Kein guter Tag für die Homöopathie: Am 15. November 2016 veröffentlichte die US-amerikanische Wettbewerbsaufsicht und Verbraucherschutzbehörde (Federal Trade Commission – FTC) ihr Statement, wonach frei verkäufliche Homöopathika in Zukunft dahingehend gekennzeichnet werden müssten, dass die Wirksamkeit des Produkts nicht nachgewiesen sei – es sei denn natürlich, der Hersteller kann einen solchen Nachweis vorlegen. Wie nicht anders zu erwarten, haben die deutschen Homöopathieverbände umgehend mit dem Hinweis reagiert, diese Forderung könne man nicht auf Deutschland übertragen. Dies sei auch nicht notwendig, denn durch das hiesige Arzneimittelgesetz bestünden bereits schärfere Anforderungen, als sie sich aus der Anwendung der Vorgabe der FTC in den USA ergeben würden.
Anforderungen der FTC
Die FTC hält es für erforderlich, dass Hersteller von Produkten nur dann Aussagen tätigen dürften, ihre Produkte seien für die Behandlung bestimmter gesundheitlicher Zustände geeignet, wenn sie hierfür über eine entsprechende Grundlage verfügen. Dies gelte für frei verkäufliche Arzneien (“Over the counter” – OTC), Nahrungsergänzungsmittel oder Nahrungsmittel, also auch für homöopathische Präparate zur Selbstmedikation von Beschwerden, die auch von alleine wieder vergehen würden (“selbstlimitierend”, z.B. eine Erkältung – nur solche dürfen in den USA überhaupt frei verkauft werden). Man kam weiter zu dem Schluss, dass gesundheitsbezogene Aussagen für homöopathische Produkte generell nicht auf modernen wissenschaftlichen Methoden beruhen. Für Angaben zu Gesundheit, Sicherheit oder Wirksamkeit benötigten die Hersteller sachgerechte und zuverlässige Evidenz, was für Arzneimittel auf die Forderung nach gut ausgeführten klinischen Studien an Menschen hinauslaufe. Diese Anforderungen würden aber von den allermeisten OTC-Homöopathika nicht erfüllt, weshalb entsprechende Angaben einer Wirksamkeit irreführend seien.
Diese Irreführung der Kunden könne dadurch beseitigt werden, dass die Hersteller in ihren Begleitmaterialien (“marketing materials”) angeben, dass es
1. keine wissenschaftlichen Belege dafür gäbe, dass das Produkt wirkt und dass sich
2. die Angaben lediglich auf die Theorien der Homöopathie, die aus dem 18. Jahrhundert datieren, abstützen, die von den meisten modernen medizinischen Fachleuten nicht akzeptiert werden.
(Im Originaltext:
1. “There is no scientific evidence that the product works.”
2. “The products claims are based only on theories of homeopathy from the 1700s that are not accepted by most modern medical experts.”)
Es wird ausdrücklich darauf verwiesen, dass es nicht statthaft ist, den Hinweis auf die fehlende Evidenz durch andere Hinweise zu kompensieren. Da die Angabe eines Anwendungsgebietes und der gleichzeitige Hinweis auf die fehlende Evidenz ebenfalls verwirrend sein könnten, hätten die Hersteller durch Erhebungen zu überprüfen, ob die Angaben von den Kunden auch verstanden werden.
Stellungnahmen der deutschen Homöopathieverbände
Übereinstimmend äußern sich der Verband der klassischen Homöopathen Deutschlands (VKHD) und der Deutsche Zentralverein homöopathischer Ärzte (DZVhÄ) dahingehend, dass man die Situation aus USA nicht auf Deutschland übertragen könne. Hierzulande seien die Homöopathika apothekenpflichtig und würden als registrierte Arzneimittel nicht unter Angabe einer Indikation verkauft. Mithin gälten bereits jetzt schärfere Anforderungen als in USA nach Einführung der Vorgaben des FTC.
Wir gehen hier nicht weiter auf die üblichen Fehlinformationen ein, die wie sonst auch auf den Webseiten der Homöopathen zu finden sind, etwa dass es ausreichend Evidenz gäbe oder dass Homöopathika einer Prüfung unterlägen. Einfach aus Platzgründen.
Kommentar des INH
Im Prinzip haben VKHD und DZVhÄ sicher Recht: Die Situation in USA ist im Detail nicht direkt mit den Gegebenheiten in Deutschland vergleichbar – ist die Sache damit aber erledigt? Ganz sicher nicht.
Das Ziel der FTC ist es, für einen fairen Wettbewerb zu sorgen, was bei Arzneimitteln insbesondere beinhaltet, dass der Kunde nicht über die Natur dessen, was er erwirbt, getäuscht wird.
Richtig ist, dass hierzulande nicht die gleichen Methoden angewendet werden wie in den USA – aber werden die Konsumenten nicht ebenso über die Natur der Homöopathika getäuscht? Müssten in Deutschland nicht auch Maßnahmen ergriffen werden, die diese Irreführung verhindern? Diese sind vielleicht anders als in den USA – aber die Angabe, dass es keine Erklärungsmodelle oder Evidenz für eine Wirkungsweise gäbe, ist ganz sicher auch in Deutschland erforderlich – aber derzeit nirgendwo zu finden.
Hierzulande wird bei registrierten Homöopathika anders als in USA keine Indikation angegeben. Führt aber nicht schon allein die Angabe, bei dem verkauften Produkt handele es sich überhaupt um ein Arzneimittel, das zudem im Gegensatz zu den USA nur in einer Apotheke verkauft werden darf, wesentlich mehr in die Irre, als es eine Herstellerangabe auf einem Produkt im Supermarkt je könnte?
Auch wenn sie keine Indikationen angeben, haben die Hersteller in Deutschland doch genügend Wege gefunden, das Verbot der Werbung mit Indikationen für registrierte Homöopathika auszuhebeln. Alleine die Angabe, dass es sich um ein apothekenpflichtiges Arzneimittel handelt, wird beim Patienten die Frage hervorrufen, wofür oder wogegen dieses Mittel denn eingesetzt werden kann. Und bei der Suche nach einer Antwort sind die Hersteller sicher gerne behilflich. Da werden Ärzte, Apotheker, Heilpraktiker, Hebammen geschult:
Apotheken werben dann folgerichtig in ihren Auslagen mit den Angaben zu den Homöopathika, die die Hersteller nicht direkt nennen dürfen. Man sponsert einschlägige Vorträge von Apothekern, Ärzten, Heilpraktikern zur Anwendung von Homöopathie im Frühjahr, in der Grippezeit, im Alter, auf Reisen etc.:
Die Zahl der Ratgeber zur Selbstmedikation ist unübersehbar, gegliedert nach allen möglichen Anwendungsgebieten für Mensch, Tier und Pflanze. Im Internet werden einschlägige Webseiten durch geschaltete Werbeanzeigen gefördert:
Zusammenfassung
Die Angabe einer Indikation braucht hier gar nicht auf dem Beipackzettel zu stehen, dieses “Wissen” ist weit verbreitet und in jeder Darreichungsform frei verfügbar – und wird von den Herstellern nach Kräften gemehrt. Alles dies wird durch die Angabe ‘Homöopathisches Arzneimittel – Apothekenpflichtig’ – obwohl doch nur Zucker – dem Kunden als wahr und berechtigt dargestellt.
Die Vorgaben in Deutschland sind nicht schärfer als in USA, ganz im Gegenteil, die Irreführung des Verbrauchers ist hierzulande wesentlich stärker als es in den USA je der Fall war, wenn man das Gesamtsystem betrachtet. Dort war es eine reine Herstellerangabe, wofür ein Homöopathikum einsetzbar ist, und zumindest skeptische Verbraucher werden solchen Angaben im Werbeland USA genauso misstrauisch gegenübergestanden haben wie den Anpreisungen anderer Produkte auch, die schlank, ewig jung, schön und natürlich auch gesund machen sollen.
In Deutschland haben wir die Situation, dass das Arzneimittelrecht der Quacksalberei der Homöopathie Vorschub leistet, indem es das fördert, was ein Mittel als wirksame Medizin erscheinen lässt – die Apothekenpflicht -, aber gleichzeitig darauf verzichtet das einzufordern, was ein Mittel überhaupt zu einem Arzneimittel macht, nämlich eine nachweisbare Wirksamkeit. Dass Universitäten, Ärztekammern und Krankenkassen durch ihren Umgang mit der Homöopathie zusätzlich diesen Eindruck stärken, hat noch ein wesentlich größeres Täuschungspotenzial als die Herstellerangaben in USA das je gehabt hätten.
In Deutschland müssen folgerichtig sogar weitergehende Forderungen gestellt werden, um die Täuschung des Verbrauchers aufzuheben:
- Kennzeichnung der Packungen mit dem Klarnamen des Mittels
- Angabe der Menge der Inhaltsstoffe in einer absoluten Masseeinheit
- Warnhinweis, dass die Wirksamkeit des Mittels nicht nachgewiesen ist und eine Wirksamkeit den Erkenntnissen der Naturwissenschaften widersprechen würde
- Gleichlautende Warnhinweise in der Ratgeberliteratur und in einschlägigen Seiten im Internet sowie bei Vortragsveranstaltungen
- Entfall des Verzichts auf einen Wirkungsnachweis für Homöopathika im Arzneimittelrecht
- Wegfall der Apothekenpflicht für homöopathische Präparate, für die kein Wirkungsnachweis nach anerkannten wissenschaftlichen Maßstäben vorliegt
- Entfall der Zusatzbezeichnung ‘Homöopathie’ und entsprechender Fortbildungsangebote für Ärzte
- Entfall der Kostenerstattung für homöopathische Therapien im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung
- Entfall der Veranstaltungen zur Homöopathie in der Approbationsordnung und in den Curricula der Universitäten
Erst wenn diese Punkte umgesetzt sind, werden wir eine Situation haben, wie sie in den USA jetzt durch die Umsetzungen der FTC-Forderungen erreicht werden soll
Autor: Dr. Norbert Aust
Nachtrag, 07.07.2019
Die Umsetzung der Forderungen der FTC gestaltet sich in den USA schleppend, um es vorsichtig auszudrücken. Anders als Beschlüsse der Food and Drug Administration (FDA), der Arzneimittelbehörde, haben die Veröffentichungen der FTC keine unmittelbare Rechtsverbindlichkeit. Wie nicht anders zu erwarten, führt dies zu einer weitgehenden Ignoranz bei den meisten Herstellern.
Die FDA bestätigt jedoch, dass sie eine Basisregulation mit Rechtskraft für Homöopathika und verwandte Mittel vorbereitet, die die Forderungen der FTC wahrscheinlich einbeziehen wird. Wir werden zu gegebener Zeit berichten.
Bilder: Screenshots, Foto: Wikipedia Commons Bhavesh Chauhan
Eine Antwort auf „Zu den Entwicklungen in den USA und den Forderungen der FTC“
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