher noch einigen Spielraum.
Sie sehen, wir hätten viele Punkte, um sie mit Ihnen zu diskutieren. Allerdings halten wir es nicht für zielführend, wenn Sie „den letzten Zweifel“ an der Wirksamkeit der Homöopathie bei uns Skeptikern ausräumen wollen. Der „Zweifel“ der wissenschaftsfundierten Kritiker ist umfassend. Es wäre deshalb sicherlich besser, wenn Sie vorne, beim grundlegenden Zweifel beginnen, nämlich wie aus Verdunstungsrückständen von geschütteltem Lösungsmittel auf einem Arzneiträger ein wirksames Medikament werden soll.
Mit freundlichen Grüßen
Dr.-Ing. Norbert Aust – Dr. med. Christian Lübbers
Sprecher des Informationsnetzwerks Homöopathie
Originale Textstellen:
Herr Behnke in seinem Fazit seiner Betrachtungen von systematischen Reviews:
Insgesamt ergibt sich hinsichtlich der bis dato publizierten maßgeblichen Meta-Analysen zur Homöopathie, dass in vier von fünf Fällen tendenziell eine spezifische Wirksamkeit potenzierter Arzneimittel über Placebo hinaus erkennbar ist. Das Gesamtergebnis fällt jeweils nur dann negativ aus (Homöopathie = Placebo), wenn der größte Teil ( 90–95 %) der vorliegenden Daten von der Auswertung ausgeschlossen wird und/oder fragwürdige statistische Methoden angewandt werden.
(https://www.homoeopathie-online.info/meta-analysen-in-der-klinischen-forschung-zur-homoeopathie/)
Das Review von RT Mathie aus dem Jahr 2014:
Arzneien, die als Homöopathika individuell verordnet wurden, zeigen möglicherweise einen kleinen spezifischen Effekt. (…) Die generell niedrige und unklare Qualität der Nachweise gebietet aber, diese Ergebnisse nur vorsichtig zu interpretieren.
Im englischen Original:
„Medicines prescribed in individualised homeopathy may have small, specific treatment effects. (…) The low or unclear overall quality of the evidence prompts caution in interpreting the findings.“ (https://systematicreviewsjournal.biomedcentral.com/articles/10.1186/2046-4053-3-142)
Quellen:
[1] https://netzwerk-homoeopathie.info/guten-tag-wir-sind-vom-inh-und-moechten-mit-ihnen-ueber-homoeopathie-reden/ [2] https://hevert-foundation.org/die-hevert-foundation/ [3] https://hevert-foundation.org/2021/04/19/anzahl-der-qualitativ-hochwertigen-studien-zur-wirksamkeit-der-homoeopathie-steigt-stetig/Reminder:
Immer wieder wird gegenüber uns aus homöopathischen Kreisen der Vorwurf erhoben, wir seien nicht diskussionsbereit.
Wirklich?
Eine Antwort auf „Guten Tag! Wir möchten immer noch mit Ihnen über Homöopathie reden!“
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