Wir erinnern uns an den Beschluss des Bayerischen Landtages vom November 2019, die Staatsregierung möge eine Studie in Auftrag geben, um „zu untersuchen bzw. untersuchen zu lassen, wie ein reduzierter Antibiotikaeinsatz im medizinischen Bereich realisiert werden kann. Dabei soll auch und insbesondere die Rolle alternativmedizinischer Methoden in den Blick genommen werden. Auch soll in diesem Zusammenhang eine mögliche positive Rolle von ggf. ergänzend verabreichten homöopathischen Präparaten beleuchtet werden.“
Wir haben uns hierzu positioniert, u.a. mit einem Offenen Brief an die Landtagsabgeordneten und auch in einer zusammenfassenden Kommentierung.
Was gibt es Neues?
Seitdem ist geraume Zeit vergangen, ohne dass relevante Informationen über den Fortgang der Dinge publik geworden waren. Nunmehr liegt aber eine Studienregistrierung bei clinicaltrials.gov vor, die zumindest einige Einblicke ermöglicht.
Es handelt sich um eine mehrfachverblindete placebokontrollierte randomisierte Verlaufsstudie, also grundsätzlich nach dem “Goldstandard”, die an der TMU München / Klinikum “Rechts der Isar” durchgeführt werden wird. Untersuchungsgegenstand ist, ob die Rezidivrate bei unkomplizierten Harnwegsinfektionen (Zystitis) bei Frauen durch die Gabe von Homöopathika positiv beeinflusst werden kann („Vergleich der Anzahl der mit Antibiotika behandelten Harnwegsinfektionen, gemessen zwischen Baseline und Monat 9 in beiden Gruppen“).
Wir wollen das hier (noch) nicht im Detail bewerten. Die Studie wird durchgeführt werden, die wesentlichen Studienparameter sind registriert und veröffentlicht. Das Ergebnis bleibt abzuwarten.
Was wäre für den Moment dazu zu sagen?
Einige Bemerkungen über unsere bisherige Kritik hinaus seien jedoch erlaubt:
Wir waren sehr gespannt, auf welche Weise der explizite Auftrag des Bayerischen Landtages wohl erfüllt werden sollte. Es geht immerhin sehr generell um eine „mögliche positive Rolle … ggf. ergänzend verabreichter homöopathischer Präparate“. Also um die Frage nach einer generellen Beurteilung, die von der Annahme ausgeht, es könne eine grundsätzliche Eignung von Homöopathie als Mittel zur Reduzierung von Antibiotika-Gaben festgestellt werden. Das Gegenteil wird hier einmal mehr demonstriert.
Ist das überhaupt leistbar? Man kann schließlich auch nicht “die” Chirurgie, “die” Internistik oder auch “die” Antibiotikatherapie als solche zum Gegenstand solcher Fragestellungen machen. die auf Allaussagen (“Homöopathie wirkt!”) abzielen, die aber naturwissenschaftlichem Denken fremd sind.
Ersichtlich standen die Planer der Studie genau vor diesem Problem. Denn wie sich nun zeigt, ist der Ansatz der Studie nichts anderes als die Untersuchung einer Indikation unter individueller homöopathischer Therapie mit 140 vordefinierten Mitteln (wie viele mit welchen Antibiotika behandlungsfähige Erkrankungen mit wie vielen verschiedenen Erregern gibt es?). Was anderes sollen sie auch tun. Für wenigstens einen größeren, multizentrischen und indikationsübergreifenden Ansatz (den wir damit keinesfalls befürworten oder für sinnvoll halten würden) reichen die verfügbaren Mittel von insgesamt 800.000 Euro sicher nicht aus. Übrigens zeigt das Studiendesign einmal mehr die Unsinnigkeit des immer wieder gehörten Einwandes, eine so „individuelle“ Therapie wie die Homöopathie könne nicht mit den Mitteln klinischer Studien getestet werden.
Auch das wollen wir gar nicht weiter ausführen, sondern uns auf die Frage beschränken, welchen Erkenntniswert mit Blick auf die Erwartungen des Bayerischen Landtages eine weitere Einzelstudie zu einer speziellen Indikation selbst im günstigsten Falle haben kann? Um auf eine Formulierung von Dr. Natalie Grams zurückzugreifen: „Eine Studie macht noch keinen Wumms!“
Auch wir haben schon oft erklärt, welche äußerst eingeschränkte Bedeutung einer einzelnen Studie angesichts der überwältigenden negativen Gesamtevidenz aus 200 Jahren Homöopathieforschung, davon in den letzten 30 Jahren mit dem ausgefeilten Instrumentarium der Evidenzbasierten Medizin, selbst im Falle positiver Ergebnisse zukommt. Ein solches Ergebnis kann die Gesamtevidenz nicht erschüttern. Als Minimum für die Zuerkennung einer gewissen Relevanz (was noch nicht zwingend Evidenz bedeutet) wäre zumindest eine, besser mehrere unabhängige Replizierungen eines solchen Ergebnisses erforderlich. Unterschiede in Originalstudie und Replikationen, die zwangsläufig auftreten werden, sind anschließend in systematischen Übersichtsarbeiten zu bewerten.
Dies ist die einzige Möglichkeit, abzusichern, dass die ursprüngliche Studie nicht doch ein Zufallsergebnis darstellt. Ergebnisse nahe der Signifikanzgrenze und ohne relevante Effekte für die klinische Praxis würden ohnehin die bestehende Evidenzlage zur Homöopathie nicht berühren. Und “sensationelle” Einzelergebnisse, die das Zeug haben sollen, die bisherige Erkenntnislage umzustoßen, würden (um Carl Sagan zu zitieren) sehr starke – außergewöhnliche – Belege erfordern – denn ein solches positives Ergebnis wäre selbst ja sehr außergewöhnlich. Eine einzelne Studie kann dies niemals leisten.
Die Kernfrage ist also, was für einen Erkenntnisgewinn denn eigentlich die projektierte Studie zur Homöopathie, insbesondere mit Blick auf den Auftrag des Landtages, erbringen soll? Vor allem, welche Konsequenzen hieraus erwachsen sollen? Glaubt jemand ernsthaft, die wissenschaftliche Gemeinschaft (z.B. die in Deutschland zum Antibiotikaproblem Forschenden wie das DZIF oder das IMED) würden dieser Untersuchung irgendwelche Relevanz beimessen? Und was wäre mit den Homöopathen selbst, die ihre Studien regelmäßig gar nicht aus Gründen der therapeutischen Praxis durchführen? Wird es nicht allein darauf hinauslaufen, dass der Homöopathie durch diesen ganzen Vorgang – gleich mit welchem Ergebnis – nur wieder Aufmerksamkeit und falsche Reputation zuwächst?
Aus unserer Sicht zeichnet sich hier nicht mehr ab als eine zusätzliche einzelne Studie auf dem Berg der vorhandenen, die es bisher selbst in ihrer Gesamtheit nicht geschafft haben, eine belastbare Evidenz pro Homöopathie für irgendeine Indikation hervorzubringen. Kreißt hier ein Berg, der eine Maus hervorbringen wird, wie der Römer Horaz bereits vor 2000 Jahren eine Kluft zwischen Anspruch und Wirklichkeit charakterisierte?
Details und methodische Betrachtungen einmal ganz außen vor.
Nun, die wären ohnehin erst nach Vorliegen der Studie wirklich angezeigt. Seien wir also fair und lassen die Forscher ihre Arbeit machen. Trotzdem sei angemerkt, dass sich unsere Zweifel an der Sinnhaftigkeit der ganzen Sache gegenüber 2019 nicht verringert haben. Eher im Gegenteil.
2 Replies to “Homöopathiestudie in Bayern: ein Zwischenbericht”
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