FAQ 21 – Homöopathie hat bei mir aber gewirkt, „Schulmedizin“ nicht!?

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Sehr oft richten sich Verteidiger der Homöopathie mit einer solchen Aussage an uns: „Kein Schulmediziner konnte mir helfen, aber die homöopathische Ärztin / der Heilpraktiker hat mich mit nur ein paar Globuli praktisch sofort geheilt.“ Die unausgesprochene – gelegentlich ausgesprochene – Frage lautet dann: „Wie erklären Sie das?“

Müssen wir das erklären?

Solche Behauptungen sind aus naturwissenschaftlicher Sicht sehr (man kann ruhig sagen: hochgradig) unwahrscheinlich. Wenn das also jemand erklären muss, dann wäre dies nach den Regeln der wissenschaftlichen Beweislast der Behauptende – nicht wir. Das fängt bei dem „die Schulmedizin hat nicht geholfen“ an und geht bis zum „die Homöopathie aber schon“. Denn das sind zwei Behauptungen, die zunächst einmal voneinander getrennt zu betrachten sind.

Und daran wird auch deutlich, dass „wir“ solche Behauptungen nicht widerlegen (erklären) müssen bzw. solche „Fragen“ weder beantworten müssen noch überhaupt können, denn wir kennen ja gar nicht alle relevanten Faktoren – wir haben noch nicht erlebt, dass uns ein so Fragender uns die jemals mitgeteilt hätte.

Die Anamnese, die unabdingbare Voraussetzung für eine fundierte Stellungnahme, ist also – ebenso wie die Befundlage – mit Sicherheit unvollständig, meist gar nicht vorhanden. Nicht mitgeteilt werden die Listen der behandelnden (Fach-)Ärzte, der Laborwerte, Untersuchungsbefunde und Diagnosen, Medikamentenpläne und Therapievorschläge einschließlich medizinischer Ratschläge zur Lebensführung: Diäten, Sport, Physiotherapie oder Psychotherapie. (Ratschläge wie Verzicht auf Rauchen und Alkohol, mehr Bewegung etc. sind unbeliebte Maßnahmen und werden häufig, obwohl medizinisch sinnvoll, gar nicht durchgeführt – der Misserfolg wird dann dem Behandler „in die Schuhe geschoben“).

Natürlich ist der unausgesprochene Zweck der Frage die Diskreditierung der wissenschaftlichen Medizin und die Adelung der Homöopathie. Für diese Absicht kann man einen unvollständig, subjektiv – oder vielleicht sogar tendenziös mit zielorientiert selektierten Daten – präsentierten Einzelfall nicht akzeptieren. Zur Beantwortung solch bedeutsamer Fragen sollen sich, je nach Indikation und Fachgebiet, erst einmal der Hausarzt, ein Internist, ein Labormediziner, ein Radiologe, gegebenenfalls ein Chirurg, ein zuständiger Facharzt, ein Neurologe / Psychiater, unter Umständen auch ein Psychotherapeut und ein Gerichtsmediziner, nicht zuletzt auch ein Pharmakologe / Pharmazeut dazu äußern, was genau passiert ist.

Jedoch – selbst, wenn ein derartiges Gutachten kostenfrei in Auftrag gegeben werden könnte: Wir erwarten, dass kein Patient, der uns in der beschriebenen Weise konfrontiert, ein solches anfordern würde. Für den “Ruhm”, die „Schulmedizin“ vorgeführt und die Ehre der Homöopathie gerettet zu haben, sollte man zwar eigentlich bereit sein, sogar einen gewissen Preis zu bezahlen – wenn denn die Chancen auf den Ruhm realistisch wären. Das tut aber niemand. Wir sind davon überzeugt, dass das „Risiko“, dass eine nicht-esoterische Antwort gefunden wird, jedem Patienten letztlich zu groß wäre.

Natürlich würde er diese Verweigerung – sicher auch sich selbst gegenüber – mit seinem “Misstrauen gegenüber der Schulmedizin” begründen. Wir haben so etwas aber noch nicht im Ansatz erlebt oder davon erfahren, dass dies irgendwo geschehen wäre. Nein, kein Patient hält es in letzter Konsequenz für realistisch, dass bei einer genauen gutachterlichen Abklärung die leichtfertig ausgesprochene Behauptung „kein Arzt konnte mir helfen, nur die Homöopathie“ bestätigt wird.

Der Satz, „eine Anekdote ist keine Studie“, ist selbstverständlich völlig richtig, könnte aber von eingefleischten Homöopathen in diesem Fall als Ausflucht unsererseits angesehen werden: “Kritiker verlangen immer Studien, weil sie schlecht für die Homöopathie sind und ignorieren Anekdoten, bloß weil sie gut für die Homöopathie sind“. Nein, der Grund, warum wir anhand einer Anekdote kein Urteil (nirgendwo) abgeben, ist, dass beinahe jede Anekdote in hohem Maße unvollständig berichtet, hoch wahrscheinlich durch Wahrnehmungsfehler verzerrt ist und dadurch für eine Analyse unbrauchbar und für eine Verallgemeinerung wertlos wird. Deshalb zielen in der medizinischen Wissenschaft publizierte „case studies“ also „Fallstudien“, nur darauf ab, auf ein beobachtetes Phänomen aufmerksam machen um zu erfahren, ob und wo etwas Ähnliches beobachtet werden konnte und ob es bereits Hinweise auf eine Erklärung dazu gibt (was auch nur dann Sinn macht, wenn die Beobachtung nicht von vornherein gesicherter naturwissenschaftlicher Erkenntnis widerspricht, wie im Falle der Homöopathie). Gültigkeitsbehauptungen werden mit medizinischen Fallberichten (case studies) ebenso wenig aufgestellt wie Gegenbeweise eingefordert.

Man will uns eine Erklärung abringen, enthält uns die dafür wesentlichen Angaben – die vollständige Krankengeschichte – vor und kehrt gleichzeitig die Beweislast um. Denn es handelt sich ja – wie eingangs schon geklärt wurde – gar nicht um eine Frage, sondern um eine unbelegte Behauptung. Wir unterstellen dabei noch nicht einmal Absicht (wissen wir doch sehr wohl um die in aller Regel ehrliche, aber falsche Überzeugung der Behauptenden), aber „unvollständig“ ist und bleibt nun mal „unvollständig“.

Jeder, der uns – expressis verbis oder nicht – die Frage vorlegt, warum in seinem speziellen Fall Homöopathie wirkt, Medizin aber nicht, muss wissen, dass wir eine solche Frage nicht nur nicht beantworten, sondern umgekehrt unsererseits eine plausible Information erwarten – mit Belegen und nicht nur bloßen Behauptungen.


Bild von Gerd Altmann auf Pixabay

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