FAQ 16 – Homöopathie arbeitet mit feinstofflicher Schwingung / Energie / Information!

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„Homöopathie arbeitet mit Energie- oder Informationsübertragung und wirkt über elektromagnetische Schwingungen“.

Das klingt auf Anhieb plausibel, aber ohne konkretere Information bleibt viel Spielraum für eine eigene Interpretation.

Schauen wir genauer hin: Bei der Potenzierung wird Wasser (oder Alkohol) mit der gewünschten Heilsubstanz versetzt und verschüttelt (= Urtinktur). Durch den Schüttelvorgang soll das Gemisch – in den Worten Hahnemanns – „dynamisiert“ werden. Dabei stellte er sich vor, dass etwas Wesenhaftes von der Ursprungssubstanz auf das Lösungsmittel übergehen würde. Und er behauptete, je öfter man die Urtinktur weiter verdünne und den speziellen Schüttelvorgang durchführe, umso mehr würde das Materielle abnehmen und das „Geistartige“ zunehmen. Die erste seiner Aussagen stimmt, die zweite ist den Beleg bis heute schuldig geblieben.

Es gibt sehr viele gute Gründe, die dagegen sprechen, dass eine solche „Energieübertragung“ stattfinden kann:

    1. Das ganze Konzept der Informationsübertragung und -speicherung setzt voraus, dass eine dauerhafte, von außen aber nicht sofort sichtbare „Strukturveränderung“ in das Wasser eingebracht werden kann. Wir kennen Informationsträger wie Papier, magnetisierbare Festplatten oder CDs mit mikroskopisch kleinen, mit Hilfe eines Laserstrahls auslesbaren Vertiefungen. Wie aber könnte eine passende Strukturveränderung des Wassers im Detail aussehen, welche Freiheitsgrade kommen dafür in Frage? Eine elektromagnetische Anregung der Wassermoleküle ist zwar physikalisch möglich, aber – zumal in einer dichten wässrigen Umgebung und bei Raumtemperatur – nicht stabil. Nach sehr kurzer Zeit kehren die Moleküle zurück in ihren Grundzustand. Ohnehin ist fraglich, wie durch einfaches Schütteln genügend Energie für eine elektronische Anregung aufgebracht werden kann, denn für eine elektronische Anregung ist pro Molekül eine sehr hohe Anregungsenergie (z.B. durch UV-Licht) erforderlich.
    2. Für die Anregung von Molekülschwingungen ist deutlich weniger Energie erforderlich als für die Anregung elektronischer Übergänge. Doch zwischen den Wassermolekülen findet ein reger Austausch statt, u.a. von Schwingungsenergie, weshalb jede Abweichung vom thermischen Gleichgewicht innerhalb kürzester Zeit korrigiert wird. Das Zuführen von „Schüttelenergie“ mag zwar kurzfristig Energie in das Wasser bzw. die wässrige Lösung bringen, wobei die kinetische Energie der so erzeugten turbulenten Strömung aber sehr schnell in Wärme dissipiert – die großen Wirbel zerfallen schnell in kleinere, die wiederum in die allgegenwärtige Molekularbewegung übergehen. Das Schütteln führt also (umgangssprachlich) zu mehr Unordnung und nicht zu einer Strukturierung oder einer gerichteten Übertragung von Energie von der Urtinktur auf das Wasser. Es bleibt also beim Potenzieren – bis auf einen beim Schütteln kaum vermeidbaren, durchaus signifikanten Eintrag von Luft ins Wasser –, allein bei einer immer weiteren Verdünnung.
    3. Auf molekularer Ebene zeichnen sich Flüssigkeiten ebenso durch ständigen Wandel aus wie durch das Fehlen einer langreichweitigen Ordnung oder Regelmäßigkeit. Nicht umsonst bestehen sämtliche Materialien, die zur Speicherung von Information verwendet werden, aus Materie im festen Aggregatzustand. Zwar bilden sich innerhalb von flüssigem Wasser ständig kleine „Gebiete“ fluktuierender Dichte, die über Wasserstoffbrücken zusammengehalten werden, da aber die Lebensdauer einer Wasserstoffbrücke bei Raumtemperatur in der Größenordnung von einer Pikosekunde liegt (0,000 000 000 001 sek, die Zeit, in der Licht etwa 0,3 mm zurücklegt), ist keine dieser Strukturen von Dauer. Etwas stabilere Anordnungen aus Wassermolekülen finden sich um Fremdkörper – z.B. ordnen sich die Wassermoleküle so an, dass sie das elektrische Feld von gelösten Ionen effektiv abschirmen – doch auch diese Gebilde sind sehr kurzlebig und die daran „teilnehmenden“ Moleküle wechseln ständig. Aufgrund der sehr kurzen Austauschzeit der Moleküle dieser Strukturen ist gerade deshalb ausgeschlossen, dass sie erhalten bleiben, weil die Fremdkörper, die sie hervorrufen, durch aufeinanderfolgende Verdünnungsschritte erst in ihrer Konzentration abnehmen und schlussendlich vollkommen verschwinden.
    4. Nebenbei sei noch angemerkt, dass auch Wassermoleküle an sich nicht beliebig stabil sind – die Autoprotolyse des Wassers sorgt dafür, dass ein beliebiges Wassermolekül bei Raumtemperatur etwa einmal alle 10 Stunden in ein Proton und ein OH-Ion dissoziiert. Wesentlich schneller, nämlich innerhalb von Millisekunden, tauschen benachbarte Wassermoleküle ihre Wasserstoffatome untereinander aus.
    5. Für das „Gedächtnis des Wassers“, das als Erklärung der Homöopathie gerne angeführt wird, konnte bisher weder ein funktionierendes theoretisches Modell vorgelegt noch ein überzeugender experimenteller Beleg gefunden werden. Im Gegenteil, es bestehen große Zweifel an dieser Theorie, und die durchgeführten Experimente, die die Idee stützen sollten, konnten allesamt nicht reproduziert (wiederholt) werden.
    6. Ebenso bestehen mehr als Zweifel an Erklärungsversuchen mit der Quantentheorie, die ebenfalls gerne bemüht wird. Generell lieben Homöopathen zwar ihre persönliche Vorstellung der Quantenmechanik, weil sie scheinbar zwei zentrale (esoterische) Grundannahmen bestätigt, nämlich den Vorrang des „Geistes“ gegenüber der Materie und die Verbundenheit aller Dinge. Richtig verstandene Quantenmechanik sagt aber nichts dergleichen aus. Es ist zwar unbestritten, dass quantenmechanische Einheiten wie z.B. einzelne Elektronen – gemessen an unserer Alltagserfahrung – sich mitunter reichlich bizarr verhalten. Das bedeutet aber im Umkehrschluss nicht, dass jede beliebige bizarre Annahme zutrifft oder mittels Quantenmechanik erklärt werden kann. In Bezug auf die von Hahnemann angenommene „Energieübertragung“ bei der Potenzierung hilft die Quantentheorie (und auch die verallgemeinerte oder schwache Quantentheorie der Homöopathen) nicht weiter.

Letztendlich sind die von Homöopathen an dieser Stelle gern genannten „elektromagnetischen Schwingungen“ so vielfältig und omnipräsent, dass eine Aussage wie „X funktioniert mit elektromagnetischen Schwingungen“ so richtig und gleichzeitig so nichtssagend ist wie die Feststellung, ein Material „bestehe aus Atomen oder Molekülen“. Der Bitte von kritischen Wissenschaftlern um mehr Präzision an dieser Stelle kommen Homöopathen jedoch nicht nach. Es bleibt bei einem „gefühlten“ Wissen, das gerne mit physikalischen Worten gespickt wird, und den Anschein von großer Tiefe erweckt. Dahinter ist jedoch Leere.

So bleibt uns festzuhalten, dass Hahnemanns Gedanken vor 200 Jahren zwar als Gedankenmodell plausibel gewesen sein mögen, gegen den heutigen Stand der Wissenschaft aber nicht mehr haltbar sind. Wir haben zu viel Wissen über das Verhalten von Atomen, Molekülen, Energie und Schwingung, das zu Hahnemanns Zeiten noch nicht bekannt oder gar etabliert war. Es ist nicht zu erwarten, dass sich durch zukünftige Forschung daran etwas Entscheidendes ändert – zumal die Studien zur Wirkung der Homöopathie selbst, ganz unabhängig vom angenommenen Wirkmechanismus, nicht darauf hindeuten, dass überhaupt spezifische Vorteile jenseits gut ausgenutzter Placebo-Effekte vorhanden sind.


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