Die Homöopathie ist nicht die richtige Antwort auf berechtigte Fragen und Wünsche von Patienten
Nach einer Alternative zu unserem oft so zeitknappen, oft emphatielosen medizinischen Alltag sehnen sich – zu Recht! – viele Patienten. Wer möchte sich schon gerne als Nummer behandelt fühlen oder mit seinen persönlichen Sorgen in Bezug auf eine medizinische Diagnose alleine gelassen werden? Und wer sucht nicht nach einem guten Weg, nicht bei jeder Bagatelle zum Arzt laufen zu müssen, um dort womöglich erst mal im Wartezimmer die Viren der Saison aufzuschnappen? Wer möchte nicht gerne bei sich und seinen Kindern Nebenwirkungen vermeiden? Wer würde nicht zu sanften, natürlichen Mitteln greifen wollen, wenn er damit seine Gesundheit erhalten kann und vielleicht sogar einer Krankheit vorbeugt? Alle diese Punkte (und es gibt bestimmt noch eine ganze Reihe weiterer) sind absolut verständlich, nachvollziehbar und menschlich. Alle diese Fragen suchen nach einer Antwort.
Doch die Homöopathie ist nicht die richtige Antwort. Zwar suggeriert die Homöopathie seit vielen Jahren, dass sie diese Fragen beantworten kann. In jeder Werbung finden die Worte “sanft, natürlich, nebenwirkungsfrei” ihren Platz. In jeder Selbstbeschreibung erzählt der Homöopath, dass er “die Wurzel” einer Erkrankung angehen kann, dass er die Selbstheilungskraft des Körpers aktiviert, dass seine Mittel genau auf den Patienten und seine individuelle Geschichte zugeschnitten sind. Ein Traum. Ja, aber eben genau das. Es ist nämlich einfach nicht wahr.
Das Beste, was die Homöopathie zu bieten hat, ist die Zeit. Während ein Patient beim Homöopathen zu Gast ist oder seine Symptome wieder und wieder selbst repertorisiert, heilt sein Körper sich selbst. Das ist aber nun auch wieder fatal, denn beim Patienten und auch beim Homöopathen etabliert sich der Glaube, es habe an der Homöopathie gelegen, dass die Beschwerden besser wurden. Die Alternativbehandlung scheint gelungen. Scheint.
Die Homöopathie verspricht mehr, als sie halten kann
Denn wir wissen heute sehr genau, dass gar keine wirkliche Behandlung stattgefunden hat, es ist einfach Zeit vergangen. Möglicherweise haben die warme Atmosphäre und die Mystik, die die Homöopathie umwabert, noch ein Fitzelchen dazu beigetragen, dass es dem Patienten besser geht. Oder auch die Möglichkeit, selbst Handhabe über seine Erkrankung zu haben oder über die der eigenen Kinder. Aber wir wissen ganz genau, dass es nicht die kausale Wirkung der Globuli war. Das Nichts kann nichts bewirken. Wir wissen auch, dass der Glaube daran, dass einem geholfen werden würde, einiges bewirkt. Das aber tritt bei jeder Therapie auf, dazu brauchen wir keine “alternative” Behandlungsmethode.
Aber warum lassen wir es mit dieser Erkenntnis nicht einfach gut sein? Warum wollen wir in unserem Informationsnetzwerk Homöopathie den Begriff “Pseudomedizin” prägen?
Weil es die Homöopathie damit nicht genug sein lässt. Sie sagt ja nicht etwa: Wir leben von dem Glauben und dem Vertrauen, die uns die Patienten schenken, wir leben von der vergangenen Zeit und anderen kleineren Faktoren, die der Psychologie zuzuordnen sind. Sie behauptet Dinge, die grottenfalsch sind:
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- dass Stoffe in Abwesenheit eine Wirkung entfalten könnten,
- dass Nanopartikel oder Quantenphysik das erklären würden,
- dass Schütteln Energie von Stoffen auf Wasser übertragen könne und von da aus wieder auf Globuli,
- dass die Wirkung in den Globuli immer noch vorhanden sei, wenn das Wasser verdunstet,
- dass es nicht die Gespräche seien, die helfen, sondern tatsächlich die Wirkung der Globuli-Energie,
- dass es eine Wirkung der Globuli über Placeboniveau hinaus gäbe,
- dass es Studien gäbe, die das eindeutig und unzweifelhaft zeigten,
- dass sie – im Gegensatz zur Wissenschaft, die immer nur herumzweifle – dies alles belegen könnten (weil man es ja erfahren könne).
Es gibt und braucht keine Alternative zu wirksamer Medizin
Hier wird ein völlig falscher Eindruck erweckt. Und es wird versucht, der Homöopathie einen seriösen, medizinischen Anstrich zu geben. Einen wissenschaftlich belegten Eindruck zu hinterlassen. Doch wir wissen längst, dass die Homöopathie nicht Teil der Medizin, als Teil der Wissenschaft, sein kann. Und dass sie sicher auch keine Alternative dazu ist (was soll “eine Alternative” zu nachgewiesen wirksamer Medizin überhaupt sein?). Es gibt und braucht keine Alternative zu wirksamer Medizin. Kann eine Methode ihre Wirksamkeit belegen, so wird sie in die Medizin aufgenommen und innerhalb derselben angewendet. Die Homöopathie hat es in ca. 200 Jahren nicht geschafft, ihre Wirksamkeit zu belegen. Sie stützt sich stattdessen auf scheinwissenschaftliche Assoziationen und eine große Beliebtheit in der Bevölkerung. Die Beliebtheit resultiert aber eben nicht aus der tatsächlichen Wirksamkeit der Homöopathie, sondern vielmehr aus den Verheißungen, denen man als verzweifelter, hilfesuchender Patienten so gerne Glauben schenken möchte. Die Begriffe Alternativmedizin, Komplementärmedizin oder Integrativmedizin suggerieren, dass hier mehr Hilfe möglich ist, als mit wirksamer Medizin. Wie aber sollte das möglich sein?
Pseudomedizin hilft Patienten nicht
Weil dieses Missverhältnis zwischen Anpreisung und Einlösen des Heilsversprechens aber noch kaum bekannt ist, möchten wir mit dem krasseren Begriff “Pseudomedizin” deutlich machen, dass die Homöopathie keine “Alternative” ist. Wir möchten Patienten klarmachen, dass sie bei der Homöopathie nicht das bekommen, wonach es sich erst mal anfühlt und als das es gut vermarktet wird. Im schlimmsten Fall unterbleiben wirklich sinnvolle Alternativen. Auch wenn diese manchmal nur aus Abwarten und Tee-Trinken und einem schönen Buch bestehen. Manchmal kann es auch ein Gespräch mit der besten Freundin sein oder eine professionelle Unterstützung durch eine Psychologin. Manchmal ist es auch ein anderer Arzt, bei dem die Chemie besser stimmt – sprichwörtlich und medikamentös. Das wissen sogar die Kassen – und ermöglichen heute einen problemlosen Arztwechsel.
(Autor: Dr. med. Natalie Grams)
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Foto: Wikipedia Commons Strobridge Litho. Co., Cincinnati & New York
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