Ein weiterer Widerspruch der Homöopathie.
Zu den Grundlagen abseits der Homöopathie
Wenn wir verdünnen, verändern wir, technisch gesehen, das Verhältnis von Substanzen in einem Gemisch, einer Lösung. Durch die Zugabe des Lösungsmittels sinkt die Konzentration der in der Lösung gelösten Stoffe.
Zuviel Salz => Wasser dazu => weniger Salz. Besser wäre wohl, zu sagen: mehr Wasser, deshalb geringere Salzkonzentration in der Gesamtmenge.
Das kann man mehrfach wiederholen. Anfangs wird man noch feststellen, dass die Lösung weniger salzig schmeckt. Irgendwann ist es aber damit vorbei: Die Konzentration sinkt so weit, dass unsere Sensoren nicht mehr ansprechen. Die Geschmacksschwelle von Kochsalz liegt bei etwa 10 mmol/Liter, also etwas weniger als ein Gramm Kochsalz/Liter. Das Phänomen bestätigt die obige Einschätzung, dass etwas in genügender (!) Menge vorhanden sein muss, damit etwas passiert.
Zurück zur Technik des Verdünnens. Es gibt zwei Wege, um die Stoffkonzentration zu vermindern. Den ersten habe ich schon angesprochen: Man erhöht einfach die Menge des Lösungsmittels, um eine geringere Konzentration, als die in der ursprünglichen Lösung zu erhalten. Das aber kann sehr schnell zu Mengenproblemen führen, wenn man sehr geringe Konzentrationen haben möchte. Wenn Sie beispielweise 1 Liter einer Ausgangslösung haben, in der 100 g eines Stoffes gelöst sind und Sie benötigen eine Stoffkonzentration von 0,1 g/Liter, dann brauchen Sie schon 1.000 Liter Lösungsmittel. Wollen Sie 0,01 g/Liter, wären es schon 10.000 Liter. Solche Mengen sind umständlich zu händeln, vor allem, wenn das Ganze im heimischen Labor stattfindet.
Einfacher geht es, wenn man der Ursprungslösung eine Teilmenge entnimmt und diese Teilmenge dann wieder mit reinem Lösungsmittel ergänzt. Dann von dieser Lösung wieder eine Teilmenge entnimmt, wieder ergänzt, wieder entnimmt, wieder ergänzt usw. Dann bleibt es, wie bei obigem Beispiel, bei 1 Liter Lösung (und einem zu entsorgenden Rest). So machen es auch die Homöopathen.
Um auf das oben genannte Rechenbeispiel zurückzukommen: Wenn wir der Ursprungslösung jeweils eine Teilmenge von 10 % entnehmen und das fehlende Volumen wieder ergänzen, kommen wir nach vier Wiederholungen auch zu der Konzentration von rund 0,01 g/Liter, haben aber deutlich weniger Lösungsmittel verbraucht. Aber wie man es auch technisch abwickelt, das Ergebnis bleibt letztlich gleich. Wenn man nun über die Prozedur ein wenig nachdenkt, stellt sich ziemlich sicher die spannende Frage, was wohl passiert, wenn man weiter und weiter verdünnt? Wie oft kann man eigentlich verdünnen? Gibt es vielleicht eine Grenze, bei der nichts mehr da ist, was man verdünnen könnte?
Kurze Anmerkung: Die Frage ist tatsächlich spannend, weil wir davon ausgehen müssen, dass der Gründervater der Homöopathie aller Wahrscheinlichkeit nach mit der Überzeugung lebte, dass Verdünnungen keine natürlichen Grenzen haben. Damit erklärt sich dann vieles. Um die Frage zu beantworten, müssen wir einen kurzen Ausflug in die Chemie und Physik wagen.
Die Avogadro-Konstante und die Homöopathie
Das im 19. und frühen 20. Jahrhundert sich stürmisch entwickelnde Wissen um die Natur und die Eigenschaften der Materie führte dazu, dass man deren atomistische Struktur zu erkennen begann. Im Rahmen dieser Erkenntnisse entstand auch die bedeutsame Einsicht, dass in einer bestimmten Stoffmenge immer nur eine bestimmte (also begrenzte) Teilchenzahl vorhanden ist. Und genau diese Erkenntnis wiederum führte zur Einführung einer eigens definierten physikalischen Größe, der Maßeinheit Mol. Diese besagt, dass in 1 Mol eine durch die Avogadro-Konstante bestimmte, immer gleiche Teilchenzahl vorhanden ist, nämlich (gerundet) 6,022 x 1023. Ein Mol eines Stoffes enthält also ca. 602 Trilliarden Teilchen dieses Stoffes. Die Zahl müssen wir uns merken.
Da die Einheit Mol sich auf die Teilchenmenge bezieht, Atome aber unterschiedlich viel wiegen, lässt sich anhand der Atommasse das Gewicht von einem Mol eines Stoffes ermitteln. Die Atom- oder Molekülmasse indet man im Periodensystem. Es ist die 1-3-stellige Dezimalzahl, meist mit zwei Nachkommastellen, die zu jedem Element angegeben ist.
Da der Umrechnungsfaktor von „u“ zu „g“ (Gramm) praktischerweise gleich 6,022 * 1.023 ist, entspricht die molare Masse in Gramm der Atommasse in „u“.
Wendet man die Formel an, lässt sich errechnen, dass z.B. 1 Mol Wasser 18 Gramm wiegt.
(Ein Wassermolekül besteht aus 2 Wasserstoff-Atomen mit der Atommasse 1, und einen Sauerstoff-Atom mit der Atommasse 16, also 1+1+16 = 18 = Atommasse „u“ = molare Masse in Gramm.)
Ein weiteres Beispiel: 1 Mol Kochsalz wiegt 58,5 g.
(Kochsalz besteht aus 1 Natrium-Atom mit der Atommasse ≈ 23, sowie einem Chlor-Atom mit der Atommasse ≈ 35,5, also 23 + 35,5 = 58,5 = Atommasse „u“ = molare Masse in Gramm.)
Kommen wir jetzt auf die Verdünnung zurück.
Lassen Sie uns aus Gründen der Praktikabilität davon ausgehen, dass unsere Urlösung eine 1-molare Kochsalz-Lösung ist. In 1 Liter Wasser sind demnach 58,5 Gramm Kochsalz vorhanden, oder, als Teilchen angegeben, 602.200.000.000.000.000.000.000 Atome Natrium und Chlor.
Lassen Sie uns weiter davon ausgehen, dass wir jeweils mit dem Faktor 10 verdünnen. D.h. wir können, ohne dass wir großartig rechnen müßten, bei jedem Verdünnungsschritt von der Zahl 602 200 000 000 000 000 000 000 die jeweils letzte Ziffer streichen.
Unsere Urlösung enthält 602.200.000.000.000.000.000.000 Teilchen
Die Teilchenzahl beträgt nach dem
1. Verdünnungsschritt = 602 200 000 000 000 000 000 00
2. Verdünnungsschritt = 602 200 000 000 000 000 000 0
3. Verdünnungsschritt = 602 200 000 000 000 000 000
4. Verdünnungsschritt = 602 200 000 000 000 000 00
5. Verdünnungsschritt = 602 200 000 000 000 000 0
6. Verdünnungsschritt = 602 200 000 000 000 000
7. Verdünnungsschritt = 602 200 000 000 000 00
8. Verdünnungsschritt = 602 200 000 000 000 0
9. Verdünnungsschritt = 602 200 000 000 000
10. Verdünnungsschritt = 602 200 000 000 00
11. Verdünnungsschritt = 602 200 000 000 0
12. Verdünnungsschritt = 602 200 000 000
13. Verdünnungsschritt = 602 200 000 00
14. Verdünnungsschritt = 602 200 000 0
15. Verdünnungsschritt = 602 200 000
16. Verdünnungsschritt = 602 200 00
17. Verdünnungsschritt = 602 200 0
18. Verdünnungsschritt = 602 200
19. Verdünnungsschritt = 602 20
20. Verdünnungsschritt = 602 2
21. Verdünnungsschritt = 602
22. Verdünnungsschritt = 60
23. Verdünnungsschritt = 6
Mit dem 24. Verdünnungsschritt erreichen wir eine Konzentration zwischen 0-6 Teilchen, je nachdem wie viele Teilchen wir erwischen. Möglicherweise entgeht das ein oder andere Teilchen noch der Verdünnung, genauso könnten aber zu diesem Zeitpunkt schon alle Teilchen verschwunden sein. Statistisch gesehen können wir aber davon ausgehen, dass die Lösung ab diesem Verdünnungsschritt „sauber“ ist, was letztlich bedeutet, dass wir, würden wir nun weiter verdünnen, nur noch Lösungsmittel mit Lösungsmittel „verdünnen“.
Was bedeutet das nun für die Homöopathie?
Homöopathen verdünnen (sie nennen es nur anders) üblicherweise mit dem Faktor 10 bei den D-Potenzen und dem Faktor 100 bei den C-Potenzen, wobei es auch noch größere Verdünnungsfaktoren gibt, die aber eine eher untergeordnete Bedeutung haben. Um sich den Effekt der Verdünnung (oder des Potenzierens) noch einmal zu verdeutlichen, ist es sinnvoll, anstatt der Teilchenzahlen mal die Entwicklung der Konzentration anhand des Gewichtes darzustellen.
Die Urlösung enthält 58,5 Gramm Kochsalz/Liter
Es verbleiben nach dem
1. Verdünnungsschritt: 5,85 Gramm (D1)
2. Verdünnungsschritt: 0,585 Gramm (D2)
3. Verdünnungsschritt: 0,0585 Gramm (D3)
4. Verdünnungsschritt: 0,00585 Gramm (D4)
5. Verdünnungsschritt: 0,000585 Gramm (D5)
6. Verdünnungsschritt: 0,0000585 Gramm (D6)
7. Verdünnungsschritt: 0,00000585 Gramm (D7)
8. Verdünnungsschritt: 0,000000585 Gramm (D8)
9. Verdünnungsschritt: 0,0000000585 Gramm (D9)
10. Verdünnungsschritt: 0,00000000585 Gramm (D10)
11. Verdünnungsschritt: 0,000000000585 Gramm (D11)
12. Verdünnungsschritt: 0,0000000000585 Gramm (D12)
13. Verdünnungsschritt: 0,00000000000585 Gramm (D13)
14. Verdünnungsschritt: 0,000000000000585 Gramm (D14)
15. Verdünnungsschritt: 0,0000000000000585 Gramm (D15)
16. Verdünnungsschritt: 0,00000000000000585 Gramm (D16)
17. Verdünnungsschritt: 0,000000000000000585 Gramm (D17)
18. Verdünnungsschritt: 0,0000000000000000585 Gramm (D18)
19. Verdünnungsschritt: 0,00000000000000000585 Gramm (D19)
20. Verdünnungsschritt: 0,000000000000000000585 Gramm (D20)
21. Verdünnungsschritt: 0,0000000000000000000585 Gramm (D21)
22. Verdünnungsschritt: 0,00000000000000000000585 Gramm (D22)
23. Verdünnungsschritt: 0,000000000000000000000585 Gramm (D23)
Da das Gewicht eines einzelnen Natrium-Atoms bei 0,0000000000000000000000382 Gramm und das eines einzelnen Chlor-Atoms bei 0,0000000000000000000000594 Gramm liegt, entspricht die Konzentration in der 23. Verdünnungstufe den 6 Teilchen, die wir schon als Rest aus den ersten Verdünnungstabellen kennen. (Rundungsdifferenzen ignorieren wir).
Das solls aber auch fast gewesen sein mit der Rechnerei. Aber nur fast. Wir müssen noch einige Kleinigkeiten ansprechen, die jedoch, mit Blick auf die homöopathischen Arzneien (schließlich gehts ja um diese), wesentliche Bedeutung haben. Sämtliche angestellten Berechnungen sind so eindeutig natürlich nur dann möglich, wenn wir es mit Reinsubstanzen zu tun haben und das Lösungsmittel völlig „sauber“ ist, also selbst keine Fremdstoffe enthält. Nun ist das keineswegs so – in vielen Fällen haben wir es eben nicht mit reinen Substanzen, sondern mit Stoffgemischen zu tun, in denen eine Vielzahl chemischer Verbindungen zu finden sind.
– Buntes Durcheinander
Praktisch jedes Lebewesen, ob Pflanze oder Tier, ist so ein Stoffgemisch. Wir finden bei Lebewesen rund 40 der 90 Elemente, die in der Erdkruste vorhanden sind. Die sechs Elemente Kohlenstoff (C), Sauerstoff (O), Wasserstoff (H), Stickstoff (N), Schwefel (S), und Phosphor(P) bilden zusammen über 90 % der lebenden Materie. Diese Elemente sind die Baustoffe von Biomolekülen, aber auch Bestandteile anorganischer Gerüstsubstanzen und natürlich von Wasser, das als Milieu der Lebensvorgänge benötigt wird. Dazu addieren sich in der Körpersubstanz Calcium (C), Kalium (K), Natrium (Na), Chlor (Cl), Magnesium (Mg) und Eisen (Fe). Zusammen machen diese 12 Elemente etwa 99,9% der Biomasse aus. In der jetzt noch fehlenden Menge von 0,1% repräsentieren sich u.a. die sogenannten Spurenelemente. Hier findet sich in geringsten Mengen ein buntes Gemisch von Elementen, z.B. Jod, Brom, Nickel, Zinn, Zink, Selen, Molybdän, Mangan etc. Beispielsweise findet man Zinn im menschlichen Organismus in einer Konzentration von 0,00021 Gramm/kg, also etwa in einer Größenordnung der homöopathischen Potenz D5.
Die Schlussfolgerung daraus: Gerade bei der Verwendung von Tieren oder Pflanzen als homöopathische Arzneistoffe liegt ein Stoffgemisch mit erheblich unterschiedlichen Konzentrationen vor. Regelmäßig enthalten schon die homöopathischen Ursubstanzen einzelne Stoffe nur noch in Konzentrationen, die einer D4 bis D6 entsprechen. Das heißt, diese Stoffe sind im Rahmen der Verdünnung schon deutlich eher aus den höheren Potenzen verschwunden als der Rest.
Genau zu bestimmen, was beispielsweise in einer Potenz D12 von Apis (Honigbiene) vorhanden ist, ist so gut wie unmöglich.
– Schmuddeliges Lösungsmittel
Kommen wir zum zweiten Problem, dem Lösungsmittel. Lösungsmittel in der Homöopathie sind üblicherweise Wasser, bei der Herstellung der Ursubstanzen oft auch Alkohol – z.B. für Auszüge aus Pflanzen. Die Potenzreihen werden jedoch in den allermeisten Fällen mit Wasser hergestellt. Normales Leitungswasser, das in Deutschland meist eine recht hohe Qualität hat, enthält eine nicht unerhebliche Zahl von Fremdstoffen. Meist sind es gelöste Mineralstoffe. Berliner Trinkwasser z.B. enthält u.a. Calcium 98mg/Liter, Eisen < 0,03 mg/Liter, Kalium 4,52mg/Liter, Magnesium 9,54 mg/Liter, Natrium 30,56 mg/Liter, Chlorid 47,67 mg/Liter.
Würden homöopathische Arzneien mit diesem Wasser hergestellt, würde bei jeder Potenzstufe immer wieder diese Menge an Inhaltsstoffen in die Lösung zurückgegeben.
Stellen wir uns das mal bei der homöopathischen Arznei „Natrium muriaticum“ (Kochsalz) vor: Der Natriumgehalt des Lösungsmittels liegt rechnerisch etwa bei einer Potenz D3, wenn wir von einer 1-molaren Urlösung ausgehen. D. h. bei jeder Potenzstufe wird aus der Potenz 5,6 oder 15 oder meinethalben 19, durch die Zugabe des Lösungsmittels wieder eine D3 oder eine D4. Das ist schon deswegen interessant, weil ja ein Lehrsatz der Homöopathen besagt, dass eine Wirkungsverstärkung durch die Zahl der Potenzierungen erreicht wird. Wie also unter Berücksichtigung dieses Aspekts der Potenzierung die homöopathischen Potenzen tatsächlich zu bewerten sind, ist eine der vielen ungeklärten Fragen der Homöopathie, der Homöopathen gerne aus dem Weg gehen.
Selbst wenn man unterstellt, dass homöopathische Arzneimittelhersteller für die Potenzierung nur chemisch reinstes Wasser nutzen, bleibt diese Frage zu beantworten, weil auch chemisch reinstes Wasser diverse Fremdstoffe in geringsten Mengen (ppm) enthält. Weiterhin muss damit gerechnet werden, dass während des Potenzierungsprozesses ständig Fremdstoffe eingetragen werden. Insgesamt stellt sich also bei jeder homöopathischen Potenz die Frage, was und wieviel diese enthält – und ob sie überhaupt noch etwas enthält. Bei Potenzen höher als D12 lassen sich diese Fragen nicht mehr (oder nur mit größtem technischen Aufwand) beantworten.
Üblicherweise kann man davon ausgehen, dass, nur mal als Beispiel, eine angebliche Potenz D20 eines Stoffs gleichzeitig eine D12 von irgend etwas anderem, eine D6 eines drittem Stoffs, eine D4 eines weiteren Stoffs und eine D16 von etwas noch anderem ist – wobei, gerade bei Arzneigrundstoffen, die nicht reine Elemente oder isolierte chemische Verbindungen sind, sondern von Pflanzen oder Tieren stammen, davon ausgegangen werden muss, dass eben wenigstens die 40 Elemente vertreten sind, die, wie oben schon beschrieben, in sämtlichen Lebewesen in mehr oder minder großen Konzentrationen zu finden sind.
Was die ganze Angelegenheit noch spannender macht: Unter diesen ganzen chemischen Verbindungen, die so in Lebewesen vorkommen, sind einige in isolierter Form wiederum homöopathische Ursubstanzen. Dabei haben wir noch gar nicht darüber geredet, was sich an Unkalkulierbarem z.B. auf und in einer Honigbiene (Apis) befindet, wenn das arme Vieh mit Milchzucker vermahlen wird.
Fassen wir kurz zusammen:
-
- Niemand weiß genau, was sich in homöopathischen Arzneien befindet.
- Niemand weiß genau, wie viel sich von allen möglichen Stoffen in einer homöopathischen Arznei befindet.
- Die Potenzangabe lässt keine genauen Aussagen zur Konzentration der Inhaltsstoffe zu. Sie beschreibt nur, wie oft der Verdünnungsvorgang durchgeführt wurde, nicht jedoch das Resultat.
- Die Potenzangabe auf einem Arzneifläschchen ist grob unvollständig. Mindestens bei allen Arzneien pflanzlicher oder tierischer Herkunft müssten auch Potenzangaben von solchen chemischen Verbindungen angegeben werden, die als eigenständige homöopathische Grundstoffe im Ausgangsstoff zu finden sind.
Das soll es nun aber wirklich mit der Chemie gewesen sein, ab jetzt wirds magisch.
Die homöopathischen Hochpotenzen – Zauberei mit Zucker
Bis hierhin hatten wir es ja nur mit nachvollziehbaren Sachverhalten zu tun: Zum einen haben wir gesehen, dass es Materie braucht, damit etwas geschieht, zum anderen haben wir gesehen, dass das Verfahren der Potenzierung – nüchtern betrachtet – simples Verdünnen ist, das über kurz oder lang mit Sicherheit dazu führt, dass ein ehemalig vorhandener Wirkstoff verschwindet.
Wenn wir uns nun das Gesamtangebot homöopathischer Arzneien anschauen, können wir aber feststellen, dass regelmäßig Potenzen jenseits D23 oder C12 verwendet werden. Nun wissen wir jedoch, dass dann, wenn diese Potenzen überschritten werden, in den nachfolgenden Potenzen mit höchster Wahrscheinlichkeit der Ausgangsstoff nicht mehr vorhanden ist.
(Gut, eigentlich wissen wir es aus den weiter oben beschriebenen Gründen nicht so genau, weil möglicherweise auch der Ausgangsstoff über das Lösungsmittel wieder eingetragen wird. Nur geht es ja hier um die Aussagen der Homöopathie und eben nicht um die Dinge, die sie ignorieren.)
Jedenfalls lassen sich Homöopathen durch kein noch so gutes Argument daran hindern, nach D23 oder C12 fröhlich weiter zu verdünnen. Für Normalmenschen beginnt aber spätestens, allerspätestens, hier Unsinn in Reinkultur.
Wenn man nun einen Homöopathen fragt, warum die Homöopathen das trotz allem machen, bekommt man eine einfache Antwort: Weil Hahnemann es so gesagt hat!
Schauen wir deshalb mal nach, was Hahnemann denn so gesagt hat, vor allem aber sollten wir uns überlegen, warum er es gesagt hat – und damit wollen wir beginnen:
Samuel Hahnemann stand bekanntermaßen vor dem Problem, Heilungsprozesse erklären zu müssen, die er als Folge seiner (immer stärker verdünnten) Präparate meinte feststellen zu können.
Dummerweise, das wissen wir heute, kam er nicht auf den Gedanken, dass diese Heilungsprozesse auch andere Ursachen haben könnten als seine verdünnten Arzneien; beispielsweise natürliche Heilungsverläufe. Genauso ignorierte er, dass der durch das Wegverdünnen erreichte Verzicht auf die oftmals giftigen „Arzneien“ seiner Zeit die Chancen des Patienten deutlich erhöhten, eine Krankheit zu überleben. Eine Krankheit, die ihn wohl durchaus nicht umgebracht hätte, wären da nicht die grotesken „Arzneien“ (und andere ärztliche Maßnahmen) gewesen, die man ihm verabreichte.
Nach der Überlieferung verwendete der große Meister ca. 60 „Arzneistoffe“, von denen ein erheblicher Teil zumindest gesundheitsschädlich (+), z.Tl. auch giftig (++) bis hochgiftig (+++) ist. Da findet sich u.a. (die Liste ist nicht vollständig):
-
- Aconitum nappelus (Blauer Eisenhut) (+++)
- Agaricus muscarius (Fliegenpilz) (++)
- Argentum (Silber) (+)
- Cocculus (Kockelskörner) (++) – (+++)
- Conium maculatum ( Gefleckter Schierling) (+++)
- Arsenicum (Arsen) (+++)
- Digitalis (Fingerhut) (++) – (+++)
- Hyoscyamus (Bilsenkraut) (+++)
- Ignatia (Ignatiusbohne) (++) – (+++)
- Mercurius (Quecksilber) (+++)
- Nitri acidum (Salpetersäure) (+)
- Nux vomica (Brechnuss) (+++)
- Rhus toxicodendron (Giftsumach) (++) – (+++)
- Squille (weiße Meerzwiebel) (+++)
- Staphisagria (Stephanskraut) (++)
- Stramonium (Stechapfel) (+++)
- Sulphuricum acidum (Schwefelsäure) (+)
Ob Hahnemann sich nicht vorstellen konnte oder wollte, dass seine „Arzneien“ durch das Potenzieren einfach nur wirkungslos wurden, darüber lässt sich trefflich spekulieren. Fakt ist aber, dass er hinsichtlich seines Potenzierungsverfahrens unter erheblichem Rechtfertigungsdruck stand – weil schon zu seiner Zeit dessen Absurdität und die Unvereinbarkeit mit Alltagserfahrungen deutlich und auch artikuliert wurde. Was macht nun Hahnemann, nicht nur Starrkopf, sondern auch phantasievoller Erfinder und geübt in der Neuinterpretation vorwissenschaftlicher Vorstellungen? Genau das, was er schon einmal mit dem Simile-Prinzip gemacht hat – er nimmt die frühere metaphysische Vorstellung von den geistartigen Kräften in der Materie auf und verbastelt sie in seiner Theorie.
Damit das funktioniert, muss der Geist aber mechanistisch werden, quantifizierbar, und – wenn auch mit magischem Ritus -, hervorrufbar. Außerdem muss die geistartige Kraft, die bislang untrennbar mit der Materie verbunden ist, plötzlich losgelöst sein, eigenständig, übertragbar auf andere Materialien und letztlich auf den Menschen. Der magische Ritus ist das systematische Stoßen des Mischgefäßes auf das in Leder eingebundene Buch, um die geistartigen Kräfte freizusetzen.
Wir lesen in § 269 des Organon:
„Die homöopathische Heilkunst entwickelt zu ihrem besondern Behufe die innern, geistartigen Arzneikräfte der rohen Substanzen, mittels einer ihr eigenthümlichen, bis zu meiner Zeit unversuchten Behandlung, zu einem, früher unerhörten Grade, wodurch sie sämmtlich erst recht sehr, ja unermeßlich – durchdringend wirksam und hülfreich werde …“
Damit nun keiner auf den Gedanken kommt, diese geistartigen Kräfte messen oder auf andere Art belegen zu wollen, greift Hahnemann zu einem Trick, auf den in der Welt der Homöopathen bis heute noch jeder hereingefallen ist.
In § 20 des Organons erklärt er:
„Diese im innern Wesen der Arzneien verborgene, geistartige Kraft, Menschenbefinden umzuändern und daher Krankheiten zu heilen, ist an sich auf keine Weise mit bloßer Verstandes-Anstrengung erkennbar; bloß durch ihre Äußerungen beim Einwirken auf das Befinden der Menschen, läßt sie sich in der Erfahrung, und zwar deutlich wahrnehmen.“
Das ist der Klassiker der Selbst- und Fremdtäuschung: Das Phänomen, das ich behaupte, kann ich zwar nicht belegen, aber ich erkläre einen beliebigen Effekt als durch das Phänomen verursacht. Und immer, wenn der Effekt auftritt, ist das belegbare Phänomen bewiesen. Das Ergebnis ist fatal: Generationen von Homöopathen spüren nun diesen Erfahrungen nach – und sie machen diese Erfahrungen; diese Heilserfahrungen, von denen Hahnemann spricht. Und sie fühlen sich selbst und den Altmeister in seinen Vorstellungen bestätigt.
Dass diese Ideen die Spätromantiker, also seine Weggefährten und die direkten Nachfolger, noch beeindrucken konnte, mag sich historisch aus der seelischen Befindlichkeit dieser Epoche erklären lassen. Bedenklich ist aber, dass die unreflektierte Erfahrung heute wieder fröhliche Urstände feiert – obwohl wir heute über das Wissen verfügen, das Trügerische der subjektiven Erfahrungen zu erkennen.
Letztlich basiert die gesamte Entwicklung unserer Wissenschaften darauf, subjektive Eindrücke mittels Evaluationsmethoden hinsichtlich deren Stichhaltigkeit zu überprüfen und gegebenenfalls als Täuschung zu identifizieren. Wendet man diese Methoden auf die Homöopathie an, versagt sie kläglich.
Und das ist wahrhaftig gut so, denn zum Schluss liefere ich Ihnen, geschätzte Leser, Anlass für …
… ein wenig Paranoia.
Wir sollten uns nämlich fragen, was wirklich passieren würde, wenn es tatsächlich mit ein paar Stößen auf ein Lederkissen, also mit einem an Banalität kaum noch zu überbietendem Verfahren, gelingen würde, eine „unermessliche“ Kraft aus der Materie zu entfesseln?
Nehmen wir die Homöopathen ernst: Was würde passieren, wenn sich mit diesem Ritual die Wirksamkeit einer Substanz vervielfachen lassen würde – so wie es die Homöopathen behaupten, wenn sie sich mit höchster Ehrfurcht einer C1000 nähern?
Bedenken wir dabei, dass homöopathische Arzneien nicht nur im Krankheitsfall wirken, sondern auch bei Gesunden – allerdings dort eben nicht heilsam. Schließlich basieren die homöopathischen Arzneimittelbilder auf der homöopathischen Arzneimittelprüfung an Gesunden und den bei ihnen nach der Einnahme der Arznei vorzufindenden Krankheitssymptomen.
Im § 32 weist Hahnemann eindrücklich auf die universelle Wirkung hin:
„Jede wahre Arznei wirkt nämlich zu jeder Zeit, unter allen Umständen auf jeden lebenden Menschen und erregt in ihm die ihr eigenthümlichen Symptome (selbst deutlich in die Sinne fallend, wenn die Gabe groß genug war), so daß offenbar jeder lebende menschliche Organism jederzeit und durchaus von der Arzneikrankheit behaftet und gleichsam angesteckt werden muß …“
Sollten Hahnemanns Ideen also richtig sein, wäre die Homöopathie eine der größten Gefahren, mit denen sich die Menschheit je auseinandersetzen musste. Viel größer als jede Atombombe, viel gefährlicher als jeder bekannte Giftstoff, viel radikaler als jeder Killervirus. Und, vor allem, simpel in der Herstellung und ohne jede Chance auf einen Nachweis.
Schauen wir uns doch mal ein passendes Arzneimittelbild an. Mein Repertorium nennt für Acidum hydrocyancium folgende Symptome: Rapider Kräfteverfall, eiskalte Haut, Cyanose, Praecordialangst, Dyspnoe, epileptiforme Zustände mit tetanoiden Muskelkrämpfen und Aura, Trismus, Apoplexie mit Atemnot und Cyanose, Asthmoider Krampfhusten, arrhythmischer Herzschlag, inaequale Pulsamplituden… Der schwere Kollaps mit Todesgefahr beherrscht das Arzneimittelbild. Was für eine Killerarznei! Einige Globuli in einen See, der der Trinkwassergewinnung dient, ein Tröpfchen einer mörderischen Hochpotenz in ein Weinglas… Das Geschäft der Dunkelmänner würde äußerst einfach werden. Mich wundert wirklich, dass die Anhänger der Homöopathie nicht ständig mit Panikattacken zu kämpfen haben.
Aber vielleicht liegt das daran, dass die Fans der heilsamen Kugel einfach zu wenig Wissen und Verständnis ihrer eigenen Methode haben? Solche Widersprüche müssten sonst doch auffallen – und zum Nachdenken anregen.
Autor: excanwahn
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Eine Antwort auf „Ist Dynamisierung/Potenzierung etwas anderes als Verdünnung?“
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