Spaniens Ärzteschaft entzieht der Homöopathie den Kredit

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Das Bild zeigt das Wappen der Zentralen Ärztekammer MadridErst vor kurzem (am 19. Juni 2019) hat sich die französische Ärztekammer klar dazu bekannt, dass sie die Verwendung von wissenschaftlich nicht fundierten Methoden und Mitteln in der ärztlichen Praxis als unethisch und unvereinbar mit dem ärztlichen Standesrecht ansieht. Ohne die Homöopathie direkt zu erwähnen, hat die Ärztekammer in Frankreich damit gezielt in die laufende Debatte über die Rolle der Homöopathie im öffentlichen Gesundheitswesen eingegriffen. Wir berichteten.

Nur wenige Tage später – am 22. Juni –  hat die Zentrale Spanische Ärztekammer der Region Madrid (ICOMEM) mit der Ankündigung „Die ICOMEM erinnert die Ärzte daran, nur wissenschaftlich erprobte Medikamente und Verfahren einzusetzen“ eine sehr ähnliche Erklärung veröffentlicht, die teilweise sogar über die der französischen Ärztekammer hinausgeht. Nämlich insofern, als sie durchblicken lässt, dass die ethische Verpflichtung zur Anwendung evidenzbasierter Methoden und Mittel auch nicht von Entscheidungen „der öffentlichen Verwaltung“ abhängig, sondern durchweg nach ärztlichem Standesrecht zu fordern ist. Nimmt man dies wörtlich, so bleibt nach dem Wortlaut – anders als beim Text der französischen Ärztekammer – nicht einmal die Möglichkeit zu einer „komplementären“ Behandlung im „informed consent“ und nach Einschätzung des Arztes im Einzelfall.

In Spanien haben die Regionen eigene Befugnisse zu Regelungen im Gesundheitswesen. Das Gesundheitsministerium in Madrid hat bereits 2017 verdeutlicht, dass ungeachtet dieser Befugnisse nicht für vertretbar gehalten wird, Homöopathie zum Gegenstand von Krankenkassenleistungen zu machen (soweit bekannt, gibt es aber nach wie vor regional unterschiedliche Regeln). Die Kammer der Zentralregion Madrid ist traditionell in der Rolle einer de facto „obersten Ärztekammer“, so dass man davon ausgehen kann, dass dieses Statement nicht auf die Region Madrid beschränkt ist bzw. bleiben wird.

Der Kurs ist ungeachtet der regionalen Befugnisse und Besonderheiten klar: Der Homöopathie wird von ärztlicher Seite mit sehr deutlichen Worten der Kredit entzogen.

Die Erklärung im Wortlaut:


Der Präsident der Ärztekammer von Madrid, Dr. Miguel Ángel Sánchez Chillón, stellte dieses Dokument der Versammlung der wissenschaftlichen Gesellschaften vor und betonte, dass „die Hauptpflichten des Arztes dem Patienten gelten, dessen Gesundheit Vorrang vor jeder anderen Erwägung haben muss“:

ÜBER HOMÖOPATHISCHE PRODUKTE

In Ausübung der in den Gesetzen 2/1974 vorgesehenen Befugnisse der Berufsorganisationen […] … berichtet die hohe amtliche Ärztekammer öffentlich über Folgendes:

Zusätzlich zu den allgemeinen gültigen Grundsätzen und Werten verpflichtet der ärztliche Ethikkodex Ärzte besonders bei der Ausübung ihres Berufes, unabhängig von der Art und Weise, wie sie praktizieren und wo dies geschieht. […]

Eine dieser Pflichten aus in Artikel 26 des aktuellen Kodex schreibt den Ärzten eine besondere Pflicht vor, die sie erfüllen müssen. Die Ärztekammer versteht sich als grundlegend verantwortlich für Belange der ärztlichen Berufspraxis. Sie sieht es insofern als unethisch an, dass Methoden, aber auch Verschreibungen von Arzneimitteln als wirksame Therapien dargestellt und vorgeschlagen werden, bei denen wissenschaftliche Grundlagen fehlen, denen illusionäre Vorstellungen zugrunde liegen oder die sich praktisch unzureichend bewährt haben.

Ungeachtet der [meist] kurzfristigen Entscheidungen, die von den öffentlichen Verwaltungen dazu getroffen werden, ist es die Pflicht der Ärztekammer, alle Ärzte, die ihre beruflichen Pflichten in der Region Madrid erfüllen, an ihre Verpflichtung zu erinnern, die im Kodex enthaltenen Grundsätze, Pflichten und Werte zu respektieren und angemessen einzuhalten. Die Grundsätze der Medizinethik, die sich der Ärztestand selbst freiwillig gegeben hat, sind das leitende Kriterium und die Richtschnur für das richtige Verhalten in der beruflichen Praxis. All dies gehört zur Garantenstellung des Arztes gegenüber den Patienten, deren Gesundheit Vorrang vor jeder anderen Erwägung haben muss.

Gemäß den Bestimmungen des Artikels 1.3 des Gesetzes 2/1974 vom 13. Dezember 1974 über Berufsverbände erinnert die Ärztekammer daran, dass sie berechtigt ist, die Grundsätze der ärztlichen Praxis, der Verteidigung der beruflichen Interessen von Ärzten, den Schutz der Interessen der Allgemeinheit und die Interessen der Verbraucher bei der Inanspruchnahme ärztlicher Dienste zu wahren, und zwar unbeschadet der Zuständigkeiten der öffentlichen Verwaltung.

Aus all diesen Gründen wird die Verantwortung des Arztes öffentlich eingefordert und an seine Pflichten gegenüber dem Patienten und dem Berufsstand gegenüber erinnert.


Müssen wir schon wieder fragen: Und bei uns? Wieder ein Schritt weiter zum „germanischen Dorf“ in Sachen Homöopathie, liebes Gesundheitsministerium, liebe Ärzteschaft, liebe Institutionen des Gesundheitswesens …


Bildnachweis: Illustre Colegio Oficial de Médicos de Madrid

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