Auf mancher Zahnpastatube ist der Hinweis zu finden, dass das Produkt besonders homöopathieverträglich sei. Gelegentlich ist ein solcher Hinweis auch auf anderen Pflege- und Kosmetikartikeln platziert. Was soll das bedeuten?
Der Unterschied von einer homöopathiefreundlichen Zahnpasta zu einer normalen ist das Weglassen ätherischer Öle, vor allem Menthol. Und meist ein etwas höherer Preis.
Der Grund für dieses Weglassen liegt nach der Denkart von Homöopathen darin, dass Homöopathika durch manche Stoffe und weitere schädliche Einflüsse „antidotiert“ (also in ihrer Wirkung abgeschwächt oder gar aufgehoben) werden können. Hahnemann, der Begründer der Homöopathie, war darauf bedacht, Wechselwirkungen bestimmter Dinge und Umstände mit seinen homöopathischen Mitteln peinlichst zu vermeiden.
Die „Lebenskraft„, auf die Hahnemann sich beruft, sei sehr störanfällig. Im Orginaltext von Hahnemann finden wir sehr viele Hinweise auf solche störenden Wechselwirkungen:
„Bei der so nöthigen als zweckmäßigen Kleinheit der Gaben, im homöopathischen Verfahren, ist es leichtbegreiflich, daß in der Cur alles Uebrige aus der Diät und Lebensordnung entfernt werden müsse, was nur irgend arzneilich wirken könnte, damit die feine Gabe nicht durch fremdartig arzneilichen Reiz überstimmt und verlöscht, oder auch nur gestört werde.“ (§ 259 Organon)
Darüber hinaus zählt er eine schier endlose Reihe an Störfaktoren auf, die die „Lebenskraft“ und die Wirkung von Homöopathika darauf beeinflussen sollen:
„Für chronisch Kranke ist daher die sorgfältige Aufsuchung solcher Hindernisse der Heilung um so nöthiger, da ihre Krankheit durch dergleichen Schädlichkeiten und andere krankhaft wirkende, oft unerkannte Fehler in der Lebensordnung gewöhnlich verschlimmert worden war:
Kaffee, feiner chinesischer und anderer Kräuterthee; Biere mit arzneilichen, für den Zustand des Kranken unangemessenen Gewächssubstanzen angemacht, sogenannte feine, mit arzneilichen Gewürzen bereitete Liqueure, alle Arten Punsch, gewürzte Schokolade, Riechwasser und Parfümerieen mancher Art, stark duftende Blumen im Zimmer, aus Arzneien zusammengesetzte Zahnpulver und Zahnspiritus. Riechkißchen, hochgewürzte Speisen und Saucen, gewürztes Backwerk und Gefrornes mit arzneilichen Stoffen, z. B. Kaffee, Vanille u.s.w. bereitet, rohe, arzneiliche Kräuter auf Suppen, Gemüße von Kräutern, Wurzeln und Keim-Stengeln (wie Spargel mit langen, grünen Spitzen), Hopfenkeime und alle Vegetabilien, welche Arzneikraft besitzen, Selerie, Petersilie, Sauerampfer, Dragun, alle Zwiebel-Arten, u.s.w.; alter Käse und Thierspeisen, welche faulicht sind, (Fleisch und Fett von Schweinen, Enten und Gänsen, oder allzu junges Kalbfleisch und saure Speisen; Salate aller Art), welche arzneiliche Nebenwirkungen haben, sind eben so sehr von Kranken dieser Art zu entfernen als jedes Uebermaß, selbst das des Zuckers und Kochsalzes, so wie geistige, nicht mit viel Wasser verdünnte Getränke; Stubenhitze, schafwollene Haut-Bekleidung, sitzende Lebensart in eingesperrter Stuben-Luft, oder öftere, bloß negative Bewegung (durch Reiten, Fahren, Schaukeln), übermäßiges Kind-Säugen, langer Mittagsschlaf im Liegen (in Betten), Lesen in wagerechter Lage, Nachtleben, Unreinlichkeit, unnatürliche Wohllust, Entnervung durch Lesen schlüpfriger Schriften, Onanism oder, sei es aus Aberglauben, sei es um Kinder-Erzeugung in der Ehe zu verhüten, unvollkommner, oder ganz unterdrückter Beischlaf; Gegenstände des Zornes, des Grames, des Aergernisses, leidenschaftliches Spiel, übertriebene Anstrengung des Geistes und Körpers, vorzüglich gleich nach der Mahlzeit; sumpfige Wohngegend und dumpfige Zimmer; karges Darben u.s.w. Alle diese Dinge müssen möglichst vermieden oder entfernt werden, wenn die Heilung nicht gehindert oder gar unmöglich gemacht werden soll. Einige meiner Nachahmer scheinen durch Verbieten noch weit mehrer, ziemlich gleichgültiger Dinge die Diät des Kranken unnöthig zu erschweren, was nicht zu billigen ist.“ (§ 260 Organon)
Betrachtet man diese Liste, so fällt einem auf, dass man so unmöglich leben kann (und auch damals nicht konnte) und dass von Homöopathen heute im Konsens eigentlich nur Menthol (und andere starke Duftstoffe), so wie Kaffee als „Antidote“ übrig geblieben sind. Das liegt daran, dass beide als homöopathische „Arzneien“ dafür bekannt sind, viele andere Homöopathika in ihrer Wirkung abzuschwächen – zumindest in der Vorstellung von vielen (klassischen) Homöopathen. Aber es liegt auch die Vermutung nahe, dass es seit jeher den Homöopathen willkommen war, so viele „Ausreden“ für ein Scheitern ihrer Methode parat zu haben: Im Zweifel kann immer ein Fehlverhalten des Patienten, womöglich unbewusst, gefunden werden.
Nach der inneren Logik der Homöopathie (und nur nach dieser!) ist die Sache mit der homöopathiefreundlichen (ohne ätherische Öle hergestellten) Zahnpasta zwar irgendwie konsequent, aber letztlich ohne Sinngehalt. Ein kleiner Unsinn im großen. Immerhin scheint das Ganze interessant genug zu sein, neue Produkte auf den Markt zu werfen – und manche Firmen scheinen darin eine kleine Marktlücke gefunden zu haben.
Unser Tipp: Sparen Sie das (kleine) Geld, kaufen Sie sich und Ihren Kindern normale Zahnpasta und vertrauen Sie nicht auf die Homöopathie. Sie wirkt wenn nur als Placebo – und diese „Wirkung“ lässt sich nicht durch Duftstoffe beeinflussen.
BIldnachweis: Fotolia_108772925_XS
2 Antworten auf „Homöopathieverträgliche Zahnpasta – warum das?“
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