Offener Brief des INH und des Wissenschaftsrats der GWUP zur „Ringvorlesung Homöopathie“ der LMU München

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Ein leerer Hörsaal - als Metapher für die im Artikel angesprochene
Akademische Leere… ?

In einer aktuellen Veröffentlichung bewirbt die Ludwig-Maximilians-Universität München eine Veranstaltungsreihe (Ringvorlesung) im Wintersemester 2016/17 zum Thema „Homöopathie: Von der Theorie zur Praxis – Mit Praxisbeispielen und Patientenvorstellungen“. Dabei handelt es sich, wie ein Blick in die Ankündigung zeigt, um eine Reihe von Vorträgen, die den „homöopathischen Ansatz“ bei unterschiedlichsten Krankheitsbildern vorstellen will.

Wir halten es für verfehlt, durch eine solche Veranstaltung der homöopathischen Methode zu akademischem Ansehen zu verhelfen, nachdem dies eigentlich längst als obsolet angesehen werden müsste:

    • 1939: Die von August Bier, einem Chirurgen von exzellentem Ruf und Befürworter der Homöopathie, durchgesetzte Einrichtung 1928 eines homöopathischen Lehrstuhls an der Medizinischen Klinik II der Universität Berlin wird rückgängig gemacht – ausdrücklich wegen „Ergebnislosigkeit“.
    • 1958: Die gleiche Universität wehrt sich mit deutlichen Worten gegen den Versuch, diesen Lehrstuhl wieder aufleben zu lassen.
    • 1992: Die medizinische Fakultät der Universität Marburg weist in einer deutlichen Erklärung jede Relevanz der Homöopathie für den Wissenschaftsbetrieb zurück und verwahrt sich gegen ministerielle Bemühungen, Homöopathie in die Lehre einzubeziehen.

Vor diesem Hintergrund ist es mehr als befremdlich, dass die LMU den Lobbyisten vom Deutschen Zentralverein homöopathischer Ärzte eine Plattform bietet, zumal diese mit Lehre und Forschung, den Grundaufgaben jeder Universität, offenbar wenig bis nichts zu tun hat. Leider. Denn wir sind durchaus der Ansicht, dass richtig verstandene Lehre auch in Bezug auf die Homöopathie an einer Universität Platz finden könnte, ja sogar müsste.
Lehren! Das würde für die Homöopathie bedeuten, sie im medizinhistorischen Kontext zu vermitteln, ihre Widersprüchlichkeiten und Unverträglichkeiten mit naturgesetzlichen Gegebenheiten zu erörtern und den fehlenden Wirkungsnachweis und die sogenannte Grundlagenforschung zur Homöopathie vorzustellen und zu diskutieren. Das wäre im Hinblick darauf zu begrüßen, dass angehende Mediziner dann auch auf diesem Gebiet mit solidem Wissen und nicht mit einem Bündel von nicht hinterfragten Vorurteilen ins Berufsleben starten.

Davon ist in der Ankündigung der LMU allerdings nichts zu finden. Stattdessen besteht die Ringvorlesung aus einer Abfolge von Veranstaltungen, in denen die „homöopathischen Ansätze“ bei unterschiedlichsten Krankheitsbildern präsentiert werden. Dabei reicht die Palette von einfachen selbstlimitierenden Erkrankungen wie Sinusitis bis hin zu schwersten Erkrankungen, sogar bis in den palliativmedizinischen Bereich. Die angekündigte Eingangsvorlesung „Geschichte und Philosophie der Medizin: Samuel Hahnemanns Begründung einer rationalen Heilkunde“ wird wohl auch kaum zu einer methodenkritischen Einführung in die nachfolgenden Vorlesungen gedacht sein. So sind die angekündigten „Praxisbeispiele und Patientenvorstellungen“ kein positives Merkmal, sondern bieten nur wieder die Möglichkeit, Homöopathie als „Erfahrungsmedizin“ darzustellen.

Wir meinen:

  • Diese unkritische Behandlung der Homöopathie hat an einer wissenschaftlichen Fakultät nichts zu suchen.
  • Es ist mit dem Auftrag zu Forschung und Lehre unvereinbar, einer von der überwältigenden Mehrheit der weltweiten Forschungsgemeinde als spezifisch arzneilich unwirksam eingestuften Methode eine oberflächlich-werbende Darstellung zu geben.
  • Es wäre allenfalls geboten, die Homöopathie gut wissenschaftlich im Sinne einer Erörterung und Falsifikation ihrer Annahmen zu behandeln.
  • Das aktuelle Vorgehen entspricht nicht der Verantwortung der Hochschule gegenüber Studierenden und Patienten.

Unterzeichner:

Für das INH

Dr. Norbert Aust
Udo Endruscheit (Verfasser)
Prof. em. Dr. Edzard Ernst
Dr. Natalie Grams
Amardeo Sarma
Prof. Dr. Norbert Schmacke

Für den Wissenschaftsrat der GWUP

Prof. Dr. Michael Bach
Prof. Dr. Dr. Ulrich Berger
Lydia Benecke
Prof. Dr. Peter Brugger
Prof. em. Dr. Edzard Ernst
Prof. Dr. Dittmar Graf
Dr. Natalie Grams
Prof. Dr. Wolfgang Hell
Prof. Dr. Dieter B. Herrmann
Prof. Dr. Johannes Köbberling
Prof. Dr. Walter Krämer
Prof. Dr. Martin Lambeck
Dr. Rainer Rosenzweig
Prof. Dr. Dr. Gerhard Vollmer
Dr. Barbro Walker
Dr. Christian Weymayr
Dr. habil. Rainer Wolf

Update, 19.05.2019:

Im Wintersemester 2018/19 und 2019/20 haben die „Ringvorlesungen“ zur Homöopathie nicht mehr stattgefunden.

Das Haunersche Kinderspital in München, Initiator und Organisator dieser Veranstaltungen, hat sich inzwischen von Homöopathie als Therapieoption distanziert.


Weitere aktuelle Stellungnahmen:

Blogbeitrag bei Edzard Ernst (auf Englisch) hier

Kritischer Kommentar von Wissenschaftsjournalist Werner Bartens in der Südeutschen Zeitung hier

Interessanter älterer Beitrag zur Homöopathie an der LMU auch im Laborjournal hier


Bild von Bonnie Taylor auf Pixabay

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