Viele Menschen haben ein Grundmisstrauen gegen „wissenschaftliche Studien“ verinnerlicht. Sie denken, dass Studienergebnisse wertlos seien, weil sie allein von der Interessenlage dessen abhängen würden, der die Studie durchgeführt und / oder finanziert habe. Die wenigsten Menschen haben jedoch eine Vorstellung von den vielen und raffinierten Instrumenten, Kriterien und Abläufen in der Wissenschaft – und damit auch der Medizin -, nach denen beurteilt wird, was gute und was schlechte Studien sind, wo Fehlerquellen liegen können oder auch tatsächliche Fehler auftreten oder Studien nur eine „self fulfilling prophecy“ bestätigen.
Medikamentenzulassung auf wissenschaftlicher Grundlage
Die Aussage „Wir wissen, dass Medikament XY wirkt“ ist gleichbedeutend mit der Aussage „Es liegen wissenschaftliche Studien vor, die einen Effekt (über Placebo-Niveau) zeigen“. Die Wissenschaft ist eine Methode, mit der sich solche Aussagen belegen lassen und das Mittel zum Zweck sind Studien.
Bevor ein normales Arzneimittel für die Anwendung am Patienten zugelassen wird, unterzieht man es als erstes in prä-klinischen Studien „theoretischen“ Untersuchungen, um herauszufinden, ob es vernünftige Grundannahmen für eine mögliche Wirksamkeit des geplanten Medikamentes gibt. Es wird also zunächst sozusagen auf „Plausibilität“ nach chemischen und physiologischen Kriterien untersucht. Einerseits hat das wirtschaftliche Gründe (Vermeidung von Fehlinvestitionen), andererseits wiegt aber auch der ethische Aspekt hier schwer. Denn die Ethikgrundsätze in der Medizin fordern, dass keine Menschen in klinischen Studien unüberlegten „Schnellschüssen“ ausgesetzt werden dürfen, nach der „Try-and-error-Methode“ sozusagen.
Dann erst folgen die praktischen klinischen Studien. In einem ersten Schritt muss herausgefunden werden, wie der zu untersuchende Arzneistoff auf den Körper einwirkt (Pharmakodynamik) und wie er sich im Körper verteilt und dann verstoffwechselt wird (Pharmakokinetik). Dabei geht es bereits um Nebenwirkungen und vor allem um die richtige Dosierung. Hat man dazu Ergebnisse, muss zweifelsfrei bestätigt werden, dass der Zusammenhang zwischen der Gabe des Medikaments und der therapeutischen Veränderung signifikant, also nicht etwa rein zufällig ist. Dazu wird es meist mit einem Placebo oder einem anderen bereits etablierten Medikament (der jeweiligen „Standardbehandlung“) verglichen. Erst dann darf ein Medikament zugelassen und eingesetzt werden, wobei weiterhin „im freien Feld“ beobachtet wird, ob und welche Nebenwirkungen in der Anwendung bei großen Patientenzahlen auftreten. Nur in ca. 8% der Fälle (Quelle: FDA 2004) schafft ein Arzneimittel diesen Prozess und darf angewendet werden.
Soweit zum Standard-Vorgehen innerhalb der Medizin. Es ist ein hochkomplexes und aufwändiges Verfahren, ein Medikament zuzulassen. Dabei ist Studie nicht gleich Studie. Es gibt ganz verschiedene Sorten und nicht alle lassen die gleichen Aussagen zu. Doch alle können auch Fehler haben. Zum Glück weiß man in der Medizin meist, welche das sein können. Einen guten Wegweiser durch den Studiendschungel finden Sie hier.
Und wie läuft es bei der Homöopathie?
Homöopathen berichten von „unzähligen“ Studien, die eine Überlegenheit der Homöopathie über Placebo zuverlässig nachweisen sollen. Wie ist das nun einzuordnen?
„Erfolgreiche“ homöopathische Studien hangeln sich üblicherweise am Rande der Signifikanz (wissenschaftlich bedeutet dies: am Rande der erwartbaren Zufallsergebnisse) entlang. Ihre Validität ist stark vom Ausmaß ihrer methodisch-systemischen Mängel im Studiendesign abhängig, vor allem aber von den statistischen Eigenheiten des untersuchten Sachverhalts. Weiterhin zeigen sie oft nur (manchmal nicht so leicht erkennbare) statistische Artefakte, also banale, nicht reproduzierbare Zufallsergebnisse, beruhen auf mehr oder weniger geschickten Datenmanipulationen oder sind einfach nur insgesamt methodisch schlecht.
Bei pharmazeutischen Zulassungsverfahren wachen neben der Wissenschaftsgemeinde selbst interne Kontrollinstitutionen der evidenzbasierten Medizin sowie viele andere öffentliche und private Einrichtungen über die Integrität vorgelegter Studienergebnisse, sie monieren (auch dort) vorkommendes Fehlverhalten und machen dies teilweise auch öffentlich. In der Welt der Homöopathie sucht man solche Kontrollinstanzen, die die Wirksamkeit homöopathischer Arzneien streng nach den Regeln der evidenzbasierten Medizin hinterfragen, vergeblich. Das macht es der homöopathischen Szene leicht, eine bestimmte Sichtweise auf die „Studienlage“ zu verbreiten, dabei negative Ergebnisse auszublenden und – scheinbar – positive meist auch noch überzuinterpretieren. Von einer gegenseitigen kritischen Kontrolle innerhalb der homöopathischen Forschergemeinschaft kann auch keine Rede sein.
Die manchmal nicht ganz einfache Aufgabe der Homöopathiekritik besteht nun darin, nach Fehlern – im Studiendesign, in der Datenauswertung, in der Interpretation (oder in allem gleichzeitig) – zu suchen, oder, im schlimmsten Fall, bewusste Datenmanipulation nachzuweisen. Dass nämlich diese Fehler da sind, daran besteht kein Zweifel, denn bisher hat jede erfolgreiche homöopathische Studie sich als in irgendeiner Art als fehlerhaft und unhaltbar erwiesen. Warum Homöopathen dennoch diese Fehler nicht sehen (wollen), ist uns unverständlich, sie reklamieren immerhin ständig „Wissenschaftlichkeit“ für ihre Methode. Kennen sie sich nur nicht aus mit Studieninterpretation? Hängen sie so sehr an ihrer Methode, dass sie blind sind für die fehlenden oder fehlerbehafteten Nachweise? Wie können sie ohne schlechtes Gewissen ihren Patienten und Anhängern Falsches erzählen?
Es gibt eine ganze Reihe von systematischen Reviews und Metaanalysen zur Homöopathie, also Arbeiten, die einzelne Studien systematisch zusammenfassen und gemeinsam auswerten. Diese Arbeiten kommen durch die Systematisierung von Einzelergebnissen – und deren kritische Vorbetrachtung auf Validität – zu Resultaten, die zwangsläufig viel valider sind als die von Einzelstudien. Deshalb kommt diesen Reviews / Metaanalysen auch der höchste „Evidenzgrad“ zu, sozusagen der höchste Grad von wissenschaftlicher Relevanz. Von den seit 1991 durchgeführten elf großen Reviews kommt kein einziges (!) zu einem belastbaren Nachweis einer Überlegenheit über Placebo bei irgendeiner homöopathischen Behandlung. Auch die Reviews von homöopathischen Forschern nicht. Es gibt kaum eine größere Diskrepanz zwischen diesen Ergebnissen und den Versprechen der Homöopathen, es handele sich bei der Homöopathie um eine medizinisch wirksame Methode mit großem praktischem Nutzen („klinische Relevanz“) für den Patienten. Denn was keine Überlegenheit über Placebo hinaus (Placebo ist überall) nachweisen kann, kann nicht beanspruchen, als „Medizin“ anerkannt zu werden.
Generell gilt für die Forschung: Einzelne positive Studien oder Ergebnisse (noch dazu von Forschungsgruppen, die ein großes Interesse an positiven Ergebnissen haben, also nicht unabhängig sind) haben für sich keine Relevanz als Wirksamkeitsbelege. Wichtig und entscheidend ist, dass sich Ergebnisse unabhängig wiederholen („reproduzieren“) lassen und dass sie in einer Häufigkeit vorkommen, die Zufallsergebnisse ausschließt.
All das wird in der Wissenschaft – und in der Medizin mit ihrer hohen Relevanz für das menschliche Wohlergehen erst recht – täglich kritisch fokussiert. Wissenschaft ist ständige Kritik und Selbstkritik, das gehört zu ihrem Wesen.
Nach dem, was wir hier gelesen haben:
Wer redet höchst ungern über negative Studienergebnisse, beschönigt durch euphemistische Darstellungen selektiv ausgewählter Studienergebnisse die belegte Tatsache, dass Homöopathika eben nur Placebos sind , „lebt“ vom Alpha-Fehler oder leugnet glattweg, dass die Homöopathie es in 200 Jahren nicht geschafft hat, eine Placeboüberlegenheit sauber zu belegen? Richtig, die Homöopathen.
Wer kritisiert gleichzeitig mit großer Attitüde, dass es Fehler in Studien der Wissenschaftsmedizin gibt? Richtig, ebenfalls die Homöopathen. Aber Fehler sucht und kritisiert sie nicht etwa bei sich selbst – sondern all das hält sie immer wieder der von ihr so diffamierten „Schulmedizin“ vor. Whataboutism nennt man das, auch das „Haltet den Dieb“-Prinzip. Das ändert nichts an der Studienlage zur Homöopathie. In der wissenschaftlichen Medizin gibt es strengste Mechanismen und Methoden, um die Integrität von Studienergebnissen zu sichern, um Fehler zu vermeiden und zu bereinigen. In der Homöopathie gibt es all das nicht. Und warum gibt es so etwas nicht? Weil der Gesetzgeber – ein Unding – die Homöopathie im Arzneimittelgesetz vom Wirkungsnachweis auf der Grundlage von Studien nach anerkannten wissenschaftlichen Methoden Studien freigestellt hat …