„Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer“
Es gibt doch zahlreiche positive Studien zur Homöopathie! Dieses Argument wird von Befürwortern der Homöopathie regelmäßig ins Feld geführt. Daraus wird dann der Schluss gezogen, dass die Wirksamkeit der Homöopathie bewiesen sei. Das Argument ist richtig, die Schlussfolgerung ist aber falsch und das aus mehreren Gründen.
Derzeit gibt es mehr als 400 klinische Studien zur Homöopathie. Unter der Annahme, dass Homöopathika reine Placebos sind, müssen bei gebräuchlichen Irrtumswahrscheinlichkeiten rund 20 Studien allein per Zufall positiv ausfallen. Diese Zahl könnte sich noch erheblich erhöhen, wenn man berücksichtigt, dass negative Studien häufig unpubliziert bleiben. Ein Phänomen, das in der Wissenschaft als „publication bias“ (Schubladeneffekt) bekannt und gut untersucht ist.
Aber das ist noch längst nicht alles. Wir wissen, dass methodisch schwache Studien eher ein positives Ergebnis erbringen als methodisch hochstehende Untersuchungen. Es liegt somit auf der Hand, dass die Positivstudien im Durchschnitt weniger verlässlich sind als die Untersuchungen, die die Wirksamkeit der Homöopathie nicht belegen. Hinzu kommt, dass viele der methodisch saubersten Homöopathie-Studien, z.B. die aus dem homöopathischen Krankenhaus in Glasgow, eigentlich nicht die Homöopathie, sondern die Isopathie überprüfen; d.h., sie basieren gar nicht auf dem für die Homöopathie essenziellen Ähnlichkeitsprinzip.
Schließlich ist zu betonen, dass man für eine wirklich verlässliche Beurteilung einer Therapie nicht nur einzelne Studien herausgreifen darf, sondern stets die Gesamtheit aller hochwertigen Studien, also systematische Reviews, berücksichtigen muss. Zusammenfassungen aller methodisch passablen Studien kommen in aller Regel zu dem Ergebnis, dass die Wirksamkeit der Homöopathie nicht bewiesen ist. Erst dies ist dann eine Aussage über die Gesamtevidenz eines Mittels oder einer Methode.
Eine (wenig verblüffende) Ausnahme bilden lediglich Reviews, die von Homöopathen auf der Basis selektierter Studien publiziert wurden. Eine dieser Publikationen aus dem Jahre 2014 kommt zu dem Schluss, dass Homöopathika marginal besser sind als Placebos. Aber selbst diese (von Homöopathie-Organisationen bezahlten) Autoren müssen einräumen, dass
„The low or unclear overall quality of the evidence prompts caution in interpreting the findings“
(Übersetzung: „Die schlechte oder unklare Qualität der Evidenz gebietet Vorsicht bei der Interpretation der Ergebnisse“).
Wie immer wir es drehen und wenden, die derzeitige Studienlage belegt keineswegs die Wirksamkeit der Homöopathie. Und es sollte zu denken geben, dass dies auch in über 200 Jahren nicht eindeutig gelungen ist. Homöopathen verdienen ihren Lebensunterhalt damit, das Gegenteil zu behaupten – vielleicht hat jeder das Recht auf seine eigene Meinung, aber sicher nicht auf seine eigenen Fakten!
(Autor: Edzard Ernst, Emeritus Professor, Uni Exeter, UK)
Lesen Sie hier mehr über Studien und hier mehr über übliche Argumente gegen klinische Studien zur Homöopathie.
Cartoon „Erzähl mir nix“: Nadja Hermann