Ein Zusammenschluss von Personen und Verbänden der entsprechend interessierten Szene hat – unter anderem auf dem Webauftritt des Zentralvereins homöopathischer Ärzte [1] eine „Deklaration Homöopathie 2019“ veröffentlicht, in der behauptet wird, die Homöopathie verfüge über nachgewiesene Evidenz. Daraus folgend sei ihr ein Platz in der wissenschaftlichen Medizin zuzusprechen, was zusätzlich mit bereits bekannten Ausführungen wissenschafts- / erkenntnistheoretischer Art („Pluralismus in der Medizin“) untermauert werden soll.
Das Informationsnetzwerk Homöopathie nimmt dazu wie folgt Stellung:
„Eine Deklaration, eine Deklaration!“
(frei nach Loriot)
Eine Deklaration ist üblicherweise ein wichtiges Stück Papier in dem die Verfasser grundlegende Dinge festhalten. Man denke an die Deklaration der Menschenrechte der Vereinten Nationen oder an die amerikanische Unabhängigkeitserklärung („Declaration of Independence“). So viel vorweg: Für die im Februar 2019 vom Vorsitzenden des Sprecherkreises des Dialogforums, Prof. Matthiessen, veröffentlichte Homöopathie-Deklaration [1] wirkt dieser Titel etwas anmaßend.
Da haben sich eine Reihe namhafter Personen, bisweilen mit klingendem akademischen Titel, sowie eine Reihe von Verbänden zusammengetan, um ihre Pfründe zu verteidigen, derer sie verlustig gehen könnten, wenn sich die Sichtweise der Homöopathiekritiker in der Politik und in der Öffentlichkeit weiter durchsetzen würde. Insofern ist diese Reaktion verständlich.
Man kann seinen Kritikern sicher Ignoranz oder bewusste Stimmungsmache vorwerfen und ihnen fehlende Seriosität unterstellen indem sie eine angebliche reale Datenlage unterdrücken. Nur sollte man dies dann auch untermauern können, sonst wirkt so etwas eher wie das Pfeifen im nächtlichen Wald, eher darauf abzielend, sich selbst und seinen Anhängern Mut zu machen anstatt den Leser von der Stichhaltigkeit der Argumentation zu überzeugen.
Eigentlich, wenn die Homöopathie eine über Placebo hinaus wirksame Therapie wäre, der konventionellen Medizin ebenbürtig oder gar überlegen, könnte Matthiessen doch sehr einfach argumentieren: Seht her, hier ist die unzweideutige Evidenz, dass die Homöopathie unter diesen oder jenen Bedingungen bei dieser oder jener Indikation einen unbezweifelbaren Nutzen aufweist. Darauf kann er nicht verweisen, weil solche Belege nicht existieren. Stattdessen muss er sich darauf verlegen, Schwachstellen in der Argumentation der Kritiker zu suchen, was ihm sichtlich schwerfällt.
Eine akribische Analyse der publizierten Evidenz lieferte in den nunmehr 10 (Anm. INH: inzwischen 11) vorliegenden systematischen Reviews eben nicht, dass die therapeutische Wirksamkeit durch qualitativ hochwertige Studien wohlbegründet sei, auch wenn der Autor dies wie viele seiner Kollegen immer wieder beschwört. Selbst der Homöopathie nahestehende Forscher wie Robert T. Mathie vom englischen Homeopathy Research Institute fanden von den bislang 118 untersuchten klinischen Studien ganze zwei, die als „low risk of bias“, also als hochwertig eingestuft werden konnten [2 bis 4]. Die von den Autoren der vorliegenden Reviews selbst gelieferten zusammenfassenden Schlussfolgerungen sprechen deutlich gegen alle Versuche, die Tatsache des Scheiterns von Evidenznachweisen pro Homöopathie abzuleugnen oder schönzureden.
Auch eine gebetsmühlenartige Wiederholung immer der gleichen Argumente macht sie nicht wahrer:
-
- Nein, die Einführung der Komplementärmedizin in den Leistungskatalog der Schweizer Gesundheitsversorgung erfolgte eben nicht aufgrund einer gründlichen Evaluation, sondern aufgrund eines Volksentscheids, wobei ausdrücklich betont wird, dass der Nutzen besonders der Homöopathie nicht nachgewiesen werden könne [5].
- Der zitierte Prof. Hahn hat völlig Recht, man muss 90 % der Studien ausschließen, um zum wahren Sachverhalt vorzudringen, nämlich die Studien, die infolge unzureichender Qualität wahrscheinlich einen Effekt überzeichnen. Das sind, siehe Mathie, sogar weit über 90 % der Studien [6].
- Wenn man schon auf der oftmals zitierten (unzutreffenden) Behauptung herumreitet, bei der großen NHMRC-Studie seien alle Studien unter 150 Teilnehmern nicht berücksichtigt worden, müsste es doch ein Leichtes sein, eine Indikation aufzuzeigen, bei der sich ein anderes Ergebnis gezeigt hätte, wenn man anders vorgegangen wäre [7]. Dies wird aber sicher nicht geschehen, denn auch Mathie, dem niemand ein Fehlverhalten vorwirft, kommt in seinen Reviews im Wesentlichen zum gleichen Ergebnis: Berücksichtigt man die miserable Qualität der Studien – zu einem Drittel sind das sogar nur Pilotstudien – dann ist die Evidenz für die Homöopathie nicht belastbar.
Nun, stattdessen kann man sich auf die Freiheit von Forschung und Wissenschaft im Grundgesetz berufen, man kann eine „vollorchestrierte Gesundheitsversorgung“ fordern – was immer das auch sein soll. Und nein, es kann nicht angehen, den international anerkannten Wissenschaftsbegriff, beruhend auf der kritisch-rationalen Methode, mit der Einführung eines „Wissenschaftspluralismus“ für Beliebigkeiten zu öffnen. Welchen Nutzen das Gesundheitssystem daraus ziehen soll, dass unwirksame Therapien integriert werden, das bleibt wohl das Geheimnis der Autoren dieses Papiers, das wohl deshalb „Deklaration“ heißt, um über den dürftigen Inhalt hinwegzutäuschen.
Literatur:
[1] Matthiessen PF.: Homöopathie-Deklaration: Professoren und Ärztegesellschaften unterstreichen die wissenschaftliche Evidenz für die Wirksamkeit der Homöopathie – und kritisieren einseitige Darstellungen; Erstveröffentlichung Deutsche Zeitschrift für Onkologie 2018;50:172-177; Link: https://www.homoeopathie-online.info/homoeopathie-deklaration-2019/, abgerufen 11.02.2019 [2] Mathie RT, Lloyd SM, Legg LA et al.: “Randomised placebo-controlled trials of individualised homeopathic treatment: systematic review and meta-analysis“, Systematic Reviews 2014;3:142 [3] Mathie RT, Ramparsad N, Legg LA et al.: “Randomised, double-blind, placebo-controlled trials of non-individualised homeopathic treatment: Systematic review and meta-analysis“, Systematic Reviews 2017;6:663 [4] Mathie RT, Ulbrich-Zürni S, Viksveen P et al.: Systematic Review and Meta-Analysis of Randomised, Other-than-Placebo Controlled Trials of Individualised Homeopathic Treatment; Homeopathy (2018) 107;229-243 [5] Hehli S: Die Schweiz ist ein Eldorado für deutsche Globuli-Fans; Neue Züricher Zeitung vom 23.05.2018 [6] Hahn RG: “Homeopathy: Meta-Analyses of Pooled Clinical Data“,Forsch Komplementärmed(2013);20:376-381 [7] National Health and Medical Research Council. 2015. “NHMRC Information Paper: Evidence on the effectiveness of homeopathy for treating health conditions “, Canberra: NHMRC;2015Eine Betrachtung der „Deklaration“ mit einigen zusätzlichen Aspekten gibt es beim KeineAhnungvonGarnix-Blog.
Joseph Kuhn beim Blog Gesundheits-Check kommentiert unter dem Titel „Jura in Kürze – Wissenschaftsfreiheit und Homöopathie: Methodisch evident Unvertretbares“.
Bild von Sir Karl Popper: Wikicommons, frei nutzbar