Ärztliche Homöopathie und Patientensicherheit – Prüfstein Homöopathiekongress

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Der Deutsche Zentralverein homöopathischer Ärzte (DZVhÄ) stellt seine Mitglieder in der Öffentlichkeit als Garanten einer guten medizinischen Versorgung dar. Das ist unter anderem notwendig, um der Kritik zu begegnen, der Einsatz von Homöopathie verzögere unter Umständen eine zeitgerechte medizinische Behandlung schwerer Erkrankungen. Auch von der Politik wird die Stellung des DZVhÄ für die Patientensicherheit im Rahmen homöopathischer Behandlungen betont. So beispielsweise durch die damalige Staatssekretärin im Gesundheitsminsterium Annette Widmann-Mauz  im Rahmen des Internationalen Homöopathiekongresses 2017 in Leipzig (LMHI), der vom DZVhÄ ausgerichtet wurde.

Bereits die Vorträge auf dem LMHI waren Beleg dafür, dass der DZVhÄ seiner Rolle nicht nur nicht gerecht wird, sondern eine Gefahr für Patienten sein kann. So wurde neben homöopathischen Behandlungsoptionen bei Krebs, HIV und akutem Abdomen dort auch die homöopathische Behandlung von Autismus vorgestellt.

Auf dem diesjährigen (2019) nationalen Kongress des DZVhÄ in Stralsund wurde erneut deutlich, dass PatientInnen von Mitgliedern dieses Vereins die Einlösung des Anspruchs auf Patientensicherheit nicht erwarten können.  Ein Kinder- und Jugendpsychiater hielt dort einen Vortrag und ein Seminar, deren Ankündigung bereits deutlich machten, dass der Vortragende sich um wissenschaftliche Belege nicht kümmert oder nicht um sie weiß.

In der Ankündigung des Vortrages „ADHS, Autismus und Co. – Was ist was? – Diagnosen aus Sicht der Kinderpsychiatrie und der Homöopathie“ war unter anderem zu lesen:

„Was der Kinderpsychiater Autismus nennt, mag vom homöopathischen Arzt als Impfschadensyndrom (…) bezeichnet werden.“

Im Seminar „Aus der Praxis des Kinderpsychiaters“ soll es um verschiedene homöopathische Therapieansätze gehen. Unter anderem wird hier die „CEASE Therapie und Inspiring Homeopathy (T. Smits)“ genannt.

Eine kausale Verbindung von Autismus und Impfungen wurde zwar bereits in den 1980er Jahren vermutet, spätestens zu Beginn der 2000er Jahre war jedoch klar, dass dieser kausale Zusammenhang nicht besteht. Seitdem ist weitere Evidenz hinzugekommen, die wieder und wieder belegt, dass es keinen kausalen Zusammenhang zwischen Impfungen und Autismus gibt.

Ungeachtet dessen wird auf dem Kongress der Ärzteorganisation, die sich der Homöopathie verschrieben hat, im Jahr 2019 weiterhin ein Zusammenhang zwischen Impfungen und Autismus behauptet. Die WHO hat Impfmüdigkeit zu einer der 10 größten Gesundheitsgefahren festgemacht. Wie passen längst widerlegte Aussagen, die ohnehin schon einen großen Teil dieses Problems in der Vergangenheit verursacht haben und geeignet sind, dieses weiter verschärfen, zu einer Organisation, die sich nach eigenem wiederholten Bekunden Patientensicherheit und Evidenzbasierte Medizin auf die Fahnen geschrieben hat und damit die Führerschaft der ärztlichen Homöopathie begründet?

Dieser Vortrag sowie das Seminarkonzept müssen durch viele Hände gewandert sein, bis sie im offiziellen Programm gelandet sind. Offenbar ist keiner der Personen, die an dem Programm beteiligt waren, aufgefallen, dass es sich bei diesen Aussagen um Unsinn handelt. Wie steht es um die wissenschaftliche Ausbildung der Mitglieder eines Vereins, der so etwas verantwortet?

Nicht anders als mit der Autismus-Legende verhält es sich mit der sogenannten CEASE-Therapie. Dahinter verbirgt sich noch viel mehr als eine wirkungslose homöopathische Behandlung von Menschen mit Autismusspektrumsstörung (ASS).

Der niederländische Arzt Tinus Smits hatte, neben der Nutzung von Nasenspray in der Schwangerschaft, dem Aufwärmen von Milch in der Mikrowelle, Narkose unter der Geburt und anderem, auch Impfungen als angebliche Ursache von Autismus ausgemacht. Auch hier wird der widerlegte Zusammenhang von Impfungen und Autismus wiederholt.

Smits behauptete auch, mit seiner Methode den konkreten individuellen Auslöser von ASS diagnostizieren zu können und dann eine homöopathische „Entgiftung“ vorzunehmen. Darüber hinaus gibt er vor, mit seiner Methode ASS vollständig „heilen“ zu können. Abgesehen vom Wecken unrealistischer Erwartungen bei den Betroffenen sind auch die Schuldzuweisungen an die Mütter nicht zu vernachlässigen, denen suggeriert wird, durch ein „Fehlverhalten“ ((z. B. Nasentropfen in der Schwangerschaft) für die Erkrankung ihres Kindes (mit-)verantwortlich zu sein. So stellt sich die CEASE-Therapie als ein weiteres beklagenswertes Beispiel dafür dar, wie mit nicht evidenzbasierten, jeglicher Plausibilität entbehrenden Methoden Grundsätze der medizinischen Ethik verletzt werden.

Auch hier scheint sich von den Kongressverantwortlichen des DZVhÄ niemand die zentralen Behauptungen Smits angeschaut zu haben. Dabei dürften einige davon selbst von klassischen HomöopathInnen kritisch gesehen werden, da sie stark von Hahnemanns Lehre abweichen. Ein weiteres Mal bestätigt sich, dass eine Qualitätskontrolle durch den DZVhÄ nicht stattfindet und intern weder homöopathische noch evidenzbasierte Kriterien überprüft werden.

Der DZVhÄ war bisher nicht in der Lage, auf die Frage nach spezifischer Wirksamkeit der Homöopathie eine angemessene und intersubjektiv überprüfbare Antwort zu geben. Aus Sicht der Politik sowie der Öffentlichkeit würde es sich also im schlechtesten Fall um eine gut bezahlte Behandlung mit Placebos handeln. Leider zeigt sich wieder und wieder, dass sich im DZVhÄ neben den Ansichten zur Homöopathie weitere wissenschaftlich widerlegte Ansichten halten, die zur Gefahr für PatientInnen werden.

Auch die Krankenkassen, die mit dem DZVhÄ direkte Verträge abschließen, sind hier in der Verantwortung. Sie setzen ihre Patienten der Gefahr aus, eine Behandlung zu erhalten, die nicht nur dem aktuellen medizinischen Erkenntnisstand widerspricht, sondern Schaden anrichten kann. Der DZVhÄ ist aus unserer Sicht kein Partner für einen verantwortungsvollen Umgang mit Patienten. Nach dem LMHI 2017 war der diesjährige Kongress ein weiterer Beleg dafür.


Zum Weiterlesen:

Autismus- Lüge:

New Meta-analysis Confirms: No Association between Vaccines and Autism – bei Autism Speaks

Lügengeschichten – widerlegt! – bei Susannchen braucht keine Globuli

CEASE-Therapie:

Artikel über Titus Smits und CEASE bei den niederländischen Skeptikern „Verenigung tegen de kwakzalverij“ (in niederländischer Sprache)

Seven things you might want to know about ‘CEASE’ therapy (as practised by homeopaths and naturopaths) – Artikel von Prof. Edzard Ernst (in englischer Sprache)


Bildnachweise
Bild von Gerd Altmann auf Pixabay
Webseite Deutscher Ärztekongress für Homöopathie 2019 (Screenshot)


Autor: Dr. med. Jan Oude-Aost

3 Antworten auf „Ärztliche Homöopathie und Patientensicherheit – Prüfstein Homöopathiekongress“

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