Auf dieser Seite sind bereits verschiedene Informationen zum Placebo-Effekt zu finden, die erklären, dass dieser bei jeder Art von Zuwendung – deshalb natürlich erst recht bei medizinischen Interventionen – wirksam ist. Und dass die Homöopathie, wie andere pseudomedizinische Verfahren auch, ihren Honig allein aus diesem ohnehin überall auftretenden Effekt saugt, ohne eine spezifische Wirkung aufzuweisen. Was ihr – entgegen so mancher Stimme – eben nicht zu einem Platz in der wissenschaftlichen Medizin verhilft.
Zu ergänzen bleibt dies durch einige Bemerkungen zum Nocebo-Effekt. Was ist nun darunter zu verstehen?
Zum Placebo-Effekt existiert ein “Gegenstück”: der Nocebo-Effekt. Placeboforscher sprechen gar gelegentlich von den “Nebenwirkungen” des Placebo-Effekts, was aber nicht ganz den Kern der Sache trifft . Die Mechanismen sind die gleichen, ja, recht bedacht sind Placebo und Nocebo exakt identisch, nur die Auswirkungen von Nocebo sind sozusagen die „dunkle Seite“ des Effekts, das negative Spiegelbild. Die Differenzierung in Placebo und Nocebo ist somit nur der menschlichen Wahrnehmung und Bewertung geschuldet (ähnlich wie Wirkungen vs. Nebenwirkungen von Medikamenten ein rein auf den Nutz- oder Schadenwert beim Menschen bezogenes Bewertungssystem ist).
Es liegt eigentlich auf der Hand, dass eine negative Erwartungshaltung zu einer Verschlechterung des Zustands des Patienten führen kann – ganz im Sinne eines Placebo-Effekts mit negativem Vorzeichen. Auch dies sollte ein guter Mediziner einkalkulieren. Wer kennt nicht die “Angst vor dem Beipackzettel”, der bei vielen Menschen leider ein Grundmisstrauen gegenüber dem verordneten Medikament hervorruft und damit häufig spürbar dessen Wirkung beeinträchtigt? Gleiches gilt im Krankenhaus, wenn – was nicht so sein sollte! – dem Patienten einfach sein Pillengläschen hingestellt wird, ohne dass er erläutert bekommt, worum es geht – der Nocebo-Effekt lauert. Erst recht, wenn jemand durch pseudomedizinische “Weisheiten” bereits auf Vorbehalte gegenüber der “Schulmedizin” konditioniert ist, was sich sehr wohl negativ auf den Effekt der dann notwendigen medizinischen Behandlung auswirken kann. Vielfach wurde auch nachgewiesen, dass eine solche Haltung zu mangelnder Therapietreue (Compliance) führt – im Grunde auch nichts anderes als eine Auswirkung von Nocebo.
Eines der eindrucksvollsten Beispiele für einen Nocebo-Effekt ist eine Studie, die mit erheblichem Aufwand und methodisch durchaus korrekt vor einigen Jahren in den USA durchgeführt wurde: Es ging um die Frage, ob Gebete beim Genesungsprozess helfen können. Patienten nach Bypass-Operationen wurden in Gruppen eingeteilt, von denen die eine wusste, dass für sie gebetet wird und die andere nicht. Diese Studie ergab ein klares Ergebnis: Die Gruppe, die wusste, dass für sie gebetet wurde, zeigte bei der Rekonvaleszenz sehr eindeutig mehr Komplikationen und schlechtere Verläufe. Ganz offensichtlich ein Nocebo-Effekt, der sicher auf die -bewusste oder unbewusste – Annahme der Patienten zurückzuführen war, es müsse recht schlecht um sie stehen, wenn für sie gebetet werde …
Fazit: Placebo- und Nocebo-Effekte sind beides wichtige Gesichtspunkte, die der verantwortliche Arzt stets mit in Rechnung zu stellen hat. Sie sind aber kein billiges Alibi für eine “Wirksamkeit” pseudomedizinischer Methoden, die keine eigenen spezifischen Effekte bieten können.
Immer wieder wird bei dem Versuch, “Placebo” als eigenständige medizinische Intervention zu rechtfertigen, beiseite gewischt, dass Placebo weder vorhersagbar noch gezielt gerichtet einsetzbar ist. Hauptsache Placebo! Würden die Vertreter dieser Ansicht das auch bei der Erwartung von Nocebo-Effekten so sehen? Zumal es ganz auf die Situation und den Patienten ankommt, ob eine bestimmte Intervention Placebo- oder Nocebowirkung hat.
Autor: Udo Endruscheit
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